Das Nazi-Netzwerk hinter dem Mord an Walter Lübcke (†65)
Rechtsextreme Terror-Gruppe hat Stützpunkt in der Schweiz

Die Spuren im Fall des getöteten CDU-Politikers führen zur Nazi-Gruppe Combat 18. Diese agiert auch aus der Schweiz heraus.
Publiziert: 29.06.2019 um 19:39 Uhr
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Aktualisiert: 28.01.2021 um 14:08 Uhr
Fabian Eberhard

Stephan E.* (45) hat gestanden. Zehn Tage nach seiner Festnahme hat der Neonazi den Mord am deutschen CDU-Politiker Walter Lübcke (†65) zugegeben. Vor einem Monat hatte E. den Kasseler Regierungspräsidenten auf dessen Terrasse mit einem Kopfschuss hingerichtet.

Vieles deutet darauf hin, dass E. Teil eines braunen Netzwerks war. Am Donnerstag verhaftete die Polizei zwei mögliche Komplizen.

Die Spuren führen zur Terrorgruppe Combat 18 («Kampftruppe Adolf Hitler»). Diese sieht sich als bewaffneten Arm des in Deutschland verbotenen Blood-and-­Honour-Netzwerks und ist verantwortlich für zahlreiche Gewalttaten weltweit.

Vor einem Monat erschoss ein Rechtsextremer den CDU-Politiker Walter Lübcke. Der Täter bewegte sich im Umfeld der Nazi-Gruppierung Combat 18, die auch in der Schweiz aktiv ist.
Foto: AFP
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A.S. reiste wiederholt nach Thüringen

Combat 18 ist auch hierzulande aktiv. Mehr noch: Die Schweiz dient der Gruppierung als wichtiger Stützpunkt in Europa. In mehreren Kantonen haben sich militante Anhänger zusammengeschlossen, betreiben Tattoo-Studios, organisieren Schiessübungen, trainieren in einer szeneeigenen Kampfschule.

Als Anführer agieren zwei Personen aus dem Raum Zürich: Die Italo-Schweizerin E. B.* (34) aus Wallisellen und A. S.* (39), Lagerist aus Kloten. Die beiden ziehen im Hintergrund die Fäden, koordinieren Kontakte ins Ausland.

S. hat den Leitspruch von Combat 18 auf seine Brust tätowiert: «Whatever it takes», auf Deutsch: «Was auch immer nötig ist». In den letzten Jahren reiste er wiederholt an Treffen im ostdeutschen Thüringen. Jene Region, in der sich der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) formiert hatte – das Mördertrio um Beate Zschäpe, das in Deutschland neun Migranten und eine Polizistin ermordet hatte.

Interesse, «ein stärkeres Netzwerk zu bilden»

Es ist kaum Zufall, dass die letzte Neuformation von Combat 18 aus der Schweiz heraus organisiert wurde. In einem E-Mail aus dem Jahr 2012, das die antifaschistische Recherche-Plattform Exif publik gemacht hat, schrieben Rechtsextremisten: «Wir von der Division Schweiz sind interessiert an einem Treffen mit Combat-18-Repräsentanten aus ganz Europa und den USA, um ein stärkeres Netzwerk zu bilden und uns für härtere Zeiten vorzubereiten.» Und tatsächlich: Im darauffolgenden Jahr fanden mehrere interna­tionale Treffen in der Schweiz satt.

Hochburgen von Combat 18 sind die Innerschweiz und der Kanton Zürich. Die Gruppierung präsentiert sich nur selten in der Öffentlichkeit. Ein Tag, an dem sie dies tat, war der 15. Oktober 2016. Bei Einbruch der Dunkelheit reisten knapp 6000 Neonazis aus ganz ­Europa zu einem Grosskonzert nach Unterwasser SG. Die Behörden waren überrumpelt. Die Strippenzieher der rechtsextremen ­Feier stammten aus Thüringer Combat-18-Kreisen.

Immer wieder gerieten Schweizer Mitglieder der Gruppierung auch durch Gewalt in Erscheinung. 2012 schoss ein Combat-18-Extremist im Zürcher Niederdorf einem Gesinnungskameraden in die Brust. Im Sommer 2015 attackierten mehrere Neonazis einen orthodoxen Juden in Zürich-Wiedikon. Haupttäter: Kevin G.*, Frontmann der Zürcher Combat-18-Band «Amok». Die Gruppe trat auch am Konzert in Unterwasser auf.

Verbot von Combat 18 in Deutschland?

Als Neonazis im vergangenen April eine antirassistische Kundgebung in Schwyz angriffen, waren Combat-18-Anhänger ganz vorne mit dabei. Kurz danach tauchte zudem ein Video auf, worin vermummte Mitglieder der Gruppierung ein Transparent verbrannten, das sie den linken Demonstranten geklaut hatten.

Nach dem Lübcke-Mord püfen die deutschen Behörden nun ein Verbot von Combat 18. Kanada hat die Gruppierung letzte Woche auf die Terrorliste gesetzt. Und die Schweiz? Der Nachrichtendienst des Bundes erwähnt Combat 18 in seinem Jahresbericht mit keinem Wort.

* Namen der Redaktion bekannt

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