Wird nicht wieder eingeführt
Botschaftsasyl fällt im Ständerat durch

Der Versuch, das Botschaftsasyl wieder einzuführen, ist gescheitert. Der Ständerat lehnt einen Vorstoss von SP-Politiker Daniel Jositsch ab.
Publiziert: 15.03.2022 um 12:26 Uhr

Der Ständerat hält nichts von der Wiedereinführung des Botschaftsasyls. Er hat am Dienstag eine entsprechende Motion von Daniel Jositsch (SP/ZH) mit 29 zu 12 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt. Die Ratsmehrheit erachtete die Forderung als nicht umsetzbar und befürchtete eine unerwünschte Sogwirkung. Damit ist das Anliegen vom Tisch.

Das katastrophale Flüchtlingsdrama habe sich durch die Corona-Pandemie noch verschärft, hielt Motionär Jositsch fest. Seit 2014 seien allein im Mittelmeer über 21'000 Menschen auf der Flucht gestorben. «Wir kennen diese grauenhaften Bilder.» Die Wiedereinführung des 2012 abgeschafften Botschaftsasyls könne Abhilfe schaffen.

Legal an die Schweizer Grenze könne man fast nur mit illegalen Schleppern gelangen. Das führe zu diesen menschlichen Katastrophen. Besonders vulnerablen Personen könne das Botschaftsasyl Schutz in der Schweiz ermöglichen. Das gebiete die humanitäre Tradition der Schweiz, so Jositsch.

Per Vorstoss verlangte SP-Ständerat Daniel Jositsch die Wiedereinführung des Botschaftsasyls. Die kleine Kammer lehnte die Motion allerdings ab.
Foto: keystone-sda.ch

Breiter Widerstand

Der Bundesrat und die Mehrheit der vorberatenden Kommission waren gegen die Wiedereinführung. Das Botschaftsasyl habe vor seiner Abschaffung zu einer ungleichen Lastenverteilung der Asylgesuche zum Nachteil der Schweiz geführt. An dieser Situation habe sich unterdessen nichts geändert. In der EU gebe es momentan auch keine Bestrebungen, die Einreichung von Asylgesuchen in Auslandvertretungen einzuführen.

Unmittelbar und ernsthaft gefährdete Personen würden auch ohne Botschaftsasyl den notwendigen Schutz der Schweiz erhalten, betonte Kommissionssprecher Damian Müller (FDP/LU). Ihnen könne aus humanitären Gründen ein Visum erteilt werden. Diese Praxis habe sich bewährt.

Die Schweiz habe zusätzlich die Möglichkeit, Flüchtlinge im Rahmen von Resettlement-Programmen direkt aus dem Ausland aufzunehmen. Seit 2013 ist laut Justizministerin Karin Keller-Sutter bisher rund 5800 Personen die sichere Einreise in die Schweiz und Asyl gewährt worden. Unter dem Strich «lösen wir mit dem Botschaftsasyl keine Probleme, sondern schaffen neue», so Müller.

Humanitäre Gründe

Die Minderheit der Kommission erachtete die Wiedereinführung des Botschaftsasyls aus humanitären Gründen für geboten. Humanitäre Visa würden von den Behörden nur sehr streng vergeben. Es sei inakzeptabel, dass das Schweizer Asylsystem schutzsuchende Personen zwinge, auf lebensgefährlichen Routen in die Schweiz zu gelangen, um ein Asylgesuch zu stellen.

«Wenn wir so auf unserer Position verharren, wird es weitergehen wie bis anhin. Aber wir haben eine Verantwortung, wir müssen handeln», sagte Lisa Mazzone (Grüne/GE). Die Forderung sei «auf ersten Blick charmant, in einer idealen Welt wäre es ein toller Weg», meinte Andrea Caroni (FDP/AR) dazu. In der Praxis gehe das aber nicht auf. Die Dramen im Mittelmeer würden nicht wegfallen. Wer kein Botschaftsasyl erhalte, werde sich dann wohl trotzdem auf den Weg machen.

Man stelle sich vor, wenn angesichts des Ukraine-Konflikts zahllose Flüchtlinge zum Beispiel in der Schweizer Botschaft in Warschau um Asyl ersuchten, gab Thomas Minder (parteilos/SH) zu bedenken. «Das wäre schon rein logistisch kaum zu stemmen.» Daniel Fässler (Mitte/AI) warnte wie Caroni vor dem globalen Magneteffekt, den ein Botschaftsasyl auslösen würde. Das ginge, wenn überhaupt, nur mit einem europäischen Verteilmechanismus, so Caroni.

«Verklärte Wahrnehmung»

Keller-Sutter wandte sich im Namen der Landesregierung gegen den Vorstoss von Jositsch. Mit der Relocation, den Resettlements und dem humanitären Visum gebe es drei legale Zugangswege in die Schweiz für Asylsuchende. Letzteres sei der Ersatz für das Botschaftsasyl. Das Stimmvolk habe dem mit über 78 Prozent zugestimmt.

Zum Botschaftsasyl gebe es eine «verklärte Wahrnehmung», so Keller-Sutter weiter. Nur 8,1 Prozent hätten seinerzeit eine Einreisebewilligung erhalten. Gerade in einer Krise wie jetzt in der Ukraine könnten viele Gesuche das ganze System vor Ort verstopfen, denn die Auslandvertretungen führten das gesamte Verfahren durch, das Monate dauern könne.

(SDA)

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?