Diebstahl-Welle in Vereinen, Genossenschaften und Zünften
Schweizer Kassiers klauen wie die Raben

Kassiers, die Geld aus der Kasse ihres Vereins, ihrer Genossenschaft oder ihrer Zunft stibitzen – das passiert in der Schweiz zurzeit häufig. Blick verschafft einen Überblick zu den jüngsten Fällen.
Publiziert: 28.03.2024 um 17:51 Uhr
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Nicolas LuratiReporter News

Schon wieder greift ein Kassier oder eine Kassierin zu. Passiert ist es diesmal beim Blauring Gams SG. Der Fall wurde jetzt publik. Die Kassierin des Rheintaler Vereins zweigte einen stattlichen Betrag von der Vereinskasse auf ihr eigenes Konto ab.

Dies schrieb die Freizeit-Organisation für Mädchen in einer Mitteilung am Dienstag. Die Rede ist von total einigen Zehntausend Franken, die die Klau-Kassierin über Jahre hinweg stibitzt haben soll. Ihr Amt habe sie per sofort niedergelegt. Immerhin: Bei einem Notar habe die diebische Elster schriftlich ihre Schuld gestanden. Und sogar vereinbart, das Geld zurückzuzahlen. Eine erste Rate sei bereits eingegangen, so der Mediensprecher des Vereins. Der Deal: Zahlt sie alles zurück, zeigt sie der Vorstand nicht an. 

Ein landesweites Phänomen: Wo das Geld nah liegt, wird zugelangt. So denken offenbar einige Kassiere und Kassierinnen in der Schweiz. Wir erleben zurzeit eine Welle stehlender Schatzmeister von Vereinen, Verbänden, Genossenschaften und Zünften. Blick listet Langfinger-Fälle auf. 

Die Kassierin des Blaurings Gams SG zweigte einige Zehntausend Franken von der Vereinskasse auf ihr eigenes Konto ab. (Symbolbild aus dem Archiv)
Foto: Keystone
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Oberwalliser Samariterverband

Von Gams im Rheintal fliegt die Elster weiter ins Oberwallis. Auch dort soll sich ein Kassier bereichert haben. Per Definition ist ein Samariter ein «selbstlos helfender Mensch». Auf diese Prinzipien pfiff der Verbands-Schatzmeister offenbar. Er dachte nur an sein eigenes Portemonnaie. Und der mutmasslich abgezweigte Betrag ist happig: In der Bilanz steht unter dem Posten «veruntreutes Geld» 206'000 Franken, wie der «Walliser Bote» schreibt. Die Behörden ermitteln gegen den Kassier des Verbands – es läuft ein Strafverfahren.

Pferdeversicherung Bischofszell TG

Wir galoppieren zurück in die Ostschweiz. Nämlich zur Pferdeversicherung nach Bischofszell. Dort soll Kassier Thomas D.* (69) im grossen Stil in die eigene Tasche gewirtschaftet haben. Es geht um über 400'000 Franken – da wiehert der Gaul. Blick enthüllte den Skandal Mitte März. Der Vorstand der Genossenschaft knöpfte sich D. vor. Dieser versprach, die Kohle zurückzuzahlen. Die Thurgauer Staatsanwaltschaft bestätigte Blick, dass ermittelt werde. Und Adrian Koller (55), Anwalt der Pferdeversicherung, sagte: «Es läuft ein Verfahren wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung.» Mittlerweile hat D. einen kleinen Teil der Summe an die Genossenschaft zurückbezahlt.

Langlaufzentrum Gantrisch BE

Noch älter als der mutmassliche Thurgauer Langfinger ist ein Stibitz-Grosi aus dem Kanton Bern. 20 Jahre lang macht Susi P.* (75) aus Schwarzenburg BE einen ausgezeichneten Job als Kassierin des Langlauf-Vereins. Doch dann kribbelt es die Rentnerin in den Fingern. Sie zwackt nach und nach Tranchen von der Kasse ab. Am Schluss ist das Sparbüechli des Vereins leer – fast 1 Million Franken weg. Blick berichtete vergangenen November über den Fall. Bizarr: Gemäss Vereinspräsident Christoph Wüthrich und Bewohnern an ihrem Wohnort hätte Susi P. den Kassen-Klau gar nicht nötig gehabt. Denn: Sie soll eine üppige Rente kassieren und Liegenschaften besitzen. Damals sagte die Polizei auf Blick-Anfrage, dass wegen Veruntreuung ermittelt werde. 

Zunft St. Niklaus Zürich

Nicht nur auf dem Land schlagen die Langfinger-Kassiere zu. Auch in der Grossstadt sind sie aktiv. Beispiel: Brian D.*, UBS-Kaderbankier und Kassier der Zürcher Zunft St. Niklaus. Plötzlich waren vom Zunft-Konto 100'000 Franken wie vom Erdboden verschluckt. Die «Weltwoche» publizierte im August 2023 ein Dokument der Zunft an ihre Mitglieder. Dort steht, dass «unser Säckelmeister in grossem Umfang unrechtmässig Gelder abgezogen hat». Brian D. verlässt die Zunft. Er war auch Kassier des Gewerbevereins Zürich-Nord. Auch dieser kam zu Schaden – mit einer Summe von über 100'000 Franken. Der Gewerbeverein zeigt den Banker an. Die Staatsanwaltschaft nimmt Ermittlungen auf. 

Zürcher Quartierverein Witikon

Selbe Stadt, aber von der Zunftelite zum beschaulichen Quartierverein. In Witikon versagt plötzlich das Herz des Vereins-Kassiers. Er stirbt im März 2023 mit 68 Jahren. Nach seinem Tod stellt der Vorstand fest: Auf den drei Konten fehlen zusammen über 100'000 Franken. Der Vorstand erstattet Anzeige. Eine externe Stelle untersucht den Vorfall. Der Kassier hatte anscheinend schon seit 2010 zugelangt und Geld des Vereins abfliessen lassen. 

* Namen geändert 

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