Weniger Airbnb, kein Uber, kein oBike – Bern gegen das Internet
Die altmodischste Hauptstadt der Welt

Kein Uber, kein oBike, weniger Airbnb. Die Schweiz wundert sich mal wieder über ihre Hauptstadt. Der Stapi fühlt sich falsch verstanden.
Publiziert: 28.05.2018 um 16:35 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 17:55 Uhr
Moritz Kaufmann

Es gibt nur drei Hauptstädte auf der Welt, wo sich kein Airbnb-Zimmer buchen lässt: Teheran im Iran, Damaskus in Syrien und Pjöngjang in Nordkorea. Gesellt sich Bern bald dazu? So schlimm ist es dann auch wieder nicht. Doch vergangene Woche wurde bekannt, dass die Bundesstadt den amerikanischen Kurzaufenthalts-Vermittler stärker an die Kandare nimmt. In der Altstadt darf man bald nur noch zwei Mal pro Jahr seine Wohnung vermieten. Die Angst der Berner: Dass bald nur noch Urlauber über den mittelalterlichen Lauben wohnen. Und ihre fast schon kitschig schöne Altstadt zum Touristen-Ghetto wird.

Bern ist die erste Stadt der Schweiz, die diesen Weg geht. Die Reaktion im Land: «Wieder mal typisch!» Überreguliert, mutlos, innovationsfeindlich. Und tatsächlich: Andere grosse Tech-Dienstleister meiden die Bundesstadt gleich ganz. Eine Auswertung von SonntagsBlick zeigt: Die Schweiz ist das einzige Uber-Land in Europa, in dem der Taxidienst die Hauptstadt links liegen lässt. OBike, der letztes Jahr die Schweiz mit seinen gelben Göppeln überschwemmte, traute sich ebenfalls nie hierhin.

Kein Verständnis im Ausland

«Bern ist zwar die Hauptstadt, aber es ist eigentlich eine Kleinstadt», sagt Beny Ruhstaller (58), Präsident der Schweizerischen Vereinigung für Standortmanagement (SVSM). «Als Schweizer hat man ein gewisses Verständnis für Bern, weil man die Stadt und die Mentalität kennt. Aber im Ausland versteht niemand, warum eine Hauptstadt kein Airbnb oder Uber will.» Lange habe Bern von seinem Jöö-Effekt gelebt, so Ruhstaller. Das werde immer schwieriger: «Mit Firmen wie Airbnb stösst die Berner Bewahrer-Mentalität an seine Grenze.»

In der sagenhaft schönen Berner Altstadt wird Airbnb reguliert.
Foto: LUKAS LEHMANN
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Touristiker weisen darauf hin, dass die Furcht vor Airbnb übertrieben sei. «In ausländischen Grossstädten ist um Airbnb eine Kontroverse entstanden, weil Wohnraum verloren geht», sagt Marcel Perren (50), Tourismus-Direktor von Luzern. Man müsse aber sehen: «In diesen Ländern ist die Lohnsitua­tion ganz anders. In Barcelona kann man mit der Vermietung der eigenen Wohnung im Verhältnis viel mehr verdienen als in der Schweiz.» In Luzern generierte Airbnb im letzten Jahr denn auch nur rund 9000 Logiernächte, von insgesamt 1,5 Millionen.

«Hinterwäldler-Image soll schwinden»

Auch in der Stadt Bern ist die Lage nicht dramatisch, räumt Stadtpräsident Alec von Graffenried (55) ein. «Anlass war ein Haus, das vollständig für Airbnb umgenutzt wurde. Das begann Nachbarn und andere Kreise zu stören», so der Stapi zu SonntagsBlick, «das Parlament hat uns den Auftrag gegeben, das hotelmässige Vermieten von Wohnungen in der Altstadt zu unterbinden. Das haben wir gemacht.»

Von Graffenried – er war bis letztes Jahr noch Präsident von Bern Tourismus – nervt das Hinterwäldler-Image, das man Bern jetzt wieder überstreifen will. «Es stört mich, dass nun dieser Eindruck entstanden ist. Ich finde diese Angebote spannend und nutze sie selber auch.»

OBike sei in Bern willkommen! «Wir wollen eine Velo-Stadt sein», so der Grünen-Stapi, um sofort hinzuzufügen, «aber trotzdem kein Velo-Chaos. Deshalb: Voraussetzung ist in jedem Fall ein Gesuch.» Auch dem Fahrdienst Uber stünden die Tore zu Bern offen, falls man sich an die Spielregeln halte. «Die Taxi-Regulierung ist im Übrigen kantonal, nicht von der Stadt», so von Graffenried. Ohne diese jedoch zu hinterfragen.

Vom Charakter her war Bern eben schon immer mehr Beamten- statt Hauptstadt. Anders als in anderen Ländern ist man nicht das Zugpferd einer Nation, sondern zuständig fürs Regulieren und Kon­trollieren ebendieser Regulationen. Diese Aufgabe nimmt Bern mit aller Ernsthaftigkeit wahr. Dem Markt mal eine Chance geben und schauen, was passiert? Nicht in dieser prächtigen alten Stadt.

Ein Weg für die Tschäppäts

Vor drei Wochen erlag Alexander Tschäppät (†66, Bild l.) einem Krebsleiden. Womöglich erinnert in Bern bald ein Strassenname an den populären ehemaligen Stapi: In der Umgebung der Post­Finance-Arena des SCB und des Stade de Suisse der Young Boys könnte bald der «Tschäppät-Weg» verlaufen. SonntagsBlick weiss: Die Idee wurde bereits im Gemeinderat diskutiert. Der Plan ist, das Andenken an Vater und Sohn Tschäppät zu verbinden. Und ein passenderer Ort dafür ist schwer vorstellbar: Es war Reynold Tschäppät (1917–1979, Bild r.), Stadtpräsident von 1966 bis 1979, der die Überdachung des Eisstadions in die Wege leitete und 1971 die Hockey-WM nach Bern holte. Die Sportbegeisterung von Alexander Tschäp­pät wiederum war über die Stadtgrenzen hinaus legendär. Der «Tschäppät-Weg» wäre Vater und Sohn gewidmet – den vielleicht grössten Fans, die Bern je hatte. (kaz / mas)

Vor drei Wochen erlag Alexander Tschäppät (†66, Bild l.) einem Krebsleiden. Womöglich erinnert in Bern bald ein Strassenname an den populären ehemaligen Stapi: In der Umgebung der Post­Finance-Arena des SCB und des Stade de Suisse der Young Boys könnte bald der «Tschäppät-Weg» verlaufen. SonntagsBlick weiss: Die Idee wurde bereits im Gemeinderat diskutiert. Der Plan ist, das Andenken an Vater und Sohn Tschäppät zu verbinden. Und ein passenderer Ort dafür ist schwer vorstellbar: Es war Reynold Tschäppät (1917–1979, Bild r.), Stadtpräsident von 1966 bis 1979, der die Überdachung des Eisstadions in die Wege leitete und 1971 die Hockey-WM nach Bern holte. Die Sportbegeisterung von Alexander Tschäp­pät wiederum war über die Stadtgrenzen hinaus legendär. Der «Tschäppät-Weg» wäre Vater und Sohn gewidmet – den vielleicht grössten Fans, die Bern je hatte. (kaz / mas)

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