Verkehrs-Direktor kritisiert ÖV-Branche harsch
«SBB gehen mit schlechtem Beispiel voran»

Für die steigenden ÖV-Tarife auf den Fahrplanwechsel ist laut Verkehrs-Direktor Peter Füglistaler nicht das Bundesamt für Verkehr verantwortlich: Wegen Teuerung und Subventionskürzungen durch den Bundesrat sei eine Tariferhöhung nötig.
Publiziert: 20.10.2023 um 09:55 Uhr

Bahnfahren in der Schweiz wird ab kommenden Dezember wieder teurer. Der SonntagsBlick hatte vergangene Woche publik gemacht, dass Peter Füglistaler (64), Direktor des Bundesamts für Verkehr (BAV), die ÖV-Unternehmen zu Tariferhöhungen verpflichtet hatte

Jetzt rechtfertigt sich der BAV-Chef in einem am Freitag veröffentlichten Interview in den Tamedia-Titeln: «Es gab ÖV-Unternehmen, die nur eine moderate oder keine Erhöhung wollten», sagte Füglistaler. «Deshalb haben wir interveniert und gesagt: Ohne eine spürbare Erhöhung lässt sich das ÖV-System 2024 nicht mehr finanzieren.»

Für den BAV-Direktor ist die Preiserhöhung auf den 10. Dezember vertretbar – auch wenn sie zeitgleich mit massiv höheren Gesundheitskosten stattfinde und den Klimazielen zuwiderlaufe. Der Preisanstieg liege bei unter vier Prozent und die letzte Tariferhöhung habe 2016 stattgefunden, so Füglistaler. «Nutzerinnen und Nutzer müssen sich angemessen an den ÖV-Kosten beteiligen.»

Für die steigenden ÖV-Tarife auf den Fahrplanwechsel ist laut Verkehrs-Direktor Peter Füglistaler nicht das Bundesamt für Verkehr (BAV) verantwortlich: Wegen Teuerung und Subventionskürzungen durch den Bundesrat sei eine Tariferhöhung nötig. (Archivbild)
Foto: ANTHONY ANEX

«Subventionsforderungen seit Corona nun Normalzustand»

Ein derartiges Einschreiten des BAV war bisher einmalig: «Es ist das erste Mal, dass wir die Unternehmen so deutlich daran erinnern mussten, dass sie beim Festlegen der Tarife eine unternehmerische Verantwortung haben», sagte Füglistaler. Den Grund: die Corona-Pandemie: «Corona war ein Gamechanger. Der Bund hat dem öffentlichen Verkehr die gesamten pandemiebedingten Ausfälle finanziert, was ein riesiger Kraftakt war. Seither glauben die ÖV-Unternehmen, das sei nun der Normalzustand.»

Subventionen setzten aber voraus, dass die Unternehmen ihr Möglichstes täten, um die Kosten tief zu halten, so Füglistaler. «Sie müssen effizient produzieren und möglichst viele Erträge erwirtschaften. Tun sie das nicht, wird der gesamte Kostenanstieg auf die Steuerzahlenden abgewälzt. Auf Dauer gefährdet das unser System der ÖV-Finanzierung.»

«Bewusstsein für Selbstverantwortung fehlt»

Vielen Transportunternehmen seien sich nicht mehr bewusst, dass sie keinen Rechtsanspruch auf Subventionen hätten, so der BAV-Direktor. Es fehle das Bewusstsein, dass sie selbst Verantwortung übernehmen müssten. «Sie sind verpflichtet, haushälterisch mit Steuergeldern umzugehen. Stattdessen ist das Fordern von immer mehr Subventionen Teil der DNA der ÖV-Branche geworden. Und leider gehen die SBB als grösstes und staatseigenes Unternehmen mit schlechtem Beispiel voran.»

Die SBB forderten in den Verhandlungen mit dem BAV stets sehr viele Mittel, so Füglistaler. «Wir kürzen diesen Wunschkatalog zurecht – und am Ende der Leistungsperiode stellen wir fest, dass trotzdem nicht alles Geld gebraucht wurde.»

«Immer nur das Beste gut genug»

Füglistaler kritisierte im Interview auch das Marktverhalten der ÖV-Unternehmen: «In der Schweiz ist immer nur das Beste gut genug. Low-Cost-Anbietern lassen wir keine Chance.» So wäre etwa Flixtrain mit seinen günstigen Tarifen etwa für Junge interessant. «Doch einfach und günstig wird in der Schweiz aktiv bekämpft», so Füglistaler.

Auch im europäischen Ausland könnten die SBB neue Märkte erschliessen. «Nach Jahren der geschlossenen Märkte findet erstmals eine Öffnung des europäischen Schienenmarkts statt», sagte der BAV-Direktor. «Die Karten unter den Bahnunternehmen werden neu gemischt – und was machen die SBB? Sie bleiben zu Hause und konzentrieren sich auf den Heimmarkt.» (oco/SDA)

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