«Wir wissen, was es bedeutet, fremdbestimmt zu werden»
Frauenaufstand gegen SBI

Auch wegen der europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) erhielten die Frauen in der Schweiz 1971 das Stimmrecht. Jetzt stehen viele von ihnen gemeinsam gegen die Selbstbestimmungsinitiative (SBI) auf – weil diese just die EMRK angreife.
Publiziert: 16.11.2018 um 09:17 Uhr
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Aktualisiert: 22.11.2018 um 13:45 Uhr
Cinzia Venafro

Sie wüssten, «was es bedeutet, fremdbestimmt zu werden», schreiben Frauenorganisationen heute in einem breit aufgestellen Appell. «Darum sagen wir Nein zur Selbstbestimmungsinitative.»

Gut eine Woche, bevor das Schweizer Stimmvolk über die Selbstbestimmungsinitative (SBI) der SVP entscheidet, bäumt sich das Nein-Lager in einer Endspurt-Aktion nochmals auf: Angeführt von der Operation Libero lanciert es heute einen Frauenaufstand gegen das Volksbegehren.

Appell richtet sich «an alle Frauen der Schweiz»

Hauptargument: Just wegen der europäischen Menschenrechtskonvention, welche die SBI in Frage stellt, könnten Frauen in der Schweiz heute überhaupt mitbestimmen.

Laura Zimmermann, Co-Präsidentin von Operation Libero.
Foto: Keystone
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«Wir mussten lange warten und wir mussten dafür kämpfen: 1971 erhielten wir Frauen schweizweit endlich das Recht, abstimmen zu gehen. Erst seit 47 Jahren also sind wir gleichberechtigte Mitglieder unserer geliebten, direkten Demokratie», heisst es in dem Schreiben, das an «alle Frauen der Schweiz» gerichtet ist.

Weiter steht darin: «Seit 47 Jahren ist die Schweiz eine vollständigere, eine bessere Demokratie. 53 Jahre nach Deutschland, 52 Jahre nach Österreich, 27 Jahre nach Frankreich und 26 Jahre nach Italien durften wir Schweizer Frauen endlich alle abstimmen gehen.»

1959 lehnten die Männer das Frauenstimmrecht ab

Entschlossene und mutige Schweizer Frauen hätten in der Vergangenheit ihre Stimme erhoben, damit Frauen überhaupt mitbestimmen können. «Nun braucht es die Stimme aller Frauen in der Schweiz, um für ebendiese Grundrechte einzustehen.»

Unterschrieben wurde der Appell von den grössten Frauenorganisationen der Schweiz, neben den Frauenvertretern der SP, FDP, CVP, GLP und Grünen (die Mutterparteien bekämpfen die Initiative ebenfalls), stehen auch Organisationen wie der Bund Schweizerischer Frauenorganisationen Alliance F, die Juristinnen Schweiz, die Lesbenorganisation Schweiz, Wirtschaftsfrauen Schweiz, Evangelische Frauen Schweiz oder der Christliche Friedensdienst hinter dem Aufruf.

«Das Frauenstimmrecht, welches für uns heute selbstverständlich ist, welches überhaupt selbstverständlich sein sollte, wurde mit viel Willen und einem langen Atem erkämpft», ermahnen die Frauen auch ans Jahr 1959, als die Schweizer Männer noch Nein sagten zum Frauenstimmrecht. Andere Demokratien dieser Welt hätten für ein Ja ein paar Jahrzehnte gebraucht, «die Schweizer Männer brauchten Jahrhunderte!»

Zur Erinnerung: Die Abstimmung über das Frauenstimmrecht 1971 musste die Schweiz durchführen, weil sie die Europäische Menschenrechtskonvention ratifizieren wollte. «Ohne Frauenstimmrecht ging das aber nicht.»

Nein-Trend zur SBI

«Ohne die Menschenrechtskonvention wäre die direkte Demokratie unvollständig. Ohne sie stünden wir Frauen heute, auch in vielen anderen Bereichen, deutlich schlechter da», so der Appell-Text.

Nun wolle die «Selbstbestimmungs»-Initiative ausgerechnet diese Menschenrechtskonvention ausser Kraft setzen. Und so kommen die vereinten Frauenorganisationen zum Schluss: «Wir lassen diesen Angriff auf eine Institution, der wir vieles verdanken, nicht zu.»

Die jüngsten Zahlen stimmen die SBI-Gegner zuversichtlich: Eine Annahme der SBI am 25. November wäre gemäss SRG-Umfrage «eine Überraschung». 61 Prozent der Befragten waren Anfang November dagegen, 37 Prozent dafür.

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