Hier kostet die Karton-Entsorgung 3 Franken
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Seit November in Grenchen SO:Hier kostet die Karton-Entsorgung 3 Franken

Böse Bescherung nach Weihnachten
Jetzt kostet sogar die Karton-Entsorgung

Seit Altkarton gesammelt wird, konnte man diesen wie Altpapier und Glas gratis zurückgeben. Doch der Handelskrieg hat das Geschäftsmodell kaputtgemacht. In ersten Gemeinden müssen Schweizer nun bei der Rückgabe etwas zahlen – so auch in Grenchen SO.
Publiziert: 06.01.2020 um 00:49 Uhr
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Aktualisiert: 04.03.2021 um 12:26 Uhr
Flavio Razzino

Die Festtage sind vorbei, die Geschenke ausgepackt, der Abfall türmt sich. Der Andrang bei den Entsorgungszentren und Werkhöfen ist dieser Tage entsprechend gross. Leere Champagner- und Weinflaschen und ganz viel Altkarton und Papierreste wollen gratis entsorgt werden.

Nur: Beim Altkarton ist das nicht mehr selbstverständlich. Immer mehr Entsorgungsunternehmen verlangen neuerdings für Altkarton eine teils happige Gebühr.

So auch in Grenchen SO: Hier haben die Mitarbeiter beim Entsorgungszentrum Schlunegger deswegen unzählige Diskussionen mit Kunden. Seit 1. November müssen die Grenchner bei der Rückgabe von Altkarton eine Drei-Franken-Gebühr zahlen – bis zu einer Menge von 30 Kilo. Bei 40 Kilo sind es vier, bei 100 Kilo schon zehn Franken.

Altkarton hat keinen Wert mehr. Entsorgungsunternehmen zahlen drauf, damit sie ihn loswerden.
Foto: Keystone
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Fünf Franken pro Ablad im St. Galler Rheintal

Auch im St. Galler Rheintal erheben seit Oktober Entsorgungsunternehmen erstmals überhaupt Gebühren für Altkarton. Zum Beispiel in Altstätten SG – oder auch in Au SG. In Altstätten zahlen Verbraucher neu 50 Rappen bei Kleinmengen bis 10 Kilo. Beim Recyclingcenter in Au SG kostet der Ablad gar fünf Franken – ab der allerersten Kartonpackung.

Grund dafür, dass Karton bei der Rückgabe ins Recycling plötzlich etwas kostet, sind die globalen Handelskriege. Sie haben die Rohstoffpreise für Recyclinggüter in den Keller rasseln lassen.

China hat Importe reduziert

Thomas Bähler vom Verband Stahl, Metall und Papier-Recycling Schweiz weiss: «Ausgelöst wurde der Verfall durch die massiven Importreduzierungen von China. 2017 hatte China noch rund 29 Millionen Tonnen Altpapier und Altkarton importiert, 2019 sind es gerade mal noch zehn Millionen Tonnen.» Die Folge: Ein massives Überangebot an Altpapier in Europa und den USA.

Michael Schlunegger (23) vom Recyclingzentrum in Grenchen bekommt den Preisverfall direkt zu spüren: «Früher haben wir 40 Franken pro Tonne Altkarton erhalten – seit September müssen wir dem Abnehmer sogar etwas zahlen, damit er unseren Karton annimmt.» Man könne gar nicht anders, als diese Kosten auf den Verbraucher zu überwälzen, so Schlunegger weiter.

Zahlen der Abfallbörse Schweiz machen den Preisverfall deutlich. Im Januar 2019 erhielten Anbieter für gesammelten Altkarton noch 15 Franken pro Tonne. Im September mussten sie zum ersten Mal draufzahlen, nämlich 3.70 Franken pro Tonne. Im November waren es dann 15 Franken. Im Dezember bereits 23 Franken. Die Preise sind im freien Fall.

Bürger reagieren wütend

Bei einigen Bürgern sorgt die neue Kartongebühr trotzdem für Unmut. Kein Wunder: Dass Altkarton und Altpapier sowie Altglas und Altmetall gratis zurückgegeben werden können, ist bei den Schweizern tief verwurzelt.

Der Grenchner Bruno Borer (48) ist darum wütend. «Einerseits wurde man nicht richtig darüber informiert, dass man plötzlich für den Altkarton zahlen soll. Andererseits finde ich es wahnsinnig, dass man in jedem Fall drei Franken zahlen soll, egal wie wenig Karton man beim Entsorgungszentrum ablädt», sagt er.

