Bundesrat verschiebt die Zuwanderungs-Abstimmung
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Wegen Corona-Notlage
Bundesrat verschiebt die Zuwanderungs-Abstimmung

Die Corona-Krise wird auch zum Problemfall für die direkte Demokratie. Jetzt hat der Bundesrat entschieden: Die Abstimmung vom 17. Mai findet nicht statt.
Publiziert: 18.03.2020 um 15:21 Uhr
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Aktualisiert: 12.08.2020 um 16:25 Uhr
Ruedi Studer

Drei Vorlagen waren für die Abstimmung vom 17. Mai geplant: das Jagdgesetz, die Steuerabzüge für Kinderbetreuung und die SVP-Initiative «für eine massvolle Zuwanderung». Letztere nimmt die Personenfreizügigkeit mit der EU ins Visier.

Jetzt hat der Bundesrat entschieden: Die Abstimmung findet nicht statt. Noch ist offen, wann über die drei Vorlagen abgestimmt wird.

Entscheidender Diskussionspunkt war dabei nicht, ob die Abstimmung an sich durchgeführt werden kann – denn die meisten stimmen sowieso per Post ab und auch in den Stimmlokalen hätte man mit Schutzmassnahmen vorsorgen können.

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Foto: keystone
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Im Fokus stand vielmehr, ob die öffentliche Debatte und damit die Meinungsbildung auch wirklich gewährleistet werden kann, wenn auf den klassischen Abstimmungskampf auf der Strasse und mit Versammlungen weitgehend verzichtet werden muss.

«Die Stimmberechtigten sollen ihren Entscheid gestützt auf einen umfassenden Prozess der Meinungsbildung treffen können», schreibt der Bundesrat zu seinem Entscheid. «Dazu gehört auch die Ermöglichung eines eigentlichen Abstimmungskampfes.» Für diesen spielten auch die zivilgesellschaftlichen Akteure wie Parteien, Komitees, Verbände, usw. wie auch die Medien eine entscheidende Rolle.

Der Bundesrat erinnert daran, dass die Regierung schon 1951 einen Urnengang absagen musste. Damals wegen der Maul- und Klauenseuche.

SVP trägt Entscheid mit

Angesichts der Corona-Krise hatten insbesondere die Parteien auf eine rasche Klärung gedrückt. Denn sie müssen wissen, ob und unter welchen Bedingungen sie ihren Abstimmungskampf führen können – oder diesen vorerst abblasen müssen.

Schon im Vorfeld hat sich die SVP offen für eine allfällige Verschiebung gezeigt: «Entscheidend ist für uns nicht der Abstimmungstermin, sondern der Schutz der Bevölkerung», so Fraktionschef Thomas Aeschi (41, ZG) zu BLICK. Die SVP will den Bundesratsentscheid auf jeden Fall mittragen.

Abstimmungen auch im Zweiten Weltkrieg

SP-Fraktionschef Roger Nordmann (46, VD) hingegen stemmte sich gegen eine Verschiebung. «Selbst im Zweiten Weltkrieg haben wir Abstimmungen durchgeführt. Wir können brieflich abstimmen, daher haben wir keine Probleme mit grossen Menschenansammlungen vor Wahllokalen wie etwa in Frankreich.»

Sein Parteikollege Eric Nussbaumer (59, BL) hält ebenfalls nicht viel von einer Streichung der Mai-Abstimmung: «Wenn eine Demokratie in besonderen und ausserordentlichen Lagen die politischen Rechte gewährt – dann erst ist es eine Demokratie!», twittert er.

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In einer Medienmitteilung zeigt die SP nun zwar Verständnis für die Verschiebung. Aber: «Es ist bedauerlich, dass den Stimmbürgerinnen und Stimmbürger die Möglichkeit genommen wird, auch in Krisenzeiten ihre demokratischen Rechte auszuüben.»

Der Gewerkschaftsbund wiederum meint zum Bundesratsentscheid: «Im Vordergrund steht der Kampf gegen die Pandemie und ihre Folgen, nicht zuletzt aktuell schwierige Situation für die Arbeitnehmenden in der Schweiz.» Für den späteren Abstimmungskampf steht er aber Gewehr bei Fuss.

Sammel-Fristen werden sistiert

Grosse Sorgen machten sich in den letzten Tagen auch jene, die Unterschriften für Initiativen und Referenden gesammelt haben. Die Corona-Krise hat das Unterschriftensammeln massiv erschwert.

Der Bundesrat kommt diesen Bedenken entgegen. So sollen die Sammel- und Behandlungsfristen sistiert. «Damit soll insbesondere dem Umstand Rechnung getragen werden, dass derzeit aufgrund der nötigen Einschränkungen der Versammlungs- und Bewegungsfreiheit kaum mehr Möglichkeiten zur Unterschriftensammlung im öffentlichen Raum bestehen», schreibt der Bundesrat. Damit wird auch die Behandlungsfrist für die Konzernverantwortungs-Initiative verlängert.

Gemeindeversammlungen verschieben

Politische Versammlungen fallen grundsätzlich unter das Veranstaltungsverbot, doch die zuständige kantonale Behörde könnte Ausnahmen vom Veranstaltungsverbot bewilligen. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Ausnahmeregelung so restriktiv wie möglich anzuwenden ist. «Es wird den Kantonen und Gemeinden ausdrücklich empfohlen werden, politische Versammlungen nur in zwingenden Fällen zu bewilligen», schreibt der Bundesrat.

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