Wegen Russland-Sanktionen
Bund wehrt sich gegen US-Vorwürfe

Die Umsetzung der Sanktionen gegen Russland sei ungenügend, kritisieren die USA und machen Druck auf die Schweiz. Die Bundesbehörden wollen davon nichts wissen. Doch selbst im eigenen Land sind die bisher ergriffenen Massnahmen umstritten.
Publiziert: 20.07.2023 um 11:02 Uhr

Der Bund wehrt sich gegen Vorwürfe aus den USA. Die sogenannte Helsinki-Kommission des US-Kongresses lässt an der Schweiz kaum ein gutes Haar. Am Mittwoch warf sie ihr in deutlichen Worten vor, Geld gewaschen und Russland geholfen zu haben, internationale Sanktionen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg zu umgehen.

Die Schweiz gehe nicht energisch genug gegen den Export von Komponenten vor, die Russland für die Produktion von Waffen einsetzen könnte. Und die Amis machen klar: «Wenn die Schweiz nicht gewillt ist, freiwillig etwas dagegen zu tun, sollten wir Druck auf sie ausüben.»

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«Wir weisen diesen Vorwurf in aller Schärfe zurück.»
Stellungnahme des Staatssekretariats für Wirtschaft
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Die Schweizer Behörden aber wollen davon nichts wissen. «Wir weisen diesen Vorwurf in aller Schärfe zurück», betont das zuständige Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) von SVP-Wirtschaftsminister Guy Parmelin (63) gegenüber den Zeitungen von CH Media.

«Wenn die Schweiz nicht gewillt ist, freiwillig etwas dagegen zu tun, sollten wir Druck auf sie ausüben», sagte Menschenrechtsaktivist Bill Browder vor dem US-Kongress.
Foto: IMAGO/ZUMA Wire
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Schon seit März 2022 seien Ausfuhren und Verkäufe elektronischer Komponenten an Russland verboten. In der Ukraine gefundene Teile mit Bezug zur Schweiz habe Russland vor dem Krieg über Drittstaaten beschafft. Es handle sich um industrielle Massenprodukte ohne militärische Spezifikationen. Das Seco habe die betroffenen Unternehmen nun aufgefordert, dass ihre Verteiler weltweit keine Lieferungen nach Russland mehr zulassen sollen.

Gerechnet wird mit unterschiedlichen Zahlen

Die US-Vorwürfe gehen aber noch weiter. Die Schweiz soll bis jetzt auch viel zu wenig Geld russischer Oligarchen und Unternehmen beschlagnahmt haben. Dabei beziehen sich die Amerikaner auf Schätzungen der Schweizerischen Bankiervereinigung. Diese geht davon aus, dass zwischen 150 und 200 Milliarden Franken aus Russland auf Schweizer Konten lagerten. Bis jetzt aber habe die Schweiz nur 7,5 Milliarden an Vermögenswerten aus Russland und Belarus gesperrt.

Das Seco dagegen geht von anderen Zahlen aus: Bis Anfang Juni 2022 seien ihm Einlagen von natürlichen und juristischen Personen in Russland in der Höhe von 46,1 Milliarden Franken gemeldet worden. Und: Die wenigsten russischen Personen und Vermögen in der Schweiz seien sanktioniert worden. «Bei den gesperrten Vermögenswerten handelt es sich nur um einen Bruchteil der russischen Gelder und Vermögen in der Schweiz.» Das bestätige auch die Bankiervereinigung.

Auch das Aussendepartement von FDP-Bundesrat Ignazio Cassis (62) betont gegenüber CH Media, dass die Vorwürfe aus den USA «auf keiner faktischen Grundlage» basierten. «Die Schweiz setzt die internationalen Standards zu Geldwäscherei und Sanktionen konsequent um.»

Die US-Behörden scheinen sich davon wenig beeindrucken zu lassen. Sie sollen nun auch prüfen wollen, wie in der Schweiz ansässige Rohstoffhändler die Russland-Sanktionen umsetzen. Gleichzeitig sollen die USA auch an einem vertieften Einblick in die europäischen Energiemärkte interessiert sein.

Massnahmen auch im eigenen Land umstritten

Für SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (44) ist klar: Nach der Aufhebung des Bankgeheimnisses wollten die USA eine weitere wichtige Schweizer Branche schwächen. «Die Amerikaner hätten das Rohstoffgeschäft gerne bei sich», wird er zitiert. Dagegen müsse sich die Schweiz wehren.

FDP-Präsident Thierry Burkart (47) erwarte, dass die Schweiz die Russland-Sanktionen konsequent umsetzt. Und bisher seien die Schweizer Massnahmen auch international anerkannt. Nun müsse sich die Schweizer Diplomatie dringend und intensiv um Aufklärung gegenüber den USA bemühen.

Anders die Grünen: «Die Schweiz tut nicht genug, um Vermögenswerte von russischen Personen und Unternehmen zu suchen», so Fraktionschefin Aline Trede (39). Es brauche mehr Ressourcen, um die Vermögenswerte aufzuspüren. Zudem sei das Gesetz gegen Geldwäscherei endlich zu verschärfen.

Auch Mitte-Präsident Gerhard Pfister (60) erwartet mehr bei der Identifikation und Sperrung von Oligarchen-Geldern. Die Massnahmen des Seco seien international abzustimmen und wo nötig rasch zu verschärfen: «Es ist bedauerlich, dass die Schweiz erneut in der internationalen Kritik steht aufgrund der Passivität des Bundesrats und insbesondere von Wirtschaftsminister Guy Parmelin.» Die Schweizer Massnahmen sind selbst im eigenen Land umstritten. (dba)

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