Wirbel um neuen Schweizer Tarnkappen-Jet
Pentagon findet Ersatzteile für F-35 nicht mehr

Weil zahlreiche Staaten den US-Kampfjet F-35 nutzen, unterhält das Pentagon rund um den Globus einen Ersatzteil-Pool. Nur: Die US-Armee hat den Überblick komplett verloren, was sich wo befindet – oder eben nicht mehr. Das könnte auch für die Schweiz ein Problem werden.
Publiziert: 02.06.2023 um 01:00 Uhr
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Aktualisiert: 02.06.2023 um 09:56 Uhr
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Daniel BallmerRedaktor Politik

So sehr sich Verteidigungsministerin Viola Amherd (60) und ihre Armee auf den neuen F-35 freuen: Dem US-Verteidigungsministerium macht der Tarnkappenjet regelmässig Sorgen. Immer wieder kämpfte er mit Kinderkrankheiten, musste er gar Gewitter meiden, weil bei Blitzeinschlag eine Explosion drohte.

Ein Bericht von 2020 zählte 873 Software-Mängel auf. Hinzu kamen Probleme bei der Treffsicherheit der Bordkanone. Die US-Politik entschied sich vor allem gegen einen Abbruch des Programms, weil schlicht schon viel zu viel Geld drinsteckt. Auch in der Schweizer Armee kamen Zweifel auf.

Das neuste Problem: Das Pentagon hat den Überblick über Zehntausende Ersatzteile im Wert von vielen Millionen Dollar komplett verloren. Das kritisiert der US-Rechnungshof, der direkt dem Kongress unterstellt ist, in einem kürzlich veröffentlichten Bericht.

Weil zahlreiche Staaten den US-Kampfjet F-35 nutzen, unterhält das Pentagon rund um den Globus einen Ersatzteil-Pool. Nur: Die US-Armee hat den Überblick komplett verloren, was sich wo befindet – oder eben nicht mehr.
Foto: keystone-sda.ch
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US-Rechnungshof erkennt «trübes Bild»

Nicht nur das US-Militär nutzt die F-35, sondern auch zahlreiche andere Nationen – ab 2027 kommt die Schweiz dazu. Das Pentagon unterhält daher einen Ersatzteil-Pool, der rund um den Globus verteilt ist und auf den Verbündete zurückgreifen können.

Das Dumme daran: Das Pentagon hat kein System, das einen Überblick über die Bestände erlaubt, ist im 35-seitigen Bericht zu lesen. Von einem «trüben Bild» ist die Rede. So sei unklar, wie viele Ersatzteile sich im Pool befinden, wie viele verloren gingen oder was dafür bezahlt wurde.

Das US-Militär habe nie damit gerechnet, dass es dereinst Ersatzteile für andere Nationen lagern würde. Weil nie ein Inventarisierungs-System entwickelt wurde, seien bis heute die Herstellerfirmen Lockheed Martin sowie Pratt & Whitney verantwortlich.

Der Prozess sei immer undurchsichtiger geworden, weil Ersatzteile in unterschiedlichen Systemen der beiden Herstellerfirmen gelandet seien – und an Dutzenden von Standorten gelagert wurden, die weder der US-Regierung noch einem der beiden Unternehmen gehörten.

«Wir haben immer gewarnt»

Anja Gada von der Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA) zeigt sich wenig erstaunt. «Wenn die USA bereits jetzt nicht wissen, wem welche Ersatzteile gehören, wohin sie geliefert werden sollen, wo sie sich befinden und welche fehlen, wie soll dann zukünftig für Dutzende Staaten die ‹Versorgungssicherheit› dieses Jets garantiert werden?», fragt sie.

«Wir haben immer vor den Tücken rund um die F-35-Beschaffung gewarnt», sagt GSoA-Sekretärin Gada. Deshalb seien über 100'000 Unterschriften dagegen gesammelt worden – Verteidigungsministerin Viola Amherd (60) aber habe eine Abstimmung verhindert, so Gada weiter. Allenfalls hat die Schweiz nun den Salat: «Ohne Ersatz-Teillieferungen wird ein Kampfjet nutzlos und kann nicht einmal mehr luftpolizeiliche Aufgaben erfüllen.»

Das Verteidigungsdepartement von Mitte-Bundesrätin Viola Amherd scheint sich mit der Situation ebenfalls schwerzutun. Auch nach mehr als zwei Tagen liegen Blick vom Bundesamt für Rüstung (Armasuisse) keine Antworten auf schriftlich eingereichte Fragen vor.

VBS macht sich keine Sorgen

Erst kurz nach Veröffentlichung des Artikels kommt vom VBS eine «Klarstellung»: Als Vertragspartner und künftiger Empfänger von F-35-Kampfjets sei die Schweiz von der US-Regierung vorgängig über den Bericht informiert worden. Dieser habe keine Auswirkungen auf die Schweiz. Sie verfüge über die vertragliche Zusicherung, dass die nötigen Ersatzteile zur Verfügung stehen.

Zudem: Eine Vorgabe für das Logistikpaket sei, dass bei nicht sichergestellter Ersatzteilbewirtschaftung während rund sechs Monaten die Lufthoheit gewahrt und der Ausbildungs- und Trainingsbetrieb aufrechterhalten werden können. Gleichzeitig werde das betriebliche Umfeld der F-35 «dank der strengen und transparenten Aufsicht der amerikanischen Behörden» dauernd verbessert.

Teuerste Waffe in der Geschichte des US-Militärs

Tatsächlich hat der US-Rechnungshof dem Pentagon nun vier Empfehlungen abgegeben, um den Laden wieder in den Griff zu bekommen. Dieses habe auch allen vier zugestimmt, aber feststellen müssen, dass sich eine der Herstellerfirmen querstelle. Der Rüstungskonzern wird nicht namentlich genannt.

Lockheed Martin hat bisher mehr als 900 F-35 produziert und ans US-Militär sowie Verbündete wie Italien, Australien, Dänemark, die Niederlande, Norwegen, Südkorea oder Grossbritannien geliefert. Das Pentagon schätzt, dass es während der Laufzeit 1700 Milliarden Dollar für die F-35 hinblättern muss. Es ist die teuerste Waffe in der Geschichte des US-Militärs.

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