Anna R. (22) in Locarno erdrosselt
Protz-Deutscher Dirk W. steht heute wegen Mordes vor Gericht

Über zwei Jahre nach der Gewalttat im einem Locarneser Ferienhotel geht der Prozess los. Im Hotelzimmer hatte der deutsche Ex-Rocker seine reiche Freundin Anna R. (†22) erdrosselt. Ob im wilden Sex-Spiel oder aus Habgier, wird nun der Richter entscheiden.
Publiziert: 18.06.2021 um 13:36 Uhr
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Aktualisiert: 20.09.2021 um 10:47 Uhr
Myrte Müller

Kaum ein Fall hat die Staatsanwaltschaft so viel Zeit gekostet wie der Tod der jungen Britin. In den frühen Morgenstunden des 10. Aprils 2019 meldet der Deutsche Dirk W.* (31) an der Hotelrezeption, dass seine Freundin leblos auf dem Boden des Badezimmers liege. Schnell steht fest: Anna R.** (†22) wurde erdrosselt.

Der Protz-Deutsche gibt zu, dass er sie tötete – behauptet aber: Er hat die Geliebte im sadomasochistischem Sex-Spiel mit einem Handtuch gewürgt. Töten wollte er sie nicht. Bei dieser Version bleibt der Angeklagte bis heute. Doch die Staatsanwaltschaft vermutet auch eine vorsätzliche Tötung aus Habgier.

Am 20. September 2021 beginnt der Prozess gegen den Ex-Rocker und Türsteher mit Wohnsitz in Zürich. Am Gericht in Lugano müssen nun die wahren Hintergründe des gewaltsamen Todes der Millionenerbin geklärt werden. Kein leichtes Unterfangen. Minuziös zeichnet die Anklage nach, wie der Kurzurlaub des ungleichen Liebespaares am Lago Maggiore in der Tragödie endet (Blick berichtete).

Dirk W. (r.) arbeitete in Zürich unter anderem auch als Türsteher. Der heute 31-Jährige steht am 20. September 2021 nicht nur wegen Mord oder Totschlag vor Gericht in Lugano, sondern auch wegen Diebstahl, Körperverletzung und Betrugs.
Foto: Facebook
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Nach durchzechter Nacht streitet das Paar auf dem Hotel-Balkon

Es ist der 6. April 2019. Das Paar bucht das Zimmer 501 im fünften Stock des La Palma au Lac. Am Abend des 9. April gehen Dirk W. und Anna R. aus. Ein Aperitif in einer Lounge-Bar, dann Abendessen auf der Piazza von Ascona. Sie nehmen Drinks in zwei Clubs. Streit flammt auf.

Anna R. will zurück ins Hotel. Sie bestellen ein Taxi. Im Hotelzimmer geht der Zoff weiter. Nachbarn hören unklare Wortfetzen. Es ist die Stimme von Anna, die da ruft: «Change money» («Wechsle Geld»), «You're killing me» («Du bringst mich um») oder «You're kidding me» («Du machst Witze»). Dirk W. weicht auf den Balkon aus, stolpert über den Beistelltisch. Gläser und Tassen gehen zu Bruch. Anna schreit weiter «Jump, jump» («Spring, spring») – und zieht sich wütend den Gucci-Ring vom Finger, ein Geschenk des Lovers.

Warum versteckte Dirk W. die Kreditkarte der Toten im Lift?

Kurze Zeit später hustet Anna R., und man hört sie leise schluchzen. Im Hotelzimmer zerschellt eine Wasserflasche. Das Kabel des Telefons wird aus der Fassung gerissen. Dann landen Anna und Dirk im Bett. Es kommt zum Sex. Dirk W. legt seine Hände um Annas Hals. Später ist das Paar im Bad. Dort würgt der Deutsche seine Geliebte mit dem Handtuch, bricht ihr den Ringknorpel in der Kehle. Gesicht und Oberkörper seines Opfers laufen blau-violett an. Anna erstickt.

Dirk W. kramt aus der Handtasche die Kreditkarte der Toten und geht aus dem Zimmer. Zwischen 3.30 und 4 Uhr früh nimmt Dirk W. den Lift zum Erdgeschoss. Vorher versteckt er die Kreditkarte in der Deckenbeleuchtung des Aufzugs und meldet an der Rezeption das Unwohlsein seiner Freundin. Minuten später findet das Hotelpersonal die junge Britin. Anna R. liegt leblos auf dem kalten Boden des Badezimmers – erdrosselt!

Verteidigung setzt auf fahrlässige Tötung

Dirk W. wird verhaftet. Er bleibt ein Jahr im Untersuchungsgefängnis La Farera. Seit Ende Mai 2020 ist er in der Vollzugsanstalt La Stampa untergebracht. Würde der aktenkundige Deutsche mit Totschlag oder gar fahrlässiger Tötung davonkommen, könnte er möglicherweise in ein, zwei Jahren freikommen. Darauf hofft nun seine Verteidigung.

Für die Staatsanwaltschaft steht Dirk W. nicht nur wegen Mordes beziehungsweise vorsätzlicher Tötung vor Gericht. Er muss sich auch wegen des Diebstahls der Kreditkarte verantworten. Zudem holt ihn ein früherer Fall ein. Es geht um Körperverletzung. Im Februar 2018 hatte er in einem Club in Schaffhausen einen jungen Mann niedergeschlagen. Und: Die Unfallversicherung Suva verklagte den Deutschen auf Betrug, weil dieser sich 2018 bis 2019 mit falschen Angaben Sozialhilfe erschlichen hatte. Auch das wird in Lugano verhandelt.

* Name geändert

** Name bekannt

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