Werbung nur noch auf Verlangen
«Stopp»-Kleber am Briefkasten sollen weg

Werbung nur noch bei ausdrücklicher Zustimmung im Briefkasten: Das verlangt GLP-Nationalrätin Katja Christ. Am Montag kommt ihre Forderung in die zuständige Parlamentskommission.
Publiziert: 12.08.2022 um 14:46 Uhr
Thomas Müller

Wer nicht ungefragt Werbung in seinem Briefkasten will, muss daran heute einen «Stopp Werbung»-Kleber anbringen. Das will GLP-Nationalrätin Katja Christ (50) ändern. Neu soll eine sogenannte Opt-in-Lösung zum Zug kommen: Werbung soll nur noch erhalten, wer dies ausdrücklich wünscht und seinen Briefkasten mit einem «Werbung OK»-Kleber verziert. Ausgenommen wären nur Sendungen von Behörden, Parteien und amtliche Publikationen. Diese dürfen auch jetzt schon in allen Briefkästen landen.

So könnten unnötige Papierabfallberge vermieden werden, ist Christ überzeugt. 53 Prozent der Werbung werde nur teilweise oder gar nicht angeschaut, schreibt sie ihn ihrem Vorstoss. In Amsterdam wird diese Lösung bereits umgesetzt. Nach eigenen Angaben spare die Stadt so 6000 Tonnen Abfall pro Jahr.

Post und Gewerkschaft dagegen

Der Post gefällt dieser Vorschlag gar nicht. Das Geschäft mit den Werbesendungen federe die sinkenden Briefmengen ab und sichere so die Grundversorgung, ganz ohne Steuergelder, der gelbe Riese gegenüber «Watson». Ausserdem habe eine solche Änderung grosse Auswirkung auf die werbenden Firmen, insbesondere KMUs.

Sind die Tage der «Stop Werbung»-Kleber bald vorbei?
Foto: Keystone
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Die Gewerkschaft Transfair, die die Postangestellten vertritt, warnt ausserdem, dass die Opt-in-Lösung Stellen gefährde. Mehr als 4000 Leute müssten um ihren Job fürchten, so Kerstin Buchel, Branchenverantwortliche Post bei Transfair, kürzlich in der «Tagesschau». Begrüssen würde die Änderung hingegen die Stiftung für Konsumentenschutz.

Bundesrat dagegen, Bevölkerung begeistert

Im Nationalrat wurde die Motion bereits angenommen, wenn auch eher knapp, mit 95 zu 86 Stimmen. In der Ratsdebatte trat ausgerechnet Postministerin Simonetta Sommaruga (62), früher selbst Präsidentin des Konsumentenschutzes, gegen die Motion an. Das Problem liege in der Produktion der Werbesendungen und nicht in der Abwicklung der Zustellung, heisst es in ihrer Stellungnahme. Es sei am wirkungsvollsten, wenn die Unternehmen sich bessern würden. Zudem wäre eine Umstellung im Vergleich zur Wirkung zu aufwendig.

Christ führt noch ein weiteres Argument an: Es mache keinen Sinn, dass man digitale Werbung via E-Mail und SMS nur nach seinem Einverständnis erhält, während die rechtliche Lage bei Werbesendungen auf Papier genau gegenteilig sei. Sie habe aus der Bevölkerung ausschliesslich positive Rückmeldungen erhalten. Leute hätten sich persönlich für die Motion bedankt.

Zu den Sorgen der Post meint sie: «Es kann ja nicht sein, dass die Post-Kundschaft unerwünscht belästigt wird und sinnlose Abfallberge in Kauf genommen werden müssen, nur um die Grundversorgung zu subventionieren.» Ausserdem rechtfertige die Post einfach alles mit dem Grundversorgungs-Argument. Tatsächlich begründete der gelbe Riese diese Woche auch seinen Einstieg beim elektronischen Patientendossier (EPD) damit.

Genügend sinnvollere Stellen

Politik, so Christ, müsse inhaltlich und sachlich Sinn machen. Man könne nicht etwas Unsinniges fortführen, nur um Stellen zu erhalten, sagt sie an die Adresse der Gewerkschaften. Ausserdem gebe es genügend sinnvollere Stellen, auch im Tieflohnsegment, gerade im Umweltbereich.

In der Herbstsession kommt das Geschäft nun in den Ständerat. Christ hofft, dass die mediale Berichterstattung sich dort positiv auf die Debatte auswirkt. Wenn sich wie im Nationalrat FDP und SVP geschlossen gegen die Motion stellen, könnte es aber schwierig werden. Zünglein an der Waage wird einmal mehr die Mitte sein.

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