Viele neue Regeln bei den Sozialversicherungen
Was sich 2024 bei AHV, PK und Krankenkasse ändert

2024 stehen allerlei Änderungen ins Haus. Das trifft auch die Sozialversicherungen. Blick erklärt die wichtigsten Anpassungen bei AHV, Pensionskassen und Krankenversicherung.
Publiziert: 29.12.2023 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 29.12.2023 um 09:29 Uhr
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Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

Soziale Sicherheit ist der Schweizer Bevölkerung ein teures Gut, was sich in der grossen Bedeutung der Sozialversicherungen zeigt. Denn für den Notfall sind die Leute gerne gewappnet. 2024 stehen bei den Sozialwerken aber allerlei Änderungen ins Haus. Blick erklärt die wichtigsten Anpassungen bei AHV, Pensionskassen oder Krankenversicherung.

AHV wird flexibler

Im September 2022 machten viele Frauen lange Gesichter: Eine Männermehrheit setzte sich gegen die Frauen durch und verhalf der AHV-Reform an der Urne zum Erfolg. Frauen müssen damit künftig bis 65 arbeiten. Zwar tritt die AHV-Reform 2024 in Kraft, doch beim höheren Frauenrentenalter gilt noch eine Gnadenfrist: Dieses steigt erst ab 2025 schrittweise jährlich um drei Monate an, ab 2028 gilt Rentenalter 65 für alle. 

Doch schon auf 2024 bringt die Reform viele Neuerungen: So kann die Altersrente nun zwischen 63 und 70 Jahren flexibel und schrittweise bezogen werden – sogar monatsweise. Wer vor 65 in Pension geht, dem wird die Rente um 6,8 Prozent pro Jahr gekürzt. Wer den Bezug aufschiebt, bekommt je nach Dauer des Aufschubs eine um 5,2 bis 31,5 Prozent höhere Rente. Ausnahme: Für die Frauen der Übergangsgeneration – also der Jahrgänge 1961 bis 1969 – ist der Vorbezug weiterhin ab 62 möglich, und die Kürzungssätze sind tiefer. 

Die AHV-Reform tritt in Kraft, womit eine stärkere Felxibilisierung verbunden ist.
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Neu werden auch Teilrenten zwischen 20 und 80 Prozent möglich. Das heisst: Man kann beispielsweise 50 Prozent weiterarbeiten und vorübergehend nur eine halbe Rente beziehen. Das erleichtert den Übergang vom Arbeitsleben in die Pension.

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Wer über das Referenzalter hinaus arbeitet, kann neu wählen, ob er AHV-Beiträge auf dem gesamten Einkommen AHV-Beiträge zahlen oder einen Freibetrag nutzen will. Dieser liegt bei 1400 Franken. Und wer Beitragslücken hat oder noch keine Maximalrente bezieht, kann sich einmalig die Beitragszeiten und Einkommen, die er bis zu 5 Jahren nach dem Referenzalter erzielt, anrechnen lassen. Allerdings ist dies nur möglich, wenn man mit der Arbeit mindestens 40 Prozent des früheren Durchschnitts-Jahreseinkommens verdient.

Weitere Änderungen in der AHV: Die Wartezeit für den Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung sinkt von einem Jahr auf sechs Monate. Zudem wird der Anspruch auf eine orthopädische Schuhversorgung ausgebaut. So leistet die AHV neu einen jährlichen Kostenbeitrag anstatt nur alle zwei Jahre.

Mehrwertsteuer-Zustupf für die AHV

Mit dem Inkrafttreten der Reform wird auch die Mehrwertsteuer zugunsten der AHV erhöht. Und zwar unbefristet. Der Normalsatz steigt um 0,4 Prozent – von heute 7,7 auf 8,1 Prozent. Der reduzierte Satz – etwa für Lebensmittel oder Bücher – steigt um 0,1 auf 2,6 Prozent. Ebenso stark der Hotellerie-Sondersatz auf 3,8 Prozent. Pro Jahr fliessen damit rund 1,5 Milliarden Franken jährlich zusätzlich in die AHV-Kasse.

Mehr Zins auf Pensionskassengeld

Pensionskassengelder sollen mehr abwerfen. Per 2024 steigt der Mindestzins auf Altersguthaben in der beruflichen Vorsorge (BVG) leicht von 1 auf neu 1,25 Prozent. Das hat der Bundesrat entschieden. 

