Daniel P. (51) wurde von seiner Familie 35 Jahre lang angelogen
«Alle ausser mir wussten, dass ich ein Kuckuckskind bin»

Er dachte 35 Jahre lang, dass er seinen leiblichen Vater kennt – doch dann tönte seine Grossmutter an, dass dieser Mann nicht sein Vater ist. Aufwändige Ermittlungen führten Daniel P. (51) schliesslich zu seinem leiblichen Vater. Doch viele Fragen bleiben offen.
Publiziert: 25.05.2023 um 11:05 Uhr
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Aktualisiert: 25.05.2023 um 13:37 Uhr
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Luisa ItaRedaktorin «Food»

Kaum Babyfotos, keine Geburtsurkunde und keine Erinnerungsstücke an die Taufe – doch mittlerweile weiss Daniel P.* (51) aus dem Kanton Bern, weshalb er kaum Andenken an seine Kindheit hat: Er ist ein Kuckuckskind!

Anders als beim «klassischen» Kuckuckskind wusste sein angeblicher Vater davon, dass er nicht der leibliche ist. «Alle ausser mir, meiner Frau und meinen Kindern wussten Bescheid», so P. zu Blick – eine Tatsache, die ihn besonders hart trifft. «Erst als ich 35 Jahre alt war, habe ich herausgefunden, dass mein Vater gar nicht mein Vater – sondern mein Stiefvater ist», erzählt er. «Aber schon früh habe ich bemerkt, dass das Verhältnis von mir zu meiner Familie irgendwie anders ist.»

«Ich dachte, er sei mein Vater»

Seine Mutter sei mit 17 Jahren mit ihm schwanger geworden, so P. weiter: «Sie war an der Grenchner Fasnacht und hat dort einen Mann kennengelernt – ein klassischer One-Night-Stand.» In den ersten Jahren habe er bei seiner Grossmutter gelebt, seine Mutter kaum gesehen: «Als ich sechs Jahre alt war, bin ich zu meinen vermeintlich leiblichen Eltern gezogen.»

Nur durch seine Berufserfahrung als Polizist habe Daniel P. seinen leiblichen Vater gefunden.
Foto: zvg
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Unterdessen hatte seine Mutter nämlich einen Mann kennengelernt, den Stiefvater von Daniel P.: «Doch ich dachte, es sei mein Vater.» Als er 19 Jahre alt gewesen sei, sei er daheim ausgezogen: «Ich kann nicht genau sagen, warum – aber irgendwie habe ich mich nie so richtig geliebt gefühlt, obwohl ich behütet aufgewachsen bin.»

Ermittelt – wie bei der Polizei

Erst als der gelernte Forstwart 35 Jahre alt ist, tönt seine Grossmutter in einem Gespräch an, dass der Gatte seiner Mutter nicht sein Vater ist. «Dann begann ich, nachzuforschen», so P., der mittlerweile bei der Polizei arbeitet. «Das war gar nicht so leicht. Ich bin diverse Male in Sackgassen gerannt und musste neue Ansätze finden. Jemand, der nicht als Polizist arbeitet, wäre wohl an den Ermittlungen gescheitert.»

Das ist ein Kuckuckskind

Als Kuckuckskinder werden Kinder bezeichnet, deren Papi nicht der biologische Vater ist. Die Mutter hat das Kind also mit einem anderen Mann gezeugt. Dabei lässt die Frau den Mann und meist auch das gesamte soziale Umfeld im Glauben, dass das Kind vom eigenen Mann ist.

Der Ausdruck ist abgeleitet vom Kuckucksvogel. Dieser legt seine Eier in fremde Nester und überlässt es anderen Vögeln, sein Kleines aufziehen. Das Kuckucksvogel-Baby gilt als anspruchsvolles Einzelkind – es entfernt sogar die Eier oder die Jungvögel seiner neuen Eltern aus dem Nest.

Umgangssprachlich wird der Ausdruck Kuckuckskind als Kritik gegenüber der Mutter genutzt, die einem Mann das Kind eines anderen unterschiebt. Betroffene Kinder können die Beschreibung als verletzend empfinden.

Kuckuck in fremdem Nest.
Wikimedia/vladlen666

Als Kuckuckskinder werden Kinder bezeichnet, deren Papi nicht der biologische Vater ist. Die Mutter hat das Kind also mit einem anderen Mann gezeugt. Dabei lässt die Frau den Mann und meist auch das gesamte soziale Umfeld im Glauben, dass das Kind vom eigenen Mann ist.

Der Ausdruck ist abgeleitet vom Kuckucksvogel. Dieser legt seine Eier in fremde Nester und überlässt es anderen Vögeln, sein Kleines aufziehen. Das Kuckucksvogel-Baby gilt als anspruchsvolles Einzelkind – es entfernt sogar die Eier oder die Jungvögel seiner neuen Eltern aus dem Nest.

Umgangssprachlich wird der Ausdruck Kuckuckskind als Kritik gegenüber der Mutter genutzt, die einem Mann das Kind eines anderen unterschiebt. Betroffene Kinder können die Beschreibung als verletzend empfinden.

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Die Suche nach seinem leiblichen Vater war schliesslich erfolgreich: «Ich habe ihn in Interlaken ausfindig machen können, wo er eine Brockenstube führte.» Dort sei er auf ihn zugegangen und habe ihm ein altes Foto seiner Mutter gezeigt. «Ich habe ihn gefragt, ob er sie kennt – dann gab er zu, dass er mein Vater ist», so der Berner, der unterdessen selber zwei Kinder hatte. «Er wusste bereits, dass ich existiere. Und dass er Grossvater ist, hat ihn auch nicht gross interessiert.»

«Plötzlich waren meine Schwestern nur noch Halbschwestern»

Einerseits habe er sich über den «Ermittlungserfolg» gefreut und sei stolz gewesen, das Kartenhaus aus Lügen zu Fall gebracht zu haben. «Andererseits war ich unglaublich wütend, enttäuscht und traurig», so das Kuckuckskind weiter. «Auf einmal hatte ich eine andere Identität und meine Schwestern waren plötzlich nur noch meine Halbschwestern.»

Ausserdem habe er mehrere Halbbrüder dazu bekommen, den einen habe er zufällig bereits gekannt: «Mein Halbbruder hat im selben Forstbetrieb gelernt wie ich. Zwei Jahre lang haben wir zusammen gearbeitet, ohne zu wissen, dass wir Brüder sind.»

Wütend und enttäuscht

Auch jetzt – 15 Jahre später – weiss Daniel P. noch nicht so recht, was er von der ganzen Geschichte halten soll. «Ich verstehe nicht, weswegen mir niemand gesagt hat, dass mein Stiefvater nicht mein Erzeuger ist.»

Mittlerweile sind sowohl sein leiblicher Vater als auch sein Stiefvater verstorben. Seine Grossmutter ist ebenfalls tot. «Meine Mutter lebt noch, aber das Verhältnis ist zerrüttet», sagt P. «Ich hätte noch so viele Fragen an sie, aber sie ist nicht bereit, mir diese zu beantworten.»

Seine Vergangenheit habe ihn sehr geprägt: «Ich tue alles, um meinen Kindern ein guter Vater zu sein, und gebe ihnen die Liebe, nach der ich mich selbst gesehnt hatte.»

* Name bekannt

«Meine Mutter hat zuerst alles abgestritten»
2:20
Kuckuckskind Künzle:«Meine Mutter hat zuerst alles abgestritten»
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