Was passiert in der Schweiz mit Findelkindern?
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Expertin erklärt:Was passiert in der Schweiz mit Findelkindern?

Wie will die Deutsche das vor Gericht erklären?
Marion W. (44) setzte ihr Baby auf dem Werkhof aus

Herzlos oder einfach unfassbar verzweifelt? Über die Beweggründe, weshalb Marion W.* (44) im Januar 2020 ihr Baby auf dem Werkhof in Därstetten BE ausgesetzt hatte, wurde viel spekuliert – am Dienstag wird nun wohl endlich die traurige Wahrheit ans Licht kommen.
Publiziert: 20.06.2022 um 00:53 Uhr
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Aktualisiert: 20.06.2022 um 13:33 Uhr
Luisa Ita

Dem Tod nur knapp entronnen: Es grenzt an ein Wunder, dass das ausgesetzte Baby die eisige Nacht auf den 4. Januar 2020 in Därstetten BE auf dem Werkhof überlebt hat. Dort wurde es mutmasslich direkt nach der Geburt von seiner Mutter Marion W.* (44) ausgesetzt. Nun muss sich die Deutsche ab Dienstag vor dem Regionalgericht Oberland in Thun BE wegen versuchter Kindstötung sowie diverser Drogendelikte verantworten. Eine unfassbare Geschichte, wofür bislang die Erklärungen fehlen.

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Rechtsanwalt Daniel Schütz (38) verteidigt die Deutsche, die unterdessen im Ausland lebt. Er sagt zu Blick: «Sie hat direkt zu Beginn ein Geständnis abgelegt und bereut ihre Tat.» Sie sei zum damaligen Zeitpunkt in einer sehr schwierigen Situation gewesen. Das Kind lebe aktuell nicht bei seiner Mutter, sondern in einer Pflegefamilie – ob die Beschuldigte damit einverstanden ist, liess Schütz offen. Auch auf die «schwierige Situation» wollte er nicht weiter eingehen.

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Heimlich schwanger

Klar ist: Dass Marion W. schwanger war, war ein Geheimnis. Blick sprach nämlich kurz nach der Tragödie mit ihren Freunden im Dorf. Ein Kollege aus Zweisimmen BE erinnerte sich damals: «Ich habe sie vor zwei Wochen noch im Restaurant Pöstli getroffen. Von der Schwangerschaft habe ich weder etwas bemerkt, noch hat sie je davon gesprochen.»

Marion W. (44) hat laut ihrem Anwalt zugegeben, ihr Baby im Januar 2020 auf dem Werkhof in Därstetten BE ausgesetzt zu haben.
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Die damals 41-Jährige habe weite Pullis getragen und so vermutlich den Babybauch kaschiert: «Das wurde mir erst im Nachhinein klar.» Zu gerne hätten die Freunde der Schwangeren geholfen und sie mit ihrem Nachwuchs unterstützt. Warum sie nichts erzählt hatte, konnten sie sich zumindest im Januar 2020 noch nicht erklären.

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Mit Drogen gedealt

Marion W. hatte gemäss Blick-Recherchen keine rosige Kindheit: Die Deutsche wuchs in einem Heim auf. In Deutschland soll sie mehrere Kinder haben, die ihr allesamt weggenommen worden seien, wie zwei unabhängige Quellen bestätigten. Aus ihrem Freundeskreis hiess es, dass W. regelmässig Marihuana konsumiert – und es manchmal auch weiterverkauft habe.

Ihre Heimat habe sie der Liebe wegen verlassen: Ihr Lebenspartner Klaus K.*, ebenfalls ein Deutscher, arbeitete damals in Gstaad BE temporär auf dem Bau. Die Beschuldigte selbst soll nach ihrem Umzug in die Schweiz in einem Spital gejobbt haben. Im privaten Umfeld habe sie sogar angegeben, sie würde als Köchin arbeiten. Zuletzt sei das Paar jedoch arbeitslos gewesen.

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«Es tut mir im Herzen weh, was passiert ist»

Nach der Tat kamen die beiden Deutschen für kurze Zeit in U-Haft. Ob der Lebenspartner von Marion W. wirklich der Vater ist, ist bislang unklar. Er selbst bestritt dies bei einem Telefonat mit Blick Anfang Februar 2020 aber nicht und meinte zudem, das Paar wolle das Baby natürlich zurückhaben. Auch er gab sich damals reuig: «Es tut mir im Herzen weh, was passiert ist.»

Nun leben die beiden ohne das ausgesetzte Kind in Österreich, da Klaus K. dort einen Job gefunden habe. Laut Anwalt Daniel Schütz sind die beiden immer noch ein Paar. Während sich die Kindsmutter nun vor der Justiz verantworten muss, ist ihr Lebenspartner nicht angeklagt. Das Urteil im Fall Därstetten fällt voraussichtlich am Donnerstag. Es gilt die Unschuldsvermutung.

* Namen geändert

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