Was Schweizer Parteichefs von Schneider-Ammanns EU-Treffen erwarten
Tun Sie endlich was, Herr Juncker!

Es ist die womöglich letzte Chance, um Bewegung in die stockenden Verhandlungen der Schweiz mit der EU in der Zuwanderungsfrage zu bringen. BLICK zeigt, was die Parteipräsidenten von Bundespräsident Schneider-Ammann erwarten.
Publiziert: 18.09.2016 um 23:46 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 18:00 Uhr
Nico Menzato

Heute trifft Johann Schneider-Ammann (64) in Zürich Jean-Claude Juncker (61). Genau eine Stunde hat unser Bundespräsident Zeit, um dem EU-Kommis­sionspräsidenten ein Entgegenkommen abzuringen. Es ist die wohl wichtigste Stunde im Präsidialjahr des FDP-Magistraten.

Was aber soll der FDP-Bundesrat von Juncker einfordern? Hier gehen die Meinungen der Parteipräsidenten weit auseinander. Während für die Linke keine Worte zur Masseneinwanderungs-Initiative mehr nötig sind, verlangt die FDP ein Eingeständnis Junckers, dass ein sanfter Inländervorrang die Bilateralen nicht gefährde. Die SVP verlangt endlich richtige Verhandlungen.

Die gab es bislang nicht. In den zweieinhalb Jahren seit dem Volks-Ja zur SVP-Initiative konnten sich die Schweiz und die EU nicht über eine Umsetzung einigen. Nun läuft die Zeit davon. Am Mittwoch befasst sich der Nationalrat mit dem heiklen Dossier – und wird aller Voraussicht nach den für die EU wohl unproblematischen Inländervorrang light durchwinken. Im Dezember dann ist der Ständerat am Zug. Hier stehen die Zeichen auf Verschärfung. Das Gespräch zwischen Jean-Claude Juncker und Johann Schneider-Ammann könnte Hinweise dazu liefern, ob die EU das mitmachen wird.

Das Treffen zwischen Johann Schneider-Ammann (l.) und Jean-Claude Juncker im Januar in Brüssel brachte keine Fortschritte.
Foto: Geert Vanden Wijngaert

Der Zeitpunkt des Treffens zumindest wäre prädestiniert für grosse Worte: Denn genau vor 70 Jahren, am 19. September 1946, hat Winston Churchill (1874–1965) seine legendäre Rede gehalten: «Let Europe arise!», lasst Europa entstehen, forderte der britische Kriegs-Premier an der Uni Zürich. Diese Worte gelten vielen als Startschuss für das EU-Projekt. Womöglich läuten Juncker und Schneider-Ammann an der Jubiläumsfeier von Churchills Europarede ein neues Kapitel in den bilateralen Beziehungen ein.

Was aber soll der FDP-Bundesrat von Juncker genau einfordern? Hier gehen die Meinungen weit auseinander. Während für die Linke keine Worte zur Masseneinwanderungs-Initiative mehr nötig sind, verlangt die SVP endlich echte Verhandlungen, wie eine BLICK-Umfrage bei den Parteipräsidenten zeigt.

«EU riskiert Kündigung der Personenfreizügigkeit»

Albert Rösti (49, SVP).

 Albert Rösti (49, SVP): «Drei Botschaften an Juncker: Es ist für die EU unwürdig, gegenüber einem souveränen Staat nicht auf Verhandlungen nach dem Volksentscheid zur Steuerung der Zuwanderung einzutreten. Jetzt müssen Verhandlungen stattfinden, sonst riskiert die EU eine Kündigung der Personenfreizügigkeit durch die Schweiz. Das Nicht-EU-Mitglied Schweiz wird, zweitens, niemals eine automatische Anpassung an EU-Recht und fremde Richter akzeptieren. Und drittens: Eine Verknüpfung des EU-Forschungsabkommens mit der Ratifizierung des Kroatienprotokolls kann nicht im Interesse der EU sein, da sie damit auch für sich die Zusammenarbeit mit einer der zehn besten Hochschulen der Welt, der ETH Zürich, erschwert.»

