Daniel Ocbe aus Eritrea
«Die Schweiz war nie mein Ziel»

Publiziert: 18.09.2015 um 10:29 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 16:26 Uhr
Von Daniel Ocbe

Ich möchte ehrlich sein: Die Schweiz war nie mein Ziel. Als ich flüchtete, wollte ich nach England. Weil ich ein wenig Englisch sprach, dachte ich, hätte ich dort eine Chance, weiter Naturwissenschaften zu studieren. Aber dann nahmen sie mir in der Schweiz die Fingerabdrücke. Also musste ich bleiben, wegen des Dublin-Abkommens.

Ich habe mich gefragt: Was tust du jetzt? Ich habe schnell begriffen, dass ich nicht mehr nach England komme. Meine Zukunft ist in der Schweiz. Ich wusste, jetzt muss ich mich so schnell wie möglich integrieren und Deutsch lernen. Hier spricht ja niemand Englisch! Ich habe eine Frau und ein Kind, es kam in der Schweiz zur Welt. Ich will für sie sorgen. Ich will so schnell wie möglich nicht mehr von der Sozialhilfe abhängig sein.

Ich lebe mit meiner Frau und dem Kind in Elsau ZH. Ich spreche Deutsch auf dem Niveau B2, fortgeschrittenes Niveau ist das. Man glaubt mir manchmal nicht, dass ich aus Eritrea bin, weil ich schon  so gut auf Deutsch kommuniziere. Im ersten halben Jahr ging ich fünf Tage die Woche in den Deutschunterricht an verschiedenen Schulen. Ich habe die Zugtickets selber bezahlt, weil mir mein Sozialarbeiter dafür kein Geld geben wollte. Als ich mich nach fünf Monaten plötzlich auf Deutsch mit ihm unterhielt, war er schockiert. Dann hat er die Zugtickets bezahlt.

Aus Eritrea bin ich vor fünf Jahren geflohen, nachdem mich das Regime für das Militär zwangsrekrutiert hatte. Ich durfte nicht mehr nach Hause und bekam nur etwa drei Franken Sold pro Monat. Nach einem Jahr Militärdienst flüchtete ich in den Sudan. Das war 2010. In Khartum schlug ich mich zwei Jahre durch. Meine Frau zog nach, zusammen fuhren wir zehn Tage mit einem Kleinlaster durch die Wüste nach Libyen. Das war sehr schlimm. In einem Boot erreichten wir schliesslich Italien.

Jetzt suche ich eine Schnupperlehre als Elektroinstallateur. Darin habe ich ein wenig Erfahrung. Ich habe mir Betriebe herausgesucht, die ich besuchen und wo ich mich vorstellen will. Schriftliche Bewerbungen finde ich zu unpersönlich.

Hoffentlich finde ich schnell eine Arbeit. Es ist komisch: Überall gelten die Eritreer als fleissig. In Eritrea haben wir ja alle ständig gearbeitet, um irgendwie durchzukommen. Nur in der Schweiz heisst es, wir seien faul. Ich denke, es liegt daran, weil wir Eritreer kein Selbstvertrauen haben. Das haben wir nie gelernt.

Aber dafür muss man erst die Sprache sprechen. Dann ist vieles möglich. Ich habe darum einen Wunsch an die Schweiz: Schaffen Sie bitte mehr Möglichkeiten, dass wir schneller Deutsch lernen. Helfen Sie uns, das Schweizer System kennenzulernen, damit wir uns schnell integrieren. Zu meinen Landsleuten will ich sagen: Lernt Deutsch. Lernt Schweizer kennen, im Zug, auf der Strasse, lebt nicht neben ihnen her. Und vor allem: Wartet nicht auf Hilfe von aussen. Gebt nicht auf.

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