Unverständlich auch, so Borer, dass die Stadt Grenchen ihre Altkartonsammlungen weiterhin gratis durchführe. Denn: «Davon profitieren nur jene, die grosse Keller haben und so ihren Karton auch über längere Zeit lagern können!»

Auf Facebook machte er seinem Ärger Luft – weit über hundert Kommentare anderer Nutzer zeigen, dass die Kartongebühr bei vielen Bürgern in Grenchen einen wunden Punkt trifft.

«Ein heikles Signal»

Wenig erfreut darüber, dass in immer mehr Gemeinden Gebühren auf Altkarton erhoben werden, ist auch Alex Bukowiecki vom Schweizerischen Verband Kommunale Infrastruktur. Grundsätzlich könne er nachvollziehen, dass neuerdings Gebühren für Altkarton erhoben werden. «Denn in der Abfallwirtschaft haben wir in der Schweiz das Verursacherprinzip: Jeder soll die Kosten tragen, die er beim Entsorgen und Recycling verursacht», so Bukowiecki.

Aber: Das Signal sei auch heikel. «Wenn ich für Karton extra bezahlen muss, ist mir das vielleicht zu mühsam, und ich gebe den eigentlich rezyklierbaren Karton aus Bequemlichkeit lieber der Sperrgutabfuhr zur Verbrennung mit», sagt Bukowiecki. Tatsächlich würde sich das gerade bei Kleinmengen finanziell noch schnell lohnen.

«So was hat die Branche noch nie erlebt»

Eine Erholung der Situation am Weltmarkt ist übrigens nicht in Sicht, sagt Thomas Bähler vom Schweizer Recycling-Verband. Im Gegenteil – es könnte noch viel schlimmer kommen. «Wir befürchten viel mehr, dass auch das Altpapier einen ähnlichen Verlauf nehmen wird. Auch weitere Sekundärrohstoffe sind sehr stark unter Druck, so etwa die Stahlschrotte wie auch Altholz», so Bähler. So eine negative Preisspirale habe die Schweizer Recyclingbranche noch gar nie erlebt.

Jede dritte Batterie landet im Müll

146,6 Kilo Altpapier und Karton sammelt ein Schweizer im Durchschnitt pro Jahr. Total fallen so laut Zahlen des Bundesamts für Umwelt (Bafu) über 1,26 Millionen Tonnen jährlich an, die in den Recycling-Kreislauf kommen. 82 Prozent des Papiers und Kartons gehen nach Gebrauch wieder ins Recycling – nur 18 Prozent landen in Kehrichtverbrennungsanlagen. Noch höher ist die Recycling-Quote beim Altglas. 94 Prozent des anfallenden Altglasmülls wird in der Schweiz rezykliert, total rund 348'000 Tonnen.

Hoch ist diese Quote auch bei PET-Getränkeflaschen (82 Prozent) und Aluminium-Verpackungen (93 Prozent). Eher schlecht ist die Bilanz laut den Zahlen des Bundesamts für Umwelt bei Batterien. Hier gelangen gerade einmal 63 Prozent der leeren Batterien zurück ins Recycling. Total fallen pro Jahr rund 6 Millionen Tonnen Abfall an – Gewerbe und Haushalte zusammengerechnet. Davon wird 52 Prozent rezykliert. Die Zahlen stammen aus dem Jahr 2018.

53 Prozent des gesamten Abfalls, der in der Schweiz im Jahr anfällt, wird rezykliert.

146,6 Kilo Altpapier und Karton sammelt ein Schweizer im Durchschnitt pro Jahr. Total fallen so laut Zahlen des Bundesamts für Umwelt (Bafu) über 1,26 Millionen Tonnen jährlich an, die in den Recycling-Kreislauf kommen. 82 Prozent des Papiers und Kartons gehen nach Gebrauch wieder ins Recycling – nur 18 Prozent landen in Kehrichtverbrennungsanlagen. Noch höher ist die Recycling-Quote beim Altglas. 94 Prozent des anfallenden Altglasmülls wird in der Schweiz rezykliert, total rund 348'000 Tonnen.

Hoch ist diese Quote auch bei PET-Getränkeflaschen (82 Prozent) und Aluminium-Verpackungen (93 Prozent). Eher schlecht ist die Bilanz laut den Zahlen des Bundesamts für Umwelt bei Batterien. Hier gelangen gerade einmal 63 Prozent der leeren Batterien zurück ins Recycling. Total fallen pro Jahr rund 6 Millionen Tonnen Abfall an – Gewerbe und Haushalte zusammengerechnet. Davon wird 52 Prozent rezykliert. Die Zahlen stammen aus dem Jahr 2018.

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