Auch die Schweiz verdiente Geld mit Sklaven
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Unsere koloniale Vergangenheit:Auch die Schweiz verdiente Geld mit Sklaven

Burckhardt, Escher, Pourtalès, Zellweger
Reich durch Unmenschlichkeit

Vier Schweizer Familien, vier Beispiele für den transatlantischen Sklavenhandel. Ihr Vermögen war unermesslich, ihre Spuren sind noch heute sichtbar.
Publiziert: 21.06.2020 um 08:24 Uhr
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Aktualisiert: 21.06.2020 um 17:15 Uhr
Valentin Rubin
Familie Pourtalès

Jacques-Louis de Pourtalès (1722–1814) gilt noch heute als König des Indienne-Handels. Bereits 1753 gründete er die Firma Pourtalès & Cie. Sie trieb in Europa und in den überseeischen Kolonien bis 1801 Handel. Die Textilbranche war ganz in seiner Hand: Zeitweise arbeiteten fast alle Indienne-Fabriken in und um Neuenburg für seine Firma. Das spülte ihm derart viel Geld in die Kassen, dass er 1770 fünf Plantagen auf Grenada in der Karibik kaufte, wo er Zuckerrohr, Kaffee, Baumwolle und Kakao anbauen und je 100 bis 200 Sklaven für sich arbeiten liess.

Im Laufe der Jahre häufte er durch seinen aussergewöhnlichen Geschäftssinn ein riesiges Vermögen an. 1799 war er der reichste Mann auf dem Gebiet der heutigen Schweiz. 1808 stiftete er der Stadt Neuenburg das Hôpital Pourtalès, das noch heute diesen Namen trägt und aus der noch immer bestehenden Stiftung von Jacques-Louis Pourtalès finanziert wird. Daneben stehen in Neuenburg noch heute einige stattliche Herrenhäuser aus seiner Zeit.

COLLECTION ABECASIS/SCIENCE PHOTO LIBRARY

Jacques-Louis de Pourtalès (1722–1814) gilt noch heute als König des Indienne-Handels. Bereits 1753 gründete er die Firma Pourtalès & Cie. Sie trieb in Europa und in den überseeischen Kolonien bis 1801 Handel. Die Textilbranche war ganz in seiner Hand: Zeitweise arbeiteten fast alle Indienne-Fabriken in und um Neuenburg für seine Firma. Das spülte ihm derart viel Geld in die Kassen, dass er 1770 fünf Plantagen auf Grenada in der Karibik kaufte, wo er Zuckerrohr, Kaffee, Baumwolle und Kakao anbauen und je 100 bis 200 Sklaven für sich arbeiten liess.

Im Laufe der Jahre häufte er durch seinen aussergewöhnlichen Geschäftssinn ein riesiges Vermögen an. 1799 war er der reichste Mann auf dem Gebiet der heutigen Schweiz. 1808 stiftete er der Stadt Neuenburg das Hôpital Pourtalès, das noch heute diesen Namen trägt und aus der noch immer bestehenden Stiftung von Jacques-Louis Pourtalès finanziert wird. Daneben stehen in Neuenburg noch heute einige stattliche Herrenhäuser aus seiner Zeit.

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Familie Burckhardt

Die Basler Patrizierfamilie Burckhardt beteiligte sich von 1783 bis 1815 aktiv am System der Sklaverei. Insbesondere Christoph Burckhardt (1766–1815) erhoffte sich vom Menschenhandel das grosse Geschäft – 1789, mit 23 Jahren, zog es ihn nach Nantes, Frankreichs damals grösstem Umschlagplatz für Sklaven. Ein Fünftel des transatlantischen Handels lief über die Stadt in der Bretagne.

Das Geschäft der Burckhardts bestand primär im Handel mit hochwertigen Indienne-Stoffen. Sie wurden in der Schweiz verarbeitet, aus französischen Häfen verschifft und in Afrika gegen Sklaven gehandelt.

Andererseits engagierte sich Christoph Burckhardt auch ganz direkt an Sklavenexpeditionen. Er gründete eine eigene Aktiengesellschaft, um mit gehandelten Menschen zu spekulieren – ein lukratives, wenn auch risikoreiches Geschäft.

21 Sklavenexpeditionen unter Beteiligung der Familie Burckhardt sind dokumentiert. Durch sie wurden über 7000 afrikanische Sklaven auf den amerikanischen Kontinent verschleppt. Mehr als 1000 von ihnen kamen bei der Überfahrt ums Leben.

Die Basler Patrizierfamilie Burckhardt beteiligte sich von 1783 bis 1815 aktiv am System der Sklaverei. Insbesondere Christoph Burckhardt (1766–1815) erhoffte sich vom Menschenhandel das grosse Geschäft – 1789, mit 23 Jahren, zog es ihn nach Nantes, Frankreichs damals grösstem Umschlagplatz für Sklaven. Ein Fünftel des transatlantischen Handels lief über die Stadt in der Bretagne.

Das Geschäft der Burckhardts bestand primär im Handel mit hochwertigen Indienne-Stoffen. Sie wurden in der Schweiz verarbeitet, aus französischen Häfen verschifft und in Afrika gegen Sklaven gehandelt.

Andererseits engagierte sich Christoph Burckhardt auch ganz direkt an Sklavenexpeditionen. Er gründete eine eigene Aktiengesellschaft, um mit gehandelten Menschen zu spekulieren – ein lukratives, wenn auch risikoreiches Geschäft.

