«In Betrieben ist verstärkt zu kontrollieren»
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Bund zieht Schraube an:«In Betrieben ist verstärkt zu kontrollieren»

Bund zieht Schraube bei Corona-Kontrollen an
«In Betrieben ist verstärkt zu kontrollieren»

Kantone müssen die Kontrollen der Covid-Schutzmassnahmen in den Betrieben intensivieren. So ­lautet eine Order aus Bern. Regional gibt es enorme Unterschiede.
Publiziert: 25.07.2020 um 23:31 Uhr
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Aktualisiert: 04.11.2020 um 20:37 Uhr
Sven Ziegler

Im Kampf gegen die Co­rona-Pandemie sind alle gefordert. Die Kontrolle, ob die Wirtschaft die Empfehlungen des Bundes umsetzt, obliegt der kantonalen Hoheit. Doch hier haperts offenbar gewaltig: Der Bund ist mit dem Monitoring der Kantone unzufrieden. Noch funktionieren die Kontrollen nicht so, wie sie sollten – noch immer gehen viele Betriebe zu lasch mit den vorgeschriebenen Schutzmassnahmen um. Das geht aus einer Weisung und einem Meldeformular des Bundesamts für Gesundheit (BAG) an die Kantone hervor, die SonntagsBlick vorliegen.

Wörtlich schreibt das BAG: «In Betrieben, die nicht öffentlich zugänglich sind (...), für die aber erhöhte ­Risiken vermutet werden, wie aktuell beispielsweise in der Nahrungsmittelproduktion, ist (...) verstärkt zu kontrollieren.» Heisst: Schlachthöfe, Metzgereien und weitere Lebensmittelverarbeiter erhalten in den kommenden Wochen auf Geheiss von Bundesbern vermehrt Besuch – Corona-Hotspots ­ wie in einer Schlachterei in Deutschland mit 1500 Infizierten will man unbedingt vermeiden.

Schwierig gestaltet sich die Situation gemäss Kantonsdokumenten vor allem auf den Baustellen. Basel-Stadt etwa rapportiert 167 Kontrollen, 107 mal wurden Mängel nachgewiesen. Ähnlich sieht es in anderen Kantonen aus. Bereits Mitte März kritisierte die Gewerkschaft Unia die schlecht ­umgesetzten Schutzmassnahmen. Der Co-Leiter der Sektion Bau bei der Unia, Chris Kelley, meint: «Viele Arbeiter haben sich als Bürger zweiter Klasse empfunden. Manche hatten das Gefühl, dass sie nicht wichtig sind und dass die Schutzmassnahmen bei ihnen nur mangelhaft umgesetzt wurden.»

Das BAG unter Bundesrat Alain Berset zieht die Schraube an.
Foto: keystone-sda.ch
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Termindruck führt zu Problemen

Verantwortlich für die Kontrollen auf den Baustellen ist in den meisten Kantonen die Suva. Insgesamt kon­trollierte diese rund 6200 mal auf den Baustellen in der Schweiz. In 60 Fällen wurden gravierende Mängel festgestellt und das ­kantonale Arbeitsamt informiert.

Meistens wurde ein vorübergehender Arbeitsstopp verfügt, bis die erforderlichen Massnahmen umgesetzt wurden. Suva-Sprecher Christian Winiker sagt, dass die Hy­gienemassnahmen gut umgesetzt werden, schwierig sei das Verhalten der Arbeiter: «Insbesondere die Einhaltung von Abstandsregeln ist nicht immer einfach. Unsere Kontrolleure müssen feststellen, dass die Abstände häufig nicht eingehalten werden.»

Vor allem der ständige Termindruck sei problematisch bei der Umsetzung der Massnahmen, meint der Unia-Verantwortliche Kelley: «Viele Bau­herren zeigen wenig Verständnis und wollen den Bauarbeitern terminlich nicht entgegenkommen, weil die Gebäude trotz ­aller Einschränkungen auf den ursprünglich festgelegten Termin fertiggestellt werden sollen. Das Verständnis und der Kompromiss vonseiten der Bau­herren fehlt.»

