96'000 Türken dürfen jetzt bei uns an die Urne
«Erdogan will eine Diktatur – wir nicht»

Ab heute Montag bis am 9. April können Auslandtürken in Bern, Genf und Zürich über die neue türkische Verfassung abstimmen. Es wird spannend!
Publiziert: 27.03.2017 um 17:02 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 17:03 Uhr
Beat Michel und Johannes Hillig

In der Schweiz sind 96'000 Türken für das Erdogan-Referendum registriert. Bei der türkischen Botschaft in Bern sowie in den Konsulaten in Genf und Zürich dürfen sie ab heute an die Urne. Und die Türken wollen ihr Stimmrecht wahrnehmen: Schon um neun Uhr hatte sich vor dem Konsulat eine Schlange gebildet.

Anstehen unter Beobachtung der Stadtpolizei: Türkisches Konsulat in Zürich heute Morgen.
Foto: 8989 – Leserreporter

Bei Sonnenschein und unter Beobachtung von mehreren Polizisten warteten die Schweiz-Türken, bis sie ins Konsulat durften. Vorsorglich liessen die Behörden ein Toitoi-WC aufstellen.

Die Stimmung in der Schlange war entspannt. Die türkischen Bürger diskutierten miteinander. Einige wenige sagten zu BLICK, sie würden das Referendum annehmen. Die meisten aber wollten nicht sagen, wie sie abstimmen. Viele sind stolz darauf, dass sie heute an die Urne gehen.

Vor dem Konsulat in Zürich stehen bereits heute Vormittag türkische Staatsangehörige, um ihre Stimme abzugeben.
Foto: Keystone

«Es ist meine erste Abstimmung»

Einer von ihnen ist Savas Aydin. Er ist in Muri im Kanton Aargau geboren und aufgewachsen. «Es ist meine erste Abstimmung», sagt Aylin dem «Blick». Er sei zwar in der Schweiz gross geworden, habe aber nur den türkischen Pass.

«Ich bin zwar nur in den Ferien in der Türkei gewesen, aber trotzdem ist die Türkei für mich ein wichtiges Land.» Deswegen ist Aydin froh, dass er jetzt seine Stimme abgeben konnte. «In der Türkei geht alles drunter und drüber. Ich hoffe, dass jetzt alles gut geht.»

Auf die Frage, wie er abgestimmt hat, lächelt er nur. «Das ist ein Geheimnis.» Viele seien dagegen, aber viele auch dafür. Wie es ausgeht, bleibe spannend. «Es soll einfach wieder gerechter werden», wünscht sich Aydin für die Türkei.

«Wir wollen keine Diktatur»

Beyse Kartca Ökreten (35) dagegen sagt klar, was sie von der Vorlage hält. «Dass die Macht nur an eine Person gehen soll, das ist keine Demokratie», sagt sie im BLICK-Interview. «Erdogan will eine Diktatur. Das wollen wir nicht.»

In der Türkei findet die Abstimmung am 16. April statt. Die neue Verfassung würde Präsident Recep Tayyip Erdogan (63) mehr Macht verleihen. Befürworter vergleichen die neuen Rechte mit dem Präsidialsystem der USA. Kritiker fürchten diktatorische Ausmasse.

Neu darf der Präsident einer Partei angehören und dieser vorsitzen. Eine Person kann Staats- und Regierungschef sein. Der Präsident darf seine Stellvertreter selber wählen. Er kann ohne Zustimmung des Parlaments Dekrete erlassen. Die Wahlen für Parlament und Präsident erfolgen alle fünf Jahre am gleichen Tag.

Der Präsident kann das Parlament zu jeder Zeit auflösen, dann müssen gleichzeitig Neuwahlen für Parlament und Präsident stattfinden. Amtsperioden des Präsidenten bleiben auf zwei beschränkt. Militärgerichte werden abgeschafft, ausser um Delikte von Soldaten zu Kriegszeiten zu untersuchen.

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