21 Sklavenexpeditionen unter Beteiligung der Familie Burckhardt sind dokumentiert. Durch sie wurden über 7000 afrikanische Sklaven auf den amerikanischen Kontinent verschleppt. Mehr als 1000 von ihnen kamen bei der Überfahrt ums Leben.

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Familie Escher

Er gilt als Vater der modernen Schweiz: Alfred Escher (1819–1882) war die treibende Kraft hinter der Gotthardbahn-Gesellschaft, er zog die Gründung der Schweizerischen Kreditanstalt durch (heute Credit Suisse) und war massgeblich an der Gründung der ETH Zürich beteiligt.

Ausserdem gibt Alfred Escher noch wegen einer anderen Sache zu reden: Schon zu seinen Lebzeiten wurden Vorwürfe laut, sein Familienvermögen stamme aus Sklavenarbeit. Der deutsche Historiker Michael Zeuske wies nach: Eschers Onkel Friedrich besass eine Plantage auf Kuba. Fast 100 Sklaven schufteten dort jährlich für 300 Tonnen Kaffeebohnen. Nach dem Tod des Onkels 1845 ging die Plantage in den Besitz von Eschers Vater Heinrich über. Der verkaufte die Plantage. Historiker Zeuske nennt einen Erlös von 40'000 Silberpesos – heute ungefähr 1,2 bis 1,4 Millionen Franken. Heinrich Escher starb 1853, sein Erbe ging auf den Sohn über. Es ist darum sehr wahrscheinlich, dass Alfred Escher zumindest auf diese Weise direkter Nutzniesser von Sklavenarbeit war. Weitere Untersuchungen zur historischen Verantwortung der Eschers stehen noch aus.

Tatsache aber ist auch: Viele Quellen aus dieser Zeit sind verloren gegangen.

Keystone

Er gilt als Vater der modernen Schweiz: Alfred Escher (1819–1882) war die treibende Kraft hinter der Gotthardbahn-Gesellschaft, er zog die Gründung der Schweizerischen Kreditanstalt durch (heute Credit Suisse) und war massgeblich an der Gründung der ETH Zürich beteiligt.

Ausserdem gibt Alfred Escher noch wegen einer anderen Sache zu reden: Schon zu seinen Lebzeiten wurden Vorwürfe laut, sein Familienvermögen stamme aus Sklavenarbeit. Der deutsche Historiker Michael Zeuske wies nach: Eschers Onkel Friedrich besass eine Plantage auf Kuba. Fast 100 Sklaven schufteten dort jährlich für 300 Tonnen Kaffeebohnen. Nach dem Tod des Onkels 1845 ging die Plantage in den Besitz von Eschers Vater Heinrich über. Der verkaufte die Plantage. Historiker Zeuske nennt einen Erlös von 40'000 Silberpesos – heute ungefähr 1,2 bis 1,4 Millionen Franken. Heinrich Escher starb 1853, sein Erbe ging auf den Sohn über. Es ist darum sehr wahrscheinlich, dass Alfred Escher zumindest auf diese Weise direkter Nutzniesser von Sklavenarbeit war. Weitere Untersuchungen zur historischen Verantwortung der Eschers stehen noch aus.

Tatsache aber ist auch: Viele Quellen aus dieser Zeit sind verloren gegangen.

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Familie Zellweger

Imposant und mächtig säumen die Zellweger-Paläste noch heute den Dorfplatz von Trogen, einem beschaulichen Ort im Appenzellerland. Die angesehene Ostschweizer Familie prägte im 17. Jahrhundert den Leinwandhandel, später verarbeitete sie Baumwolle aus Sklavenarbeit. Einzelne Familienmitglieder profitierten dabei direkt von Investitionen in Sklavereiunternehmungen oder der Plantagenarbeit in Kuba.

Das Rückgrat des wirtschaftlichen Aufschwungs der Familie bildeten die Brüder Johannes Zellweger-Hirzel (1730–1802) und Jacob Zellweger-Wetter (1723–1808). Ihre Geschäfte sorgten für Niederlassungen in Genua, Lyon, London und Lissabon. Von dort verschifften sie ihre Waren über den Atlantik.

Mit einem Vermögen von mehreren Millionen Gulden gehörten sie zeitweise zu den wohlhabendsten Händlern der alten Eidgenossenschaft. Ihr Ansehen war so hoch, dass einige Familienmitglieder im Jahr 1804 persönlich zur Krönung Napoléon Bonapartes zum Kaiser nach Paris eingeladen wurden.

Imposant und mächtig säumen die Zellweger-Paläste noch heute den Dorfplatz von Trogen, einem beschaulichen Ort im Appenzellerland. Die angesehene Ostschweizer Familie prägte im 17. Jahrhundert den Leinwandhandel, später verarbeitete sie Baumwolle aus Sklavenarbeit. Einzelne Familienmitglieder profitierten dabei direkt von Investitionen in Sklavereiunternehmungen oder der Plantagenarbeit in Kuba.

Das Rückgrat des wirtschaftlichen Aufschwungs der Familie bildeten die Brüder Johannes Zellweger-Hirzel (1730–1802) und Jacob Zellweger-Wetter (1723–1808). Ihre Geschäfte sorgten für Niederlassungen in Genua, Lyon, London und Lissabon. Von dort verschifften sie ihre Waren über den Atlantik.

Mit einem Vermögen von mehreren Millionen Gulden gehörten sie zeitweise zu den wohlhabendsten Händlern der alten Eidgenossenschaft. Ihr Ansehen war so hoch, dass einige Familienmitglieder im Jahr 1804 persönlich zur Krönung Napoléon Bonapartes zum Kaiser nach Paris eingeladen wurden.

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