Blatter und Co. griffen schamloser zu als Manager von Privatfirmen
Sepp, der König der Abzocker

80 Millionen Franken sahnte die Fifa-Führung ab. Doch sensationell ist vor allem ihr dreistes Vorgehen.
Publiziert: 05.06.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 23:01 Uhr
Guido Schätti

Gegen 40 Millionen Franken steckte Sepp Blatter (80) von 2011 bis 2015 als Präsident ein, ähnlich hohe Beträge teilten sich Ex-Generalsekretär Jérôme Valcke (55) und Ex-Finanzchef Markus Kattner (45): Die Fifa-Spitze unternahm alles, um die Regeln guter Unternehmensführung zu unterlaufen.

Blatter und Co. steckten willkürlich Boni ein, schrieben Verträge um und sicherten sich durch mil­lionenschwere Abgangsentschädigungen ab. Dies zeigen letzten Freitag publizierte Dokumente der US-Anwaltskanzlei Quinn Emanuel.

Das Trio betrachtete die Fifa als Selbstbedienungsladen. Die eigenen Taschen zu füllen und die eigene Macht zu sichern, scheint das wichtigste Ziel zu sein, das Blatter und seine Getreuen verfolgten.

DARF NICHT MEHR VERWENDET WERDEN Sepp Blatter, hier 2008 in einer ghanaischen Häuptlingsrobe, funktionierte die Fifa zum Selbstbedienungsladen um.
Foto: REUTERS
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Inspiration für ihr Tun fanden sie in der Privatwirtschaft. Dort wurde in den letzten 15 Jahren eine ganze Reihe von Lohnskandalen ruchbar. Ungekrönter König der Abzocker bei Schweizer Unternehmen ist der einstige ABB-Lenker Percy Barnevik (75). 2001 hatte er sich 148 Millionen Franken in seine Pensionskasse einschiessen lassen, sein Adlat Göran Lindahl (71) erhielt 85 Millionen.

ABB selber machte den Fall kurz darauf publik. Die Schweiz hatte ihren ersten Abzockerskandal. Die beiden Schweden krochen zu Kreuze. Barnevik zahlte 90, Lindahl 47 Millionen zurück.

Ihren Ruf hatten sie gleichwohl ruiniert, die Firma ebenso: Barneviks wahnwitzige Expan­sionspolitik brachte ABB an den Rand des Konkurses.

Zum legitimen Nachfolger Barneviks avancierte Jahre später Novartis-Lenker Daniel Vasella (62). Zu seinen besten Zeiten trug er beim Basler Pharmakonzern jährlich 45 Millionen Franken nach Hause. Bei seinem Abgang vor drei Jahren kam er auf die gloriose Idee, 78 Millionen Franken dafür zu verlangen, dass er bis zur Pension nicht mehr arbeitet und Novartis beratend beisteht. Als die Sache aufflog, gab auch Vasella klein bei, verzichtete auf den goldenen Fallschirm und verzog sich schmollend in die USA.

Einen Teil seiner Bezüge zurückzahlen musste auch Marcel Ospel (66). Der langjährige UBS-Chef strich 2006 ein Salär von 26,6 Millionen Franken ein, nur zwei Jahre darauf schlitterte die UBS in eine existenzielle Krise. Die Finanzmarktaufsicht (Finma) verlangte die Entfernung Ospels von seinen Funktionen und pochte auf die Rückzahlung der Boni. Ospel und seine beiden Vizepräsidenten zahlten 33 Mil­lionen zurück, 23 Millionen sollen von Ospel selbst stammen.

Den Jackpot behalten durfte Ex-Credit-Suisse-Chef Brady Dougan (56). 2010 spülte ihm ein Bonusprogramm 71 Millionen Franken in die Kasse. Der Amerikaner galt fortan als Paradeabzocker unter den Schweizer CEOs. Zu seiner Ehrenrettung ist zu sagen: Dougan manövrierte die CS ohne Staatshilfe durch die Finanzkrise, und seit er weg ist, geht es bei der Bank nur noch nach unten.

Sogar amtlich bestätigt wurde die Abzockerei bei Thomas Limberger (48). Als Chef des mittelgrossen Industriekonzerns OC Oerlikon garnierte er 2007 Bargeld, Aktien und Optionen im Wert von 26 Millionen. Als die öffentliche Entrüstung explodierte, beschied er sich mit 5,1 Millionen. Der Schaffhauser Mundwasserfabrikant Thomas Minder (55) schalt ihn ungerührt «Abzocker», worauf ihn Limberger verklagte. Das Gericht stellte sich auf Minders Seite.

In einer tieferen Liga, aber nach einem besonders ausgeklügelten Drehbuch  spielte der Abzockerskandal bei der Krankenkasse KPT. Präsident Walter Bosch (72) wollte die Fusion mit der Sanitas dazu nutzen, 50 Millionen für sich und seine Getreuen abzuzweigen. Insgesamt hätten 400 KPT-Leute profitieren sollen. Der Plan platzte erst, als SonntagsBlick darüber berichtete. Bosch und ein KPT-Manager wurden rechtskräftig verurteilt.

Dasselbe Schicksal droht nun Blatter. Die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung. Die Fifa überlegt sich, auch gegen Klattner Straf­anzeige zu erstatten. Moralisch sind beide bereits erledigt. Denn bei allen Parallelen zur Privatwirtschaft: Dort müssen sich Manager gegen scharfe Konkurrenz im Markt behaupten und vor einem Verwaltungsrat geradestehen. Die Fifa hingegen hat ein weltweites Fussballmonopol. Blatter und Co. hätten ihre Einnahmen treuhänderisch verwalten sollen, stattdessen bereicherten sie sich selber.

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