Mit dem Satz wird bestimmt, wie hoch das Vorsorgeguthaben der Versicherten im BVG-Obligatorium mindestens verzinst werden muss. Entscheidend für seine Höhe ist die Entwicklung der Rendite der Bundesobligationen sowie zusätzlich der Aktien, Anleihen und Liegenschaften.

Der Gewerkschaftsbund hatte aufgrund der Teuerung eine Erhöhung auf zwei Prozent gefordert. Denn die höheren Zinsgutschriften werden von der Inflation gleich wieder aufgefressen. In den letzten drei Jahren haben die Altersguthaben real an Wert verloren.

Höherer Selbstbehalt bei Nicht-Generika

In der obligatorischen Krankenversicherung (KVG) treten neue Bestimmungen in Kraft, die den Kostenanstieg im Gesundheitswesen dämpfen sollen. Dazu zählen etwa ein Kostenmonitoring für Ärzte und Spitäler sowie Krankenkassen und ein Beschwerderecht für Krankenkassenverbände bei der kantonalen Spitalplanung. Unter anderem müssen Leistungserbringer und Versicherer neu die Kosten überwachen und falls nötig Gegensteuer geben, etwa mittels Tarifverkürzungen oder Rückvergütungen.

Daneben will der Bundesrat mit Generika-Förderung 250 Millionen Franken sparen. Normalerweise gilt bei Arzneimitteln ein Selbstbehalt von zehn Prozent. Doch gibt es eine günstigere Generika-Alternative und die Patienten entscheiden sich trotzdem für ein teureres Originalpräparat, steigt der Selbstbehalt in diesen Fällen von bisher 20 auf neu 40 Prozent. 

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Eine weitere KVG-Anpassung zielt auf den Schuldenabbau von Minderjährigen: Diese können nicht mehr betrieben werden, weil ihre Eltern die Krankenkassenprämien nicht bezahlt haben.

Neu übernimmt die obligatorische Grundversicherung die Kosten für die vorsorgliche Brust- und Eierstockentfernung bei bestimmten Hochrisikogenen. Damit will der Bund die Vorbeugung von Brust- und Eierstockkrebs bei Frauen mit besonderen Risiken verbessern. Bisher wurden beide Eingriffe nur bei Vorliegen von zwei spezifischen Genmutationen vergütet.

Mehr Assistenzhunde in der IV

In der Invalidenversicherung (IV) bestimmt der sogenannte Invaliditätsgrad die Höhe einer IV-Rente. Um den IV-Grad zu bemessen, wird das effektive Einkommen vor und nach der Invalidität verglichen. Bei IV-Betroffenen ohne Einkommen wird aufgrund statistischer Lohntabellen ein hypothetisches Einkommen angenommen, das sie erzielen könnten. Diese Tabellenlöhne werden nun aber pauschal um zehn Prozent reduziert, da die Einkommen von Handicapierten in der Realität meist tiefer liegen. Damit steigt der IV-Grad – und damit die Rente. Ab 2024 wird die neue Berechnung bei allen Neurenten angewendet, laufende Renten werden innert dreier Jahre überprüft.

Neu finanziert die IV Autismusbegleithunde für Kinder bis zum neunten Lebensjahr und Epilepsiewarnhunde für Kinder und Erwachsene. Zudem besteht ein Anspruch auf Assistenzhunde bei einer Mobilitätsbehinderung neu bereits ab einem Alter von 16 Jahren statt wie bisher ab 18.

Hinterbliebenen-Urlaub von 16 Wochen

Der Tod eines Elternteils unmittelbar nach der Geburt ist für die betroffene Familie ein Schicksalsschlag. Mit einer Anpassung der Erwerbsersatzordnung trägt der Bund dieser Situation Rechnung. So hat der überlebende Elternteil neu Anspruch auf einen längeren Mutterschafts- beziehungsweise Vaterschaftsurlaub.

Stirbt eine Mutter innerhalb von 14 Wochen nach der Geburt, wird dem Vater des Kindes beziehungsweise der Ehefrau der Mutter ein 14-wöchiger Urlaub gewährt – zusätzlich zu den bereits bestehenden zwei Wochen Urlaub für den anderen Elternteil. Parallel dazu hat die Mutter im Falle des Todes des Vaters beziehungsweise der Ehefrau innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt des Kindes Anspruch auf einen zweiwöchigen Urlaub. Der Hinterbliebenen-Urlaub beträgt damit 16 Wochen.

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