Die Pandemie in Zahlen
So hat Corona die Schweiz verändert

Corona hat jetzt schon deutlich Spuren hinterlassen – und wie. Mehr Tote, mehr häusliche Gewalt, weniger Kulturschaffende. Das zeigen die neuesten Zahlen des Bundesamtes für Statistik.
Publiziert: 20.07.2021 um 15:14 Uhr
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Aktualisiert: 20.07.2021 um 18:57 Uhr
Johannes Hillig

Zuerst war es nur eine Krankheit fern irgendwo in China. Doch dann bahnte sich Corona seinen Weg über die Welt – und verbreitete sich schliesslich auch in der Schweiz. Der erste Fall wurde am 24. Februar gemeldet. Von da an ging es ganz schnell. Die erste Welle brach über uns herein. Lockdown. Maskenpflicht. Homeoffice.

Corona hat schon jetzt seine Spuren hinterlassen. Und zwar in vielen Bereichen. Das zeigt folgender Überblick.

Mehr Tote als erwartet

In der Schweiz leben 2,6 Millionen Personen, die besonders durch Corona gefährdet sind. Entweder weil sie bestimmte Vorerkrankungen haben oder älter als 65 Jahre sind.

Als Corona kam, reagierte der Bundesrat mit Massnahmen. Lockdown. Auch die Grenzen wurden geschlossen.
Foto: Keystone
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Trotz der Massnahmen konnten sie nicht ausreichend geschützt werden. Letztes Jahr verloren deutlich mehr Menschen ihr Leben als noch 2019, wie Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BFS) zeigen. Corona liess die Übersterblichkeit durch die Decke gehen. In der Schweiz gab es 2020 mehr Tote als noch 2019. Konkret: 76'000 Menschen – das sind 8200 mehr Todesfälle als im Vorjahr. Ein Anstieg von 12,1 Prozent. Besonders zwischen Ende März und Anfang April starben 46 Prozent mehr Menschen als erwartet. Und das war bloss die erste Welle. Harmlos im Vergleich zur zweiten Welle. Nach einem entspannten Sommer schossen die Infektionszahlen in die Höhe.

Bloss der Anfang. Die zweite Welle traf die Schweiz viel härter. Fünf Mal schlimmer als die erste Welle. Zwischen Anfang November und Mitte Dezember wurden in der Altersgruppe 65 und älter jeweils zwischen 165 Prozent und 170 Prozent der erwartetet Todesfälle gezählt.

Spitäler am Anschlag

Besonders für Ältere war und ist Corona eine grosse Gefahr. «Die über der Erwartung liegende Sterblichkeit war bei älteren Personen mehr als 30-mal höher als bei unter 65-Jährigen», schreibt das BFS. Corona liess die Todeszahlen nach oben schnellen. Bislang sind 10'200 Menschen mehr gestorben als erwartet.

Dementsprechend hoch war auch die Auslastung in den Spitälern. Mehr als 29'000 Corona-Patienten mussten hospitalisiert werden. Für kurze Zeit waren die Einrichtungen am Anschlag. Das Spital Schwyz schlug im Oktober 2020 sogar Alarm. «Wir können das als Spital nicht mehr stemmen, wenn die Fallzahlen weiter steigen», warnte Direktorin Franziska Föllmi in einem Video-Appell.

Spital Schwyz im Shitstorm der Skeptiker
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Hilferuf aus dem Spital Schwyz:«Können das nicht mehr stemmen»

Kurz darauf meldeten sich der Spitalverband Zürich und die Chefärzte der Unispitäler. Sie warnten vor einem Zusammenbruch. Die Intensivstationen waren voll. Operationen mussten verschoben werden. Inzwischen hat sich die Situation wieder beruhigt.

Mehr häusliche Gewalt, weniger Diebstähle

Als durch den Lockdown die Welt vieler auf die eigenen vier Wände zusammenschrumpfte, wurde es schon befürchtet. Und tatsächlich: Die Fälle häuslicher Gewalt nahmen zu. Während der Lockdown-Zeit wurden fünf Prozent mehr Fälle registriert. Auch insgesamt gab es einen Anstieg: Waren es im Jahr 2019 noch total 19'669 Straftaten im Zusammenhang von häuslicher Gewalt, wurden für das Corona-Jahr 20'123 Fälle verzeichnet. Ein Plus von zwei Prozent.

