Für den Israelitischen Gemeindebund «inakzeptabel»
Therwiler SVP-Schulrat wettert mit Judenvergleich gegen Zertifikatspflicht

Mit einem von einem Hakenkreuz gezierten Gesundheitspass für Juden wettert der Daniel Scheidegger, SVP-Schulrat in Therwil BL, gegen die Zertifikatspflicht in Beizen. Der Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund findet das «inakzeptabel».
Publiziert: 11.09.2021 um 10:40 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2021 um 11:08 Uhr
Céline Trachsel

Der Gesundheitspass aus dem dritten Reich wird geziert von einem dicken, schwarzen Hakenkreuz. Mit dem Bild wettert Daniel Scheidegger, SVP-Schulrat und SVP-Präsident in Therwil BL, gegen die Zertifikatspflicht in Beizen. «Haben wir den aus den dunklen Zeiten nichts gelernt? Damals waren es die Sozialisten und heute zieht wieder ein Sozialist die Fäden!», schreibt er dazu.

Blick fragt: Was wollte der SVP-Mann mit dem Post genau sagen? «Ich will die Nazi-Zeit nicht mit der heutigen Zeit vergleichen, aber es gab halt schon damals diesen Gesundheitspass. Und heute gibt es die Zertifikatspflicht. Diese hat für mich einen faden Beigeschmack.»

Der Post sei ein Denkanstoss, so der selbständige Gastro-Unternehmer. «Die Zertifikatspflicht ist durch die Hintertür eigentlich ein Impf-Obligatorium, vor allem, wenn der Test kostenpflichtig wird. Es führt zur Bildung einer Zweiklassen-Gesellschaft. Entweder du impfst dich, oder du wirst ausgeschlossen.» Er selber sei nicht geimpft. «Wieso sollte ich das tun? Ich arbeite seit Jahren in der Gastronomie und war immer gesund. Ich habe mich auch nie gegen die Grippe geimpft, sondern einfach geschaut, dass ich gesund bleibe.»

Mit einem von einem Hakenkreuz gezierten Gesundheitspass für Juden wettert der Daniel Scheidegger (45), SVP-Schulrat in Therwil BL, gegen die Zertifikatspflicht in Beizen.
Foto: Zvg
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«Wir werden gespalten!»

Mit dem Post wolle er die Leiden der Juden nicht herunterspielen, so Scheidegger. «Wir hatten diese dunklen Zeiten, das leugnet niemand – aber offenbar haben wir nichts daraus gelernt.» Er wolle keinen direkten Quervergleich ziehen. Scheidegger: «Es ist nur so, dass wir bis vor kurzem ein gesellschaftliches Zusammenleben hatten, das funktionierte. Aber jetzt werden wir gespalten: Entweder man ist für oder gegen die Impfung. Das ist fast schon eine Gehirnwäsche!»

Dass er mit seinen Worten die SP direkt mit der NSDAP vergleicht, spielt Scheidegger herunter. Aber er gibt zu: «Das war ein wenig provokativ.» Der eine Bundesrat sei halt nun mal von der SP und «auch der kleine Österreicher nannte sich Sozialist!».

«Ziemlich übler Vergleich»

Jonathan Kreutner (42), Generalsekretär Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (SIG), sagt zu Blick: «Ich kenne den Fall und habe mir den Post selber angesehen. Da muss man nicht viel dazu sagen, das ist ein ziemlich übler Vergleich.» Der SIG müsse in letzter Zeit ständig sagen, dass man solche Vergleiche unterlassen und die Zeit des Nationalsozialismus nicht bagatellisieren soll.

Kreutner: «Jeder mit gesundem Menschenverstand sieht die Hirnrissigkeit dieses Vergleichs. Hier wird zudem eine Bundesratspartei mit der NSDAP verglichen, das geht gar nicht.» Die Tendenz, sich in der Corona-Zeit an nationalsozialistischen Vergleichen zu bedienen, sei Teil dieser hitzigen Debatte geworden. «Aber das gehört einfach nicht zusammen. Wir mahnen immer und immer wieder, das zu unterlassen. Man kann sich politisch wehren, auch ohne solche Vergleiche. Als Politiker so etwas zu posten, ist einfach inakzeptabel.»

«Das verletzt Gefühle»

Strafbar sei Scheideggers Post wohl nicht. «Wir mahnen einfach, dies zu unterlassen. Mehr können wir momentan nicht tun», sagt Kreutner. «Mit Herrn Scheidegger suchen wir vielleicht noch das Gespräch. Denn die heutige Zeit mit der Herrschaft der Nationalsozialisten zu vergleichen, vermindert einfach die damalige Schreckensherrschaft und verletzt Gefühle.»

Scheidegger dazu: «Ich will nichts bagatellisieren, es war eine schlimme Zeit und sowas wollen wir sicher nicht mehr!» Überdies stehe er politisch ohnehin eher in der Mitte und keineswegs in der braunen Ecke. Er wolle einfach nicht, dass die Gesellschaft gespalten werde und Leute ohne Impfung vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden.

Dann fügt er noch an: «Zudem gibt es keine Zertifikatspflicht für unsere Parlamentarier im Bundeshaus – aber für die Gesellschaft schon. Dies alleine zeugt doch von einer Entwicklung der Zweitklassen-Gesellschaft.»

Kurz nach dem Telefonat mit Blick war Scheideggers Post gelöscht.

Gesundheitspass diente der Wehrmacht, Hitler-Jugend besser einzuteilen

Der «Gesundheitspass» war eine ärztliche Akte, die über die Jugendlichen des Dritten Reiches angelegt wurde. Er hiess bis 1942 «Tauglichkeitsausweis» und sollte der Wehrmacht dazu dienen, die jungen Männer bei der Eintrittsmusterung besser beurteilen zu können, damit die Wehrmacht sie entsprechen einteilen konnte. Der Gesundheitspass enthielt einen Auszug der ärztlichen Untersuchungsergebnisse vom 10. bis zum 18. Lebensjahr und damit einen Querschnitt über die gesundheitliche Entwicklung der Hitler-Jugend. (ct)

Der «Gesundheitspass» war eine ärztliche Akte, die über die Jugendlichen des Dritten Reiches angelegt wurde. Er hiess bis 1942 «Tauglichkeitsausweis» und sollte der Wehrmacht dazu dienen, die jungen Männer bei der Eintrittsmusterung besser beurteilen zu können, damit die Wehrmacht sie entsprechen einteilen konnte. Der Gesundheitspass enthielt einen Auszug der ärztlichen Untersuchungsergebnisse vom 10. bis zum 18. Lebensjahr und damit einen Querschnitt über die gesundheitliche Entwicklung der Hitler-Jugend. (ct)

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