Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Verteidiger von Ousman Sonko verlangt Freispruch

Der Anwalt des gambischen Ex-Innenministers Ousman Sonko fordert vor dem Bundesstrafgericht einen Freispruch für seinen Mandanten. Es habe kein ausgedehnter und systematischer Angriff auf die gambische Zivilbevölkerung gegeben, so die Begründung.
Publiziert: 06.03.2024 um 19:48 Uhr
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Aktualisiert: 07.03.2024 um 13:56 Uhr

Der Verteidiger des gambischen Ex-Innenministers Ousman Sonko (54) hat einen Freispruch für seinen Mandanten gefordert. Laut ihm fand im Zeitraum von 2000 bis 2016 kein ausgedehnter und systematischer Angriff auf die gambische Zivilbevölkerung statt. Bei den angeklagten Taten handle es sich um Einzeltaten, für die sein Mandant nicht verantwortlich sei.

Der Anwalt verwies zur Untermauerung seiner Sicht zur allgemeinen politischen Situation im Tatzeitraum auf Asyl-Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts von Personen aus Gambia. Das Bundesverwaltungsgericht halte darin jeweils fest, dass im kleinen westafrikanischen Land kein Krieg oder Bürgerkrieg geführt werde und keine Situation von allgemeiner Gewalt vorherrsche.

Der Verteidiger zitierte in seinem Plädoyer aus einem 2009 gefällten Urteil, in dem Gambia vom Bundesverwaltungsgericht als Tourismus-Paradies bezeichnet wird, an dessen Küste sich Luxushotels und Feriendörfer befänden. Der Anwalt wies zudem darauf hin, dass das Staatssekretariat für Migration (SEM) während der ganzen Zeit Lageanalysen durchgeführt habe, um die Zulässigkeit von Rückführungen von abgewiesenen Asylbewerbern zu gewährleisten.

Vor dem Bundesstrafgericht wird derzeit über das Schicksal des ehemaligen gambischen Innenministers Ousman Sonko verhandelt.

«Keine Verbrechen gegen die Menschlichkeit»

Weil laut dem Anwalt die Voraussetzung des systematischen Angriffs auf die Zivilbevölkerung nicht erfüllt ist, können auch keine Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorliegen. Einzelne Straftaten müssten deshalb gemäss dem gewöhnlichen Strafrecht untersucht werden. Wie der Verteidiger aufzeigte, sind in diesem Fall die Taten verjährt oder er erachtete eine Beteiligung Sonkos als nicht bewiesen.

Insgesamt 13 Opfer in einer Zeitspanne von 16 Jahren zähle die Bundesanwaltschaft (BA) auf. Es mangle an einer Verbindung zwischen diesen sich in fünf Themenkomplexe aufteilenden Fällen. Die Tötung eines Militärangehörigen im Jahr 2000, der ein Vertrauter des damaligen Präsidenten Yayah Jammeh (58) war, erklärte der Anwalt damit, dass sich dieser seiner Festnahme habe entziehen wollen. Der Mann sei verdächtigt worden, sich an einem Putschversuch beteiligt zu haben.

Dessen Ehefrau wurde laut Anklage in der Folge unzählige Male von Sonko vergewaltigt und unrechtmässig festgehalten. Die Frau habe verschiedene Gründe gehabt, die Unwahrheit zu sagen, führte der Verteidiger aus. Das Scheitern des Putsches ihres Mannes habe ihr die Möglichkeit genommen, die First Lady des Landes zu werden, was sie sich im Falle eines Erfolges vielleicht gewünscht habe.

Verhaftungen von Oppositionellen «zulässig gewesen»

Zu den Verhaftungen der späteren Folteropfer nach einem Putschversuch 2006 und einer Demonstration 2016 bekräftigte der Anwalt, dass die Festnahmen zulässig gewesen seien. In jedem Land würde eine Untersuchung nach einem Putschversuch durchgeführt.

Und auch die Verhaftungen bei einer Demonstration von Oppositionellen im Jahr 2016 seien als solche zulässig gewesen. Zum einen hätten die Organisatoren keine Bewilligung eingeholt. Und es habe sich weniger um eine friedliche Demonstration, als um einen Aufstand gehandelt.

Völlig inakzeptabel sei, dass die Verhafteten von Mitgliedern der paramilitärischen Einheit Junglers gefoltert worden seien. Die Befragungen der Verhafteten hätten beim Geheimdienst stattgefunden, und Sonko habe diesem und den Junglers gegenüber keinerlei Befehlsgewalt inne gehabt.

Bundesanwaltschaft fordert lebenslängliche Freiheitsstrafe

Und auch auf die Haftbedingungen der Betroffenen habe Sonko keinen Einfluss gehabt. Der Sicherheitstrakt des Gefängnisses Mile 2 in der Hauptstadt