Die Dunkelziffer dürfte höher sein. Denn: Den Opfern fällt es schwer, gegen den Gewalttäter in der eigenen Familie vorzugehen. «Anzeige zu erstatten, ist ein schwieriger Schritt für Opfer häuslicher Gewalt, der viel Mut und Kraft braucht», sagte der forensische Psychiater Thomas Knecht zu BLICK. Dass die häusliche Gewalt zunahm, mussten auch die Frauenhäuser feststellen. «Wir haben ein Rekordjahr hinter uns», erklärte Silvia Vetsch (60) vom Frauenhaus St. Gallen Anfang März 2021. Ihre Einrichtung sei die ganze Zeit voll, teilweise auch überbelegt gewesen. Zudem habe man ein Drittel mehr Beratungstelefone durchgeführt.

Während die häusliche Gewalt zunahm, gingen im gleichen Zeitraum andere Straftaten zurück. Allein 43 Prozent weniger Diebstähle wurden während des Lockdowns registriert. Kein Wunder: Die allermeisten waren zu Hause. Keine gute Zeit für Einbrecher. Ebenso schwer hatten es Zechpreller. Statt sich den Magen vollzuschlagen, ohne zu zahlen, brachen magere Zeiten an. Restaurants und Bars wurden wegen Corona geschlossen. Die Folge: Zechprellerei ging um satte 31 Prozent zurück.

Gastrobranche fehlt das Personal

Corona machte sich auch in der Wirtschaft bemerkbar – und wie. Fast 300 Millionen Arbeitsstunden gingen flöten. Bei einem Pensum von acht Stunden sind das knapp 37 Millionen Arbeitstage. Die Jahresarbeitszeit von über 145'000 Angestellten in Vollzeit. Keine Branche traf es härter als das Gastgewerbe.

Inzwischen sind die Restaurants, Kafis und Beizen wieder geöffnet. Doch nun gibt es ein anderes Problem: Personalmangel. «Wir haben grosse Mühe, gute Fachkräfte zu finden», sagte Casimir Platzer (59), Präsident des Branchenverbands Gastrosuisse, unlängst. Viele Angestellte hätten nach den vielen Lockdown-Monaten die Perspektive verloren und die Branche gewechselt, so Platzer.

Statt auf der Bühne, jetzt Übersetzerin

Auch die Kulturbranche wurde heftig gebeutelt. Die Zahl der Kinobesuche brach ein. Von 12,5 Millionen verkauften Tickets 2019 auf 4,3 Millionen. Die Branche versucht daher, neue Wege einzuschlagen. Die Kinokette Pathé arbeitet beispielsweise an der Neuerfindung des Kinos. Die Idee: Kino-Säle für private Anlässe vermieten. Die Nachfrage sei gross, so Pathé.

Während das Schweizer Kino versucht, sich über Wasser zu halten, geht es auch Kulturschaffenden ähnlich. Corona hat ihnen schwer zugesetzt. Keine Konzerte, Auftritte, geschlossene Clubs.

Dementsprechend wurden 2020 auch weniger Kulturschaffende gezählt als noch 2019. Konkret: 14'500 weniger. Viele arbeiten nun in anderen Jobs. So wie Musical-Darstellerin Isabelle Flachsmann (47). Statt auf der Bühne arbeitet sie nun als Übersetzerin.

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Oder Komiker Peter Pfändler (59). Er arbeitet als Profiler. «Auftritte als Komiker wurden fast alle abgesagt. Also nahm ich meinen alten Job als Profiler und Kommunikationsexperte an, weil ich meine Familie ansonsten nicht durchbringen könnte», sagte er Ende letzten Jahres zu Blick.

Die Zeit war für viele schwer. Die Krise ist aber noch nicht ganz ausgestanden. Die Impfungen gehen zwar voran. Aber Experten erwarten eine vierte Welle. Und zwar wegen der Delta-Variante.


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