«Keine weiteren Gespräche nötig»

Christian Levrat (46, SP).
Foto: KEY

Christian Levrat (46, SP): «Die Schweiz wird den Verfassungsartikel 121a selbständig und konform mit den bilateralen Verträgen umsetzen. Dafür braucht es keine ausführlichen Gespräche mit der EU mehr. Bundespräsident Schneider-Ammann soll mit Kommissionspräsident Juncker vielmehr über Migration sprechen. Europa braucht eine Reform der Migrationspolitik und die Schweiz ist bereit mitzuarbeiten. Das unwürdige Herumschieben von Kriegsflüchtlingen quer durch Europa muss ein Ende haben. Grenzzäune und Stacheldraht sind Teil des Problems, nicht der Lösung. Europa braucht dringend eine solidarische und gemeinsame Migrationspolitik, und die Schweiz kann und will dazu beitragen.»

«Eingeständnis verlangen, dass Inländervorrang light Bilaterale nicht gefährdet»

Petra Gössi (40, FDP).

Petra Gössi (40, FDP): «Das Schweizervolk sprach sich in den letzten 16 Jahren sechsmal für den bilateralen Weg aus. Entsprechend will die FDP den Erhalt der für die EU und für uns wichtigen Abkommen. Genauso sprach sich das Schweizervolk dafür aus, die Zuwanderung zu senken. Hier soll Schneider-Ammann von der EU ein Entgegenkommen für eine Lösung verlangen und gleichzeitig klarmachen, dass sich die Schweiz mit dem Vorschlag der staatspolitischen Kommission des Nationalrates von allen Gegenforderungen der EU befreit hat. Das stärkt unser Land und ist von der EU zu respektieren. Auch muss Schneider-Amman von Juncker das Eingeständnis verlangen, dass dieser Vorschlag die bilateralen Verträge in keiner Art und Weise gefährdet.»

 «Sorgen der Bevölkerung ernster nehmen»

Gerhard Pfister (53, CVP)

Gerhard Pfister (53, CVP): «Schneider-Ammann soll Juncker mitteilen, dass in der Schweiz Volksentscheide umzusetzen sind. Die Schweiz will die Migration begrenzen, wo sie Probleme verursacht. Sie will dabei das gesamtwirtschaftliche Interesse berücksichtigen. Die Schweiz will das gute Verhältnis zur EU erhalten, ohne der EU beitreten zu wollen. Zudem könnte unser Bundesrat Juncker den freundschaftlichen Rat geben, dass die EU die Sorgen der Bevölkerung ernster nimmt als bisher, sonst wird die EU auseinanderfallen. Die EU muss föderalistischer, bürgernäher und weniger bürokratisch werden. Nur so wird Europa weiterhin eine gute Zukunft haben. Die Schweiz bleibt ein freies Land mit guten Beziehungen zu seinen europäischen Nachbarn.» 

«Es geht ohne Gefährdung der Bilateralen»

Regula Rytz (54, Grüne).
Foto: Blick

Regula Rytz (54, Grüne): «Wenn die CVP nicht kippt, dann kann die Schweiz die Ziele der Zuwanderungsinitiative eigenständig umsetzen. Sie wird mehr inländische Fachkräfte ausbilden und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern. Für wirtschaftliche Krisen führen wir einen „Arbeitslosenvorrang“ ein. Weil dies alles ohne Gefährdung der bilateralen Verträge geht, können Schneider-Amman und Juncker ihre ganze Kraft in eine humanitäre Lösung für die europäische Flüchtlingskrise stecken. Sie sollen nicht länger die Flüchtlinge, sondern die Fluchtursachen bekämpfen. Schneider-Ammann muss zudem betonen, wie wichtig die Forschungs-, Kultur- und Jugendaustauschprogramme zwischen der Schweiz und der EU für beide Seiten sind.»

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