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) stellt den Kontrolleuren der Suva eine Checkliste zur Ver­fügung. Um die Kontrolle erfolgreich bestehen zu können, müssen insgesamt 13 Punkte erfüllt werden. So wird etwa die Frage ­gestellt, ob die Arbeiter auch in der Pause genügend Abstand einhalten können oder ob für jeden Arbeiter eigenes Geschirr und Besteck zur Verfügung stünde.

Grosse kantonale Unterschiede

Auch weitere Betriebe wie Lebensmittelläden oder Coiffeursalons erhalten in den kommenden Wochen erneut Besuch, hier sind die kan­tonalen Behörden zuständig. Erste Kontrollen sind bereits erfolgt. Eine von SonntagsBlick getätigte Auswertung offenbart allerdings riesige Unterschiede zwischen den einzelnen Kantonen.

Während Basel-Stadt bislang rund 1300 Be­triebe auf die Einhaltung der Corona-Massnahmen überprüfte, kontrollierte St. Gallen nur rund 650 mal. Noch extremer ist die Situation in den länd­lichen Kantonen, so hat etwa Zug in den vergangenen drei Wochen nur rund 40 Kontrollen durchgeführt – der Kanton Glarus gar keine. Die Kantone Zürich und Wallis machen keine Angaben, auch Graubünden verschweigt die Anzahl Kontrollen.

Einige Kantonsämter schreiben, es müsse erst abgeklärt werden, in welcher Form die Daten er­hoben und an das BAG weitergeleitet würden. Die Frage, wie die Kon­trollen bisher durchgeführt wurden, bleibt unbeantwortet. Das offenbart: Nicht alle Kantone nehmen die Kontrollen bislang gleich ernst, einige sind überfordert – dabei sind die Umsetzungen der Schutzkonzepte mitentscheidend im Kampf gegen eine zweite Welle.

Zudem zeigt sich: Die Kantone liegen bei den Beurteilungen weit auseinander. So kommen Thurgau und Basel-Stadt zwar auf etwa gleich viele Kontrollen, Basel-Stadt stellte allerdings mit 760 Beanstandungen fast viermal mehr Mängel fest als Thurgau mit 96 Beanstandungen.

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Ob hier mit unterschiedlichen Ellen ge­messen wird, kann nicht abschliessend geklärt werden. Die Kantone berufen sich darauf, dass nicht überall die gleichen Bestimmungen gelten würden – ein einheitliches Vorgehen fehlt offenbar, trotz klarer Bestimmungen bei den Schutzkonzepten. Allerdings müssen auch die ­demografischen Unterschiede in den Kantonen berücksichtigt werden.

Nahrungsmittelproduktion unter der Lupe

Aus den Erhebungen geht zudem hervor: Unmittelbar nach dem Ende des Lockdowns hatten die Kontrolleure alle Hände voll zu tun, die Massnahmen wurden von vielen Betrieben nur ungenügend umgesetzt. Basel-Stadt meldet seit dem 13.März 1341 Kontrollen. Davon wiesen nur etwas mehr als die Hälfte der Betriebe keine Mängel auf. 653 Betriebe hingegen mussten nachbessern.

Zwar seien die Mängel meist nur kleinerer Art wie etwa «fehlende bzw. leere Desinfektionsmittel, keine Abstandslinien am Boden etc.», dennoch scheinen viele Betriebe nicht genügend vorgesorgt zu haben. Die Nachkontrollen seien meist erfolgreich verlaufen, heisst es vonseiten der kantonalen Behörden. Nur im Kanton St. Gallen musste ein Betrieb nachweislich vorübergehend geschlossen werden. Zwar wurde mittlerweile vielerorts nachgebessert, doch noch immer zeigen sich manche Branchen fehleranfällig. So müssen gemäss den Kantonsangaben in der Coiffeur- und Barbierbranche häufiger mangelhafte Umsetzungen der Schutzkonzepte beanstandet werden als in anderen Branchen.

Einige Kantone haben auf den Rüffel aus Bern reagiert und die Kontrolleure bereits angewiesen, ab Montag verstärkt zu überprüfen. Vor allem die Betriebe der Nahrungsmittelproduktion werden genau unter die Lupe genommen – das wachsame Auge des BAG dürfte hierbei eine entscheidende Rolle gespielt haben. Der Bund wird wohl auch in Zukunft ­genauer hinschauen müssen, wenn ein weiteres Chaos verhindert werden soll.

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