Autorin Zoë Jenny setzt sich mit ihrer kleinen Tochter Naomi (5) ins Ausland ab
Flucht vor der Kesb!

Eltern setzen sich mit ihren Kindern ins Ausland ab – auch Autorin Zoë Jenny hat wegen der umstrittenen Behörde die Schweiz verlassen.
Publiziert: 08.03.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 22:22 Uhr
Von Katia Murmann (Text) und Regina Hügli (Fotos)

Mit grossen Erwartungen kam Zoë Jenny (40) 2011 in die Schweiz zurück. In der Heimat wollte die Bestsellerautorin («Das Blütenstaubzimmer») mit ihrer kleinen Tochter Naomi (5) glücklich werden. Sie kaufte ein Haus im Kanton Schwyz, «in einer Familiengegend, mit vielen Spielplätzen». Doch glücklich wurden Mutter und Tochter dort nicht. Vor fünf Monaten haben sie die Koffer gepackt, das Haus verkauft. Jetzt leben sie in Wien, «im Exil», wie Jenny sagt.

SonntagsBlick: Frau Jenny, warum haben Sie die Schweiz verlassen?
Zoë Jenny:
Ich habe die Kindes-und Erwachsenenschutzbehörden öffentlich kritisiert und auf Missstände hingewiesen. Kurz nach meinem Auftritt in der TV-«Arena» erhielt ich einen Brief von der Kesb Ausserschwyz, dass man mir einen Erziehungsbeistand zur Seite stellen wolle. Als ob ich, weil ich mich gewehrt habe, eine schlechte Mutter wäre und nicht für meine Tochter sorgen könnte! Das hat das Fass zum Überlaufen gebracht und gezeigt, wie diese Behörde Kritiker konsequent einschüchtert. Ich lasse mich aber weder terrorisieren noch mundtot machen.

Sie hatten Angst, dass man Ihnen Ihre Tochter wegnimmt?
Die Obhut ist schnell entzogen. Aber ich war auch entsetzt. In ­einem Land, wo man so mit ­Familien umgeht, will ich nicht leben. Man hat mich behandelt wie eine Kriminelle und mein Bild der Schweiz zerstört. Das macht mich sehr traurig.

Wie sehen Sie Ihr Heimatland heute?
Friedrich Dürrenmatt hat die Schweiz einmal als Gefängnis beschrieben. Ich sage: Mittlerweile ist die Schweiz eine Anstalt, und die Bevölkerung ist nach Ansicht der Behörden schwer erziehbar. Der Staat hat kein Vertrauen mehr in seine Bürger. Er mischt sich ungefragt und unbegründet in das Leben von Tausenden Familien ein. So ein Staat hat keine Zukunft.

Sie kritisieren die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden massiv. Aber auch das alte System der Vormundschaftsbehörden war nicht perfekt. Und bei verschiedenen Kesb heisst es, die Zahl der Obhutsentzüge sei zurückgegangen.
Ich habe noch keine Zahlen gesehen, die mir das gezeigt hätten. Fakt ist: Seit Einführung der Kesb werden Fälle kreiert. Die Behörden nehmen Eltern heute viel zu schnell die Kinder weg. Das ist hochgefährlich und verwerflich. Gleichzeitig spriessen Firmen aus dem Boden, die Kinder an Heime und Pflegefamilien vermitteln und die Gutachten erstellen. Heime müssen schwarze Zahlen ­schreiben. Das viel zitierte Kindeswohl wird zur Geldmacherei missbraucht. Das sind Missstände, die ich nicht hinnehmen kann.

Es gibt durchaus Fälle, wo die Kesb eingreifen muss. Wenn die Eltern ihre Kinder misshandeln, alkohol- oder drogenabhängig sind.
Das stimmt. Aber in meinem Fall hätte man gar nichts machen müssen. Man hätte teure Arbeitsstunden und sinnlosen Papierkrieg sparen können. Aber sobald sich die Kesb einmischt, geht die Hölle los. Sie spielen ­Eltern systematisch gegeneinander aus, das habe ich auch mit meinem Ex-Mann erlebt. Dann sagen sie, die Eltern könnten nicht mehr miteinander kommunizieren und man müsse ­ihnen das Kind wegnehmen. Die Kesb entfremdet Kinder von den Eltern, sie zerstört Kindheiten.

Wo steht Ihr eigener Fall heute?
Grundsätzlich ist die Kesb nicht mehr zuständig, seit ich im Ausland lebe. Meine Anwältin hat nach meinem Wegzug vergeblich versucht, das Verfahren einzustellen. Stattdessen drohte man mir mit Sanktionen. Erst als sich SVP-Nationalrat Pirmin Schwander mit einem Brief an die Behörde wandte und ein Strafverfahren ankündigte, wurde der Fall augenblicklich geschlossen. Wenn das keine Willkür ist! Seit ich in Wien lebe und die Kesb nicht mehr involviert ist, habe ich übrigens wieder ein sehr gutes Verhältnis mit meinem Ex-Mann. Wir brauchen keine Anwälte mehr und regeln die Dinge selbst.

In Wien lebt Zoë Jenny zusammen mit ihrem Partner Manfredo (53). Er kommt aus Wien, auch seine Eltern und seine beiden Töchter aus erster Ehe leben dort. Jenny will in der österreichischen Hauptstadt glücklich werden – und führt ihren Kampf gegen die Kesb von dort aus weiter. Am nächsten Freitag organisiert sie eine Mahnwache in Zürich, an der auch die Psychotherapeutin Julia Onken (72) und der Rock-Musiker Chris von Rohr (63) teilnehmen. Dort will Jenny Unterschriften für eine Volksinitiative zur Abschaffung der Kesb sammeln. Der Text wird derzeit von Staatsrechtlern geprüft.

«Gefangen in der Anstalt Schweiz»

Gleichzeitig will Jenny den Fall Flaach ZH bis an den Euro­päischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg ziehen – und in Artikeln ausländischer Medien auf die Missstände in der Schweiz hinweisen. «Ich kämpfe auch aus dem Exil weiter», sagt Jenny. «Das bin ich den über 1000 Menschen, die mir bisher ihre unglaublichen Geschichten geschrieben haben, schuldig. Denn die meisten können es sich nicht leisten, auszuwandern wie ich. Sie sind gefangen in der Anstalt Schweiz. Es tut mir von Herzen leid für dieses schöne Land.»

Zoë Jennys Kinderrechts-Projekt: www.kindergerechte-justiz.ch

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