Forscher kommen zu überraschendem Ergebnis
Diese Folge hatte der Doppel-Adler-Jubel für Kosovaren

2018 sorgten die Nati-Fussballer Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri mit ihren Doppeladler-Gesten für Aufsehen. Eine Studie hat untersucht, inwiefern sich dieser Skandal auf die Kosovaren in der Schweiz ausgewirkt hat. Das Ergebnis ist verblüffend.
Publiziert: 26.08.2022 um 16:36 Uhr

Diese Jubel-Bilder von der WM in Russland 2018 gingen um die Welt. Granit Xhaka (29) und Xherdan Shaqiri (30) formten mit ihren Händen beim Spiel gegen Serbien den Doppel-Adler, der auf der Flagge Albaniens abgebildet ist.

Vor dem Spiel gab es diverse Provokationen, keine schlimmer als die des serbischen Aussenministers Ivica Dacic (56) mit der Frage, «ob Serbien eigentlich gegen die Schweiz, Albanien oder Pristina spielen würde». Während dem Match skandierten serbische Rechtsextreme «Tötet die Albaner».

«Entschuldige mich, falls sich Leute angegriffen fühlten»
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Shaqiri über Doppeladler-Wirbel:«Entschuldige mich, falls sich Leute angegriffen fühlten»

Nach dem Spiel kam es in der Schweiz an verschiedenen Orten zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Gruppen. Über den Sieg wurde weniger gesprochen als über die Symbolik. Die Geste löste augenblicklich Diskussionen aus, die weit über den Fussball hinausreichen: Polarisierung und Ausgrenzung, Nationalismus und die Loyalität von Doppelbürgern. Doppeladler wurde zum Wort des Jahres 2018 gekürt.

Granit Xhaka bejubelt seinen Treffer im WM-Spiel gegen Serbien an der WM 2018 in Russland.
Foto: Laurent Gillieron / Keystone
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12'000 Bewerbungen wurden verschickt

Welche Folgen hatte der Doppeladler für die Kosovaren in der Schweiz? Wurden sie danach etwas stärker diskriminiert? Genau das hat eine Studie untersucht, die im «European Journal of Political Research» erschienen ist. Die Autoren Daniel Auer und Didier Ruedin kommen darin zu einem verblüffenden Ergebnis: Der Doppeladler hat den Kosovaren in der Schweiz genutzt. Die Diskriminierung ging zurück. Darüber berichtete heute die «Aargauer Zeitung».

Um das zu messen, verschickten die Forscher knapp 12'000 fiktive Bewerbungen für freie Wohnungen. Pro Inserat verschickten sie jeweils zwei Bewerbungen, die identisch waren – bis auf eine Ausnahme: Eine enthielt einen Schweizer Namen, die andere einen kosovarischen. Das Experiment wurde zwischen März und September 2018 durchgeführt, also genau im Zeitraum des Spiels, das im Juni 2018 stattfand.

«Im ersten Moment dachte ich: Das wars dann»

Nach den ersten drei Monaten war das Ergebnis deutlich: 78,8 Prozent der Schweizer erhielten eine Einladung für eine Wohnungsbesichtigung. Bei den Kosovaren waren es lediglich 72,3 Prozent. Dann kamen die Gesten von Xhaka und Shaqiri.

«Im ersten Moment dachte ich: Das wars dann wohl mit unserem Experiment, weil der sogenannte ‹Störer›, also ein äusserer Einfluss, zu gross sein könnte», sagt Forscher Daniel Auer zur «Aargauer Zeitung». «Doch im Rückblick war der Doppeladler ein Glücksfall.»

Denn daraufhin hätten sich die Zahlen plötzlich angeglichen. Danach erhielten die Schweizer zwar immer noch öfters einen positiven Bescheid. Allerdings hatte sich das Verhältnis mit 70,5 gegenüber 69,1 Prozent deutlich angeglichen.

«Hätte gedacht, dass Diskriminierung zunimmt»

Von ihren Ergebnissen sind die Wissenschaftler überrascht: «Ich hätte gedacht, dass die Diskriminierung sogar noch zunehmen könnte. Offensichtlich haben die Debatten rund um dieses Spiel aber zu einem Zusammengehörigkeitsgefühl geführt. Das Gefühl, gemeinsam für die Schweizer Flagge einzustehen, wie das Shaqiri, Xhaka, Lichtsteiner und das gesamte Team eben tun, hat sich auf den Alltag übertragen», so Auer. Er bilanziert, dass die Spieler direkt dafür gesorgt hätten, dass «die Benachteiligung ihrer Diaspora in der Schweiz abgenommen hat».

Wie nachhaltig der Doppeladler-Effekt ist, sei allerdings unklar. Dafür müsste das Experiment wiederholt werden, sagt der Politologe zur Zeitung. «Es wäre nicht verwunderlich, wenn der Unterschied mittlerweile wieder etwas zugenommen hätte. Denn beim Doppeladler handelt es sich um einen konkreten Fall, eine einzige Geste und nicht um eine jahrelange Entwicklung.»

Wie sich das Verhältnis entwickelt hat, dürfte in wenigen Monaten aber auch anderweitig spürbar werden. Am 2. Dezember treffen die Schweiz und Serbien an der WM in Katar erneut aufeinander. Xhaka und Shaqiri dürften auch dann dabei sein. (vof)

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