BLICKpunkt von Christian Dorer über den Postauto-Skandal und die Folgen
Die wahren Verantwortungsträger

Im Postauto-Skandal gehen die wahren Leidtragenden vergessen: Mehr als 3000 Postauto-Chauffeure. Sie verspüren die Wut der Fahrgäste.
Publiziert: 17.02.2018 um 01:01 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 18:47 Uhr
Niemand spricht über die Chauffeure
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BLICKpunkt mit Christian Dorer über den Postauto-Skandal:Niemand spricht über die Chauffeure
Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe

In dem Postauto-Skandal wurden sie bisher kaum je erwähnt: Die 3343 Postauto-Chauffeure. Jahr für Jahr bewältigen sie 117 Millionen Kilometer Strecke – und befördern dabei 150 Millionen Fahrgäste.

Bei Wind und Wetter sind sie unterwegs, wenn es – wie gerade jetzt – besonders schlimm kommt, montieren sie sogar Schneeketten. Sie arbeiten auch am Wochenende und an Ostern, während andere mit ihren Kindern Eier suchen. Und weil sie im Schichtbetrieb zu ständig wechselnden Zeiten arbeiten, müssen sie auf jegliches aktive Vereinsleben verzichten.

Mal beginnen sie um vier Uhr früh, mal fahren sie bis Mitternacht. Am Wochenende bringen sie mit dem Nachtbus Betrunkene nach Hause; übergibt sich einer, reinigen sie im Anschluss noch ihr Fahrzeug.

Postauto-Chauffeure müssen auch mit unfreundlichen Fahrgästen freundlich umgehen. Sie helfen beim Einladen von Kinderwagen, beim Wuchten schweren Gepäcks, sie helfen kleinen Kindern, Betagten und Behinderten. Sie verkaufen Billette – und wenn sie sich beim Retourgeld verrechnen, geht der Verlust natürlich auf ihr eigenes Konto.

Postauto-Chauffeure müssen zuverlässig sein: Wenn sie verschlafen, bleiben Dutzende von Fahrgästen im Regen stehen, kommen zu spät zur Arbeit oder verpassen ihre Ferienflieger.

Die Männer und Frauen am Volant sind von hohem Stolz auf ihren Beruf und die damit verbundene Verantwortung. Sie sind vertrauenswürdig. Sie sind zuverlässig. Sie sind ehrlich.

Was für ein Kontrast zu den Betrügern in der Post-Zentrale!

Mit illegalen Buchungen betrogen sie die Schweizer Steuerzahler um Millionen von Franken. Mindestens 87 Millionen, um genau zu sein. Verwaltungsrat und Geschäftsleitung wussten seit 2013 von unerlaubten Vorgängen – und unternahmen nichts!

Post-Verwaltungsratspräsident Urs Schwaller versprach am Donnerstag lückenlose Aufklärung. Es war das Mindeste, was er tun musste. Bis alle Verantwortlichen benannt sind, werden sämtliche Boni der Geschäftsleitung von Postauto und der Post-Konzernchefin zurückbehalten – im Fall Susanne Ruoffs rund 300'000 Franken.

Die Post-Verantwortlichen kassieren stolze Löhne, weil sie grosse Verantwortung tragen. Handeln sie verantwortungslos, verlieren sie im schlimmsten Fall den Bonus oder gar ihre Stelle.

Noch grössere Verantwortung aber tragen die Postauto-Chauffeure. Dabei arbeiten sie zu einem Lohn, bei dem es nicht immer gelingt, dass er bis Ende Monat reicht. Machen sie einen Fehler, sind im schlimmsten Fall 50 Passagiere tot.

Die Chauffeure sind die wahren Verantwortungsträger. Ausgerechnet sie müssen sich jetzt Beschimpfungen der Fahrgäste und dumme Sprüche anhören.

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