Walliser Grünen-Präsidentin zum Wolfsabschuss im Wallis
«Die Fronten verhärten sich wieder»

Fast nirgendwo polarisiert der Wolf so sehr, wie im Wallis. Während die Regierung und die Landwirtschaft die neuen Abschlusspläne des Bundesrats begrüssen, üben die Grünen Kritik.
Publiziert: 05.11.2023 um 08:57 Uhr
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Aktualisiert: 02.12.2023 um 21:13 Uhr
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Sara BelgeriRedaktorin

Dass künftig in den Kantonen Wallis, Bern, Freiburg und Waadt insgesamt nur drei Wolfsrudel leben dürfen, findet Brigitte Wolf (56) «willkürlich». Die Co-Präsidentin der Walliser Grünen befürchtet, dass es in ihrem Kanton bald lediglich ein Rudel geben wird.

Mit gutem Grund: Diese Woche legte Bundesrat Albert Rösti (56) einen Entwurf zur neuen Jagdverordnung vor. Nach dem Willen des Umweltministers soll der Wolfsbestand bis zu 70 Prozent reduziert werden – von schweizweit rund 30 auf zwölf Rudel. Die Verordnung soll bereits Anfang Dezember in Kraft treten.

Die Wolfspopulation ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Innerhalb von drei Jahren hat sie sich verdreifacht: Lebten 2020 noch rund 100 Wölfe in der Schweiz, sind es heute etwa 300.

Die Wolfspopulation in der Schweiz ist in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen.
Foto: KEYSTONE/GRUPPE WOLF SCHWEIZ GWS
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Von dieser Entwicklung sind vor allem Bergkantone betroffen. So auch der Kanton Wallis. Dort wurde 2016 das erste Rudel nachgewiesen, letztes Jahr waren es bereits acht. Mit der Zahl der Wölfe ist auch die Zahl der gemeldeten Risse von Nutztieren gestiegen: 2019 waren es 205, im letzten Jahr mehr als doppelt so viele.

Gemachte Meinungen im Wallis

Der Wolf hat sich in der Schweiz wieder ausgebreitet. Und nirgendwo anders polarisiert er so stark wie im Wallis. Während die Stimmbevölkerung das revidierte Jagdgesetz 2020 mit 51,9 Prozent ablehnte, sagten die Kantonsbürger mit 68,9 Prozent Ja. 2021 lancierte das Wallis eine Initiative, die eine Lockerung der Abschussbestimmungen für Grossraubtiere forderte. Auch die wurde mit 62,5 Prozent deutlich angenommen.

Daher überrascht es nicht, dass der zuständige Staatsrat Frédéric Favre (44) den Entscheid des Bundesrats «ausdrücklich begrüsst». Auf Anfrage von SonntagsBlick erklärt der Vorsteher des Departements für Sicherheit, Institutionen und Sport: «Es ist dringend notwendig, den Sicherheitsdruck für Bürgerinnen und Bürger, Touristinnen und Touristen und vor allem für Züchterinnen und Züchter, Nutz- sowie Wildtiere, rasch und effizient senken zu können.»

Immer wieder wurden Walliser Wölfe in der Vergangenheit zum Abschuss freigegeben. Allerdings nicht, ohne zuvor Schaden angerichtet zu haben. Neu sollen Wölfe präventiv geschossen werden dürfen – was Brigitte Wolf für völlig unverständlich hält: «Die Grünen Wallis haben den Abschuss von schadenstiftenden Wölfen immer befürwortet, aber sicher nicht den von ganzen Rudeln, ohne dass diese auffällig waren.»

Die Co-Präsidentin der Grünen gibt zu bedenken, dass es trotz der neuen Verordnung weiterhin Wölfe im Wallis geben wird. «Weniger Wölfe bedeuten nicht unbedingt weniger Schäden», so Wolf. Einzelwölfe würden eher umherwandern und Nutztiere reissen. «Rudel sind besser einschätzbar und haben ihr Territorium», so die Grüne. «Mit Einzelwölfen haben wir mehr Probleme als mit Rudeln.»

Anpassungen überfällig

Ganz anders sieht dies Georges Schnydrig, Co-Präsident des Vereins Schweiz zum Schutz der ländlichen Lebensräume vor Grossraubtieren. Er setzt sich seit Jahren für eine härtere Gangart beim Thema Grossraubtiere ein, also unter anderem gegenüber Wölfen. Der Entscheid des Bundesamts für Umwelt stimmt ihn positiv.

Die Wolfspopulation sei zuletzt ungebremst gewachsen, die Schäden hätten in den letzten Jahren massiv zugenommen, so Schnydrig: «Es war höchste Zeit, dass man jetzt die Anpassungen im Jagdgesetz vorgenommen hat.»

Der ehemalige CSPO-Grossrat züchtet selbst Schafe – er weiss aus eigener Erfahrung, welchen Schaden ein Wolf anrichten kann. «Es ist grauenhaft», sagt Schnydrig. «Man lebt in täglicher Anspannung und weiss nie, was einen erwartet.» Das Argument der Grünen-Co-Präsidentin will er nicht gelten lassen, denn es sei gesetzlich festgelegt, dass schadenstiftende Wölfe geschossen werden dürfen. «Ich habe totales Unverständnis dafür, wenn etwas hineininterpretiert wird, was das Gesetz klar definiert.» Es müsse im Interesse aller sein, schadenstiftende Wölfe zu regulieren.

Die neue Jagdverordnung soll nächstes Jahr in die Vernehmlassung. Schnydrigs Verein wird sich für Nulltoleranz gegenüber Grosstieren in Siedlungsgebieten einsetzen. Ausserdem sollen schadenstiftende Wölfe bei Angriffen auf Nutztierherden gezielt erlegt werden dürfen. «Wir werden zudem landwirtschaftliche Zonen frei von Wölfen fordern», so Schnydrig.

Wolf besorgt

Die Walliser Grünen hoffen derweil darauf, dass der Kanton die neue Verordnung massvoll umsetzt. «Momentan sieht es jedoch nicht danach aus», sagt Wolf. Damit spielt sie auf ein Formular der Dienststelle für Jagd, Fischerei und Wildtiere an, das bereits unter Jägern kursiert. In dem Vordruck lässt sich ankreuzen, welches Rudel die Jäger schiessen möchten.

Wolf befürchtet, dass frühere Erfolge durch das neue Verfahren zunichtegemacht werden. Früher hätten die Umweltverbände bei nahezu jedem Wolfsabschuss Einsprache erhoben. «In den letzten Jahren haben sich die Landwirte und Umweltverbände aber angenähert.»

Aufgrund der revidierten Bestimmungen würden Einsprachen erneut zunehmen, vermutet Wolf. «Mit dieser Verordnung verhärten sich die Fronten wieder.»

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