«Wir sind hier die Spreader»
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Nidwaldner Lehrerin:«Wir sind hier die Spreader»

Contact Tracing zeigt
Hier stecken sich momentan die meisten mit Corona an

Sind es die Schulen? Die öffentlichen Verkehrsmittel? Oder die eigenen vier Wände? Das Contact Tracing macht eine Vielzahl von Quellen aus für neue Corona-Infektionen. Blick zeigt die häufigsten Ansteckungsorte.
Publiziert: 25.11.2021 um 10:27 Uhr
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Aktualisiert: 26.11.2021 um 00:01 Uhr
Georg Nopper

In vielen Schweizer Schulen müssen die Kinder wieder Masken tragen. Es ist davon auszugehen, dass bald weitere Massnahmen gegen das Coronavirus in Kraft treten. In einigen Kantonen gibt es Diskussionen über Verschärfungen, da die Zahl der Neuinfektionen derzeit stark zunimmt.

Dabei spielt auch die Überlegung eine Rolle, wo sich die Menschen am meisten mit dem Coronavirus infizieren. In vielen Fällen bleibt die Ansteckungsquelle zwar unklar. Doch das Contact Tracing erhebt diese Daten so weit möglich. Teilweise werden die entsprechenden Statistiken von den Kantonen veröffentlicht.

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Durch die grosse Nähe zwischen den Familienmitgliedern wird das Coronavirus im eigenen Haushalt besonders häufig weitergegeben.
Foto: Shutterstock
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Am meisten Übertragungen im eigenen Haushalt

Klar ist: Am meisten infizieren sich die Schweizer im eigenen Haushalt. Danach folgen je nach Kanton die Arbeit, die Schule oder Freunde/Verwandte. Die Häufigkeiten der Ansteckungen in Schulen und bei der Arbeit variieren je nach Kanton stark, wobei die Kantone teilweise auch mit unterschiedlichen Kategorien arbeiten.

Besonders extrem sind die Schulen im Kanton Nidwalden betroffen. Dort kämen rund 50 Prozent der neuen Fälle aus dem schulischen Umfeld, teilten die Behörden unlängst mit. Der Kanton zog deshalb die Notbremse und führte die Maskenpflicht ab der Sekundarstufe I und für sämtliche Lehrpersonen wieder ein.

Schule häufig an zweiter Stelle

Im Kanton Aargau passierten die meisten in der vergangenen Woche registrierten Ansteckungen innerhalb der Familie (525), an zweiter Stelle steht die Schule mit 152 Übertragungen. Die Arbeit steht mit 92 an dritter Stelle der häufigsten Übertragungsorte.

Ein ähnliches Bild zeichnen die vom Contact Tracing in Basel-Stadt erhobenen Daten: Innerhalb der letzten vier Wochen passierten 39 Prozent der Neuansteckungen innerhalb der Familie. 20 Prozent sind auf Kontakte in der obligatorischen Schule zurückzuführen. Auf die Arbeit als Ansteckungsort fallen neun Prozent der Fälle. Ab Mittwoch müssen im Kanton Basel-Stadt Kinder ab der fünften Primarschulklasse im ganzen Kanton wieder eine Maske tragen.

Im Kanton Schaffhausen wurden zuletzt innerhalb einer Woche 101 Übertragungen in der Familie festgestellt. Der zweithäufigste Übertragungsort im Kanton ist mit 54 ebenfalls die Schule. Bei der Arbeit, die an dritter Stelle der Rangliste fungiert, infizierten sich im Kanton Schaffhausen zwölf Personen.

Zürich tanzt aus der Reihe

In Zürich sieht die Situation an den Schulen besser aus. Mit 738 wurden kantonsweit in der vergangenen Woche am meisten Übertragungen registriert, die im eigenen Haushalt der Betroffenen passierten. Die Arbeit steht mit 379 Übertragungen in der Liste der häufigsten Ansteckungsherde an zweiter Stelle. An dritter Stelle (265) kommen Freunde oder andere Familienmitglieder. Die obligatorische Schule kommt mit 42 mit grossem Abstand erst an vierter Stelle.

Weshalb stehen die Schulen im Kanton Zürich besser da als anderswo? Jérôme Weber, Sprecher der Gesundheitsdirektion, sagt zu Blick: «Wir gehen davon aus, dass die Schutzkonzepte funktionieren.» Im Kanton Zürich gilt seit dem 4. Oktober ab Sekundarstufe II sowohl für Schüler als auch für Lehrer eine Maskentragpflicht. Davon befreit sind nur Personen, die vollständig geimpft oder genesen sind oder wöchentlich an Tests teilnehmen.

Laut der Bildungsdirektion des Kantons Zürich prüft ein speziell auf die Bedürfnisse der Schulen angepasstes Contact Tracing bei jedem positiven Fall in einer Schule, welche Massnahmen getroffen werden müssen. Ausserdem würden bereits sehr viele Schulen repetitive Tests durchführen, wie es auf Anfrage heisst. Damit würden auch asymptomatische Fälle entdeckt und Ansteckungsketten unterbrochen.

«Menschen können sich nicht erinnern»

Der Kanton Bern erfasst nach Möglichkeit alle Expositionsorte und nicht nur den wahrscheinlichsten Expositionsort, wie Gundekar Giebel, Sprecher der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion, gegenüber Blick erklärt. «Grundsätzlich sehen wir seit Beginn der Pandemie, dass der häufigste Ansteckungsort im eigenen Haushalt ist.»

Weitere auffällige Ansteckungsorte gebe es beim Sport, bei der Arbeit und in der Freizeit. «Die effektiven Ansteckungsorte sind aber sehr schwierig herauszufinden, da sich die Menschen schlicht nicht daran erinnern können, wo sie sich während einer gewissen Zeitspanne aufgehalten haben», sagt Giebel.

Eine untergeordnete Rolle bei der Verbreitung des Coronavirus spielen offenbar Restaurants, Bars und Clubs. So wurde letzte Woche im Kanton Zürich nur ein einziger Fall in einer Bar oder einem Club verzeichnet. Auf Restaurants entfielen lediglich drei Übertragungen.

Im Kanton Aargau bewegen sich die Zahlen in vergleichbarem Rahmen: Die Statistik zeigt für die Ansteckungsorte Bar/Club und Restaurant nur je drei Fälle. Auch der öffentliche Verkehr taucht in den Zahlen der Kantone nicht häufig auf, sofern er als Kategorie überhaupt erfasst wird.

Im Sommer 2020 waren Schulen kaum betroffen

Dass die meisten Übertragungen innerhalb der eigenen vier Wände passieren, zeigte sich bereits bei einer Auswertung durch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) vom August 2020. Damals entfielen 27,2 Prozent auf die eigene Familie, gefolgt vom Arbeitsplatz (8,7 Prozent) und privaten Festen (3 Prozent). Clubs machten auch damals – das war noch vor Einführung der Corona-Zertifikatspflicht – nur einen geringen Anteil von 1,9 Prozent aus. Bars und Restaurants schlugen mit 1,6 Prozent der Übertragungen zu Buche.

Das Infektionsgeschehen im schulischen Umfeld unterschied sich damals jedoch deutlich von heute, was auch damit zusammenhängen könnte, dass die Auswertung während den Sommerferien vorgenommen wurde: Das BAG stellte damals nur einen Anteil von 0,3 Prozent fest, wo die Übertragungen an Schulen stattgefunden hatten.

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