Gemeinde Embrach ZH stellte Sebastian F. (49) trotz Vorstrafe an
Kesb-Betreuer hat Seniorin um 366'000 Fr. erleichtert

Er hätte das Geld einer verwirrten Seniorin verwalten sollen. Stattdessen hat sich Berufsbeistand Sebastian F. (49) selber die Taschen gefüllt, so die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft. Am Mittwoch steht er vor dem Richter.
Publiziert: 22.02.2022 um 00:34 Uhr
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Aktualisiert: 22.02.2022 um 07:13 Uhr
Michael Sahli

Genau davor graust es Menschen, die plötzlich nicht mehr für sich selber sorgen können: Wenn sie von der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) einen Beistand vorgesetzt zu bekommen, der dann vor allem um sein eigenes Wohl besorgt ist. Dass Betroffene einen solchen Verdacht schnell haben, passiert nicht selten. Ob zu Recht oder zu Unrecht, ist häufig umstritten.

Anders bei der Rentnerin Muriel S.* (86) aus der Region Bülach ZH. Der zunehmend verwirrten Seniorin wird 2017 von der Kesb ein sogenannter Berufsbeistand vorgesetzt, der das Vermögen von S. betreuen soll. Sie selber soll dazu nicht mehr imstande sein.

Diese verantwortungsvolle Aufgabe bekommt der von der Gemeinde Embrach ZH angestellte Berufsbeistand Sebastian F.* (49). Auf dem Blatt offenbar ein ausgewiesener Kenner der Materie: So war er Jahre zuvor im Kanton Aargau in verschiedenen Gemeinden in den sozialen Diensten tätig – baute in einer Gemeinde gar den Sozialdienst auf.

Berufsbeistand Sebastian F. (49) steht am Mittwoch vor dem Bezirksgericht Bülach ZH.
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Bloss: F. soll seine Vollmachten über Muriel S.' Konten für eigene Zwecke ausgenutzt haben. Die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland wirft ihm vor, Hunderttausende Franken des Ersparten der Seniorin für sich ausgegeben zu haben! Am Mittwoch steht S. darum vor Bezirksgericht Bülach ZH.

Plötzlich fehlen 366'000 Franken in der Kasse

Sebastian F. hat ordentlich zugelangt. Insgesamt 366'000 Franken hat er der alten Frau laut Anklage abgenommen. Dabei soll er Muriel S.' Gesundheitszustand ausgenutzt haben. Sie litt unter beginnenden geistigen Defiziten. Keine zwei Monate nach Antritt der Stelle habe Sebastian F. sie einen «Darlehensvertrag» über 400'000 Franken unterschreiben lassen.

Mit dem Geld kaufte sich der Kesb-Beistand unter anderem einen Chevrolet (13'999 Franken), ein Boot und einen Anhänger (5700 Franken). Zudem gönnte er sich mit dem fremden Geld auch noch ein über 116'000 Quadratmeter grosses Grundstück in der Dominikanischen Republik (85'000 Franken)! Auch private Schulden habe er mit dem Geld beglichen.

Und auch während und nach seiner Zeit als Berufsbeistand von Muriel S. soll Sebastian F. Menschen um Geld betrogen haben. Zusammen mit seiner Ex-Frau hat er Betreibungen und Verlustscheine im Wert einer Dreiviertelmillion angesammelt. Um Wohnungen mieten zu können, hat Sebastian F. laut Anklage seinen Betreibungsregisterauszug gefälscht.

Exotische Grundstücke, dicke Zigarren

Bei seinen Ex-Vermietern hat F. teilweise noch heute hohe Schulden. Im Jahr 2016 bezog er zudem ungerechtfertigt Sozialhilfe im Wert von über 30'000 Franken.

Trotz allem: Auf sozialen Netzwerken zeigt Sebastian F. Fotos eines exotischen Grundstücks, lächelt mit dicker Zigarre in die Kamera. Und geniesst augenscheinlich das Leben in der Dominikanischen Republik.

Blick hat F. mit den Vorwürfen konfrontiert. Dieser schreibt: «Es geht mir nicht sehr gut, ich leide seit Jahren unter Depressionen. Im 2018 habe ich einen Suizidversuch unternommen und diesen schwer verletzt überlebt.» Ihm drohen nun vier Jahre Gefängnis wegen Veruntreuung, Geldwäscherei und Betrugs.

«Einen solchen Fall haben wir noch nie gehabt»

Wie die Kesb Sebastian F. 2017 überhaupt auf die Seniorin Muriel S. loslassen konnte, ist indes noch ein Rätsel. Zum Anstellungsprozess eines Berufsbeistands gehört eine eingehende Prüfung des Strafregister- und Betreibungsauszugs. Und S. war bereits vor seiner Anstellung vorbestraft, wie aus der Anklageschrift hervorgeht.

Bei der Kesb Bülach sieht man die Verantwortung bei der Gemeinde Embrach, die den Beschuldigten damals eingestellt hat. Dort heiss es von Gemeindeschreiber Daniel von Büren: «Es läuft momentan ein Staatshaftungsverfahren. Das heisst: Der Schaden der betroffenen Dame wird vom Kanton gedeckt. Und der Kanton nimmt dann Regress, falls etwas nicht korrekt abgelaufen ist.»

Sicher sei: «Einen solchen Fall haben wir noch nie gehabt. Ich bin mir sicher, dass auch andere Berufsbeistandschaften ihre Lehren daraus ziehen.»

* Namen geändert


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