Eine Übersicht der Etappen
Standortsuche für Atom-Endlager begann vor 50 Jahren

Ein halbes Jahrhundert nach Beginn der Standortsuche für die Lagerung radioaktiver Abfälle ist nun ein Entscheid gefallen: Das Atom-Endlager soll in «Nördlich Lägern» gebaut werden. Nachstehend die wichtigsten Etappen der jahrzehntelangen Standortsuche.
Publiziert: 10.09.2022 um 16:31 Uhr
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Aktualisiert: 10.09.2022 um 16:36 Uhr

1972: Die fünf Betreiber der Atomkraftwerke und der Bund gründen die «Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle», abgekürzt Nagra. Ihr Auftrag lautet gemäss heute geltenden Statuten: «Die Genossenschaft bezweckt als Selbsthilfeorganisation der Partner die Errichtung und den Betrieb von Lagern für radioaktive Abfälle und der dazu notwendigen Anlagen.»

1980er-Jahre: Die Nagra treibt an verschiedenen Standorten Tiefenbohrungen voran, um Erkenntnisse über den geologischen Aufbau der Schweiz zu erhalten.

1988: Der Bundesrat heisst den ersten sogenannten «Entsorgungsnachweis» gut. Gestützt auf Abklärungen der Nagra zu einem möglichen Lager in den Mergeln des Oberbauenstocks UR gilt es als gesichert, dass sich in der Schweiz theoretisch schwach- und mittelradioaktive Abfälle sicher entsorgen lassen.

Hier in der Gemeinde Stadel ZH soll ein Atom-Endlager gebaut werden.
Foto: keystone-sda.ch
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1993/1994: Die Nagra schlägt nach ihren Abklärungen zwei Lagerstandorte vor. Schwach- und mittelaktive Nuklearabfälle sollen im Wellenberg NW gelagert werden, hochradioaktive und langlebige mittelradioaktive Abfälle in einer tiefen Gesteinsschicht unter Benken ZH im Zürcher Weinland.

1995/2002: Die Stimmenden in Nidwalden sagen zwei Mal Nein zu Plänen für ein Lager im Wellenberg.

18. Juni 2001: Das Zwischenlager für radioaktive Abfälle in Würenlingen AG nimmt den Betrieb auf.

20. Dezember 2002: Die Nagra erklärt nach Untersuchungen im Zürcher Weinland, das dortige Opalinuston-Gestein sei für ein Tiefenlager geeignet. Sie empfiehlt die Fokussierung auf Benken ZH.

10. Mai 2004: Die Schweiz beteiligt sich am EU-Projekt «Sapierr» zur Suche nach einem multinationalen Endlager für langlebige und hochaktive Atomabfälle. Als möglicher Endlager-Standort wird Russland genannt.

1. Februar 2005: In der Schweiz treten das Kernenergiegesetz und die dazugehörige Verordnung in Kraft. Danach dürfen ab Mitte 2006 keine abgebrannten Brennstäbe mehr ins Ausland (La Hague in Frankreich, Sellafield in Grossbritannien) exportiert werden. Atommüll muss grundsätzlich im Inland entsorgt werden.

12. September 2005: Die Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen (HSK) erklärt den Untergrund im Zürcher Weinland als geeignet für ein Atomendlager. Das öffentliche Auflageverfahren beginnt.

28. Juni 2006: Der Bundesrat heisst den Entsorgungsnachweis für hochaktive Abfälle gut (Studie Opalinuston im Zürcher Weinland). Wie beim 1988 erfolgten Nachweis für schwach- und mittelradioaktive Abfälle ist damit kein Standortentscheid verbunden - der Bundesrat bestätigt damit lediglich, dass die Entsorgung von radioaktiven Abfällen in der Schweiz prinzipiell möglich ist.

April 2007: In der Vernehmlassung zum Sachplan Geologische Tiefenlager des Bundes sind sich Parteien und Verbände nicht über die Grösse des Lagers einig: SP und Grüne wollen es auf die fünf bestehenden AKW ausrichten, die Bürgerlichen wollen auch mögliche neue AKW einbeziehen.

2. April 2008: Der Bundesrat gibt grünes Licht für einen Neustart der Standortsuche. Zunächst sollen - ausgehend von einer weissen, leeren Schweizer Landkarte - all jene Gebiete festgelegt werden, die für ein Tiefenlager in Frage kommen. Nicht politische Aspekte, sondern allein Aspekte der Geologie und der Betriebssicherheit sollen ausschlaggebend sein.

6. November 2008: Das Bundesamt für Energie bezeichnet sechs Regionen, in denen ein Tiefenlager möglich ist. Es handelt sich um Jura-Südfuss, Südranden und Wellenberg (jeweils nur als Lager für schwach- und mittelaktive Abfälle) sowie Jura Ost, Nördlich Lägern und Zürich Nordost (jeweils als Kombilager für schwach- und mittelaktive sowie hochaktive Abfälle).

21. November 2018: Nach Nagra-Abklärungen entscheidet der Bundesrat, dass die Standorte Jura Ost (AG, westlich von Brugg), Nördlich Lägern (AG/ZH) und Zürich Nordost (Weinland, ZH/TG) vertieft als mögliche Standorte für ein Tiefenlager geprüft werden sollen.

2019-2022: Die Nagra führt in den drei verbliebenen Regionen unter anderem weitere Sondierbohrungen durch, um ihre geologischen Kenntnisse zu vervollständigen. Die Lagerprojekte werden unter Einbezug der Standortregionen konkretisiert und die Auswirkungen der Lager auf Gesellschaft und Wirtschaft untersucht.

10. September 2022: Die betroffene Bevölkerung in der Region Nördlich Lägern wird über den Standortentscheid informiert.

12. September 2022: An einer Medienkonferenz in Bern wird die Nagra Einzelheiten zur Standortwahl bekannt geben. Die Genossenschaft schreibt von einem «wichtigen Meilenstein im Jahrhundertprojekt».

Etwa 2029: Der Bundesrat wird über das Rahmenbewilligungsgesuch der Nagra für den Tiefenlagerbau entscheiden. Anschliessend befinden National- und Ständerat darüber.

Etwa 2031: Wird gegen die Rahmenbewilligung das Referendum ergriffen, kommt es zu einer Urnenabstimmung über das Tiefenlager.

Etwa 2050: Schwach- und mittelaktive Abfälle können im geologischen Tiefenlager eingelagert werden. Der Lagerbereich für hochaktive Abfälle soll um etwa 2060 in Betrieb genommen werden können. (SDA)

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