Viele Mitholzer überlegen sich Wegzug
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Bilder einer Weltneuheit:Viele Mitholzer überlegen sich Wegzug

Wenn Munition-Räumung lange dauert
Viele Mitholzer überlegen sich Wegzug

Dauert die Räumung des ehemaligen Munitionslagers der Armee in Mitholz wie veranschlagt zehn Jahre, würden fast alle Bewohner des Dorfs wegziehen. Das geht aus einer Mitwirkung hervor, deren Resultate am Donnerstag publik wurden.
Publiziert: 25.06.2020 um 13:30 Uhr
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Aktualisiert: 25.06.2020 um 14:28 Uhr

In Felskavernen bei Mitholz lagern noch einige Tausend Tonnen alte Armeemunition. Nun rückte eine vollständige Räumung der explosiven Altlasten in den Fokus. Auf eine solche drängtendie Dorfbewohner. Die Mitwirkung soll den Behörden zeigen, wie die Bevölkerung über die Pläne des Bundes denkt, das verschüttete Munitionslager zu räumen. Die heiklen Arbeiten würden zu einer Langzeitevakuierung des Dorfes führen.

Die Betroffenheit und die Belastung durch die Räumung beurteilten die Teilnehmenden der Mitwirkung als sehr gross, wie das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) um Bundesrätin Viola Amherd (58) am Donnerstag mitteilte.

Beeinträchtigung ist zu gross

72 Prozent der Antwortenden gaben an, dass sie dadurch eine mittlere, grosse oder sehr grosse Beeinträchtigung der Lebensqualität haben. Insbesondere die lange Dauer des Räumungsprojekts stösst in der Bevölkerung auf Kritik.

Der friedliche Schein trügt. So sieht es im Mitholz heute aus, doch unter der Idylle liegen mehrere Hundert Tonnen Sprengstoff.
Foto: Keystone
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Bereits bei einer Evakuierung von mehr als einem Jahr würde gut die Hälfte der Antwortenden aus Mitholz wegziehen. Bei einer Dauer von zehn Jahren wären es über 80 Prozent.

Eine Mehrheit möchte jedoch auch bei einem Wegzug in der Region bleiben. Vom Bund erwarten die Betroffenen dabei Unterstützung und umfassende finanzielle Entschädigungen, wie aus der Mitteilung hervorgeht.

Überdeckung ist stark umstritten

Das vom VBS im vergangenen Februar vorgestellte Räumungskonzept beurteilt die Bevölkerung unterschiedlich. Rund die Hälfte steht der Variante einer Überdeckung der im Fels eingelagerten Munition mit Gestein positiv gegenüber. Eine solche Lösung käme aber gemäss Konzept nur zum Tragen, wenn eine vollständige Räumung nicht möglich ist.

Im restlichen Talgrund steht die Bevölkerung einer Überdeckung negativ gegenüber. Im höher gelegenen Kandersteg sehen rund zwei Drittel diese Variante als positiv an.

Dass nun die Variante der Überdeckung stärker ins Zentrum rücken könnte, verneint das VBS. Die Überdeckung «gilt weiterhin als Option, die nur realisiert werden soll, falls eine vollständige Räumung der Munitionsrückstände nicht möglich ist».

Schutzbauten werden als unzumutbar abgelehnt

Eine grosse Mehrheit der Mitwirkenden lehnt Schutzbauten an Liegenschaften gegen die Auswirkungen potenzieller Explosionen als unzumutbar ab. Auch Sperrungen des Strassen- und Schienenverkehrs kommen schlecht an. Insbesondere die kantonalen und lokalen Behörden sowie Tourismuskreise fordern nachdrücklich Verkehrsverbindungen, die ununterbrochen in heutiger Kapazität zur Verfügung stehen.

Die geplanten Schutzbauten für die Bahn wurden in der Mitwirkung gut aufgenommen - mit Ausnahme der unmittelbar davon Betroffenen. Bei den Schutzmassnahmen für die Strasse haben die Mitholzer eine klare Präferenz für eine Untertunnelung oder neue Linienführung, damit das Dorf auch gleich vom Durchgangsverkehr entlastet werden kann.

Die Behörden äusserten sich in ihren Stellungnahmen grundsätzlich zustimmend zum Räumungskonzept und sicherten zu, die bisherige Zusammenarbeit fortzuführen. Die Räumung der Munitionsrückstände als Ziel wurde laut VBS nicht in Frage gestellt.

Bundesrat entscheidet Ende Jahr

Die Ergebnisse der Mitwirkung sollen nun in die Variantenevaluation einfliessen. Ein entsprechender Bericht dazu wird als Grundlage dienen für einen Antrag an den Bundesrat. Dieser wird voraussichtlich im vierten Quartal 2020 über das weitere Vorgehen entscheiden.

1947 flog ein Teil des Munitionslagers in die Luft, der Rest wurde verschüttet. Lange Zeit gingen Experten davon aus, dass allfällige weitere Explosionen nur beschränkten Schaden anrichten würden. Erst 2018 kam das VBS in einer neuen Risikoanalyse zu ganz anderen Schlüssen.

Im vergangenen Februar wurde klar, dass das Vorhaben mit einer Evakuierungszeit von rund zehn Jahren einhergeht. Die Räumung dürfte mehr als eine Milliarde Franken kosten. Zur Not könnte die gesamte Anlage mit Gestein überdeckt werden, was den Bewohnern zwar eine Langzeitevakuierung ersparen, aber das Problem nur bedingt lösen würde. (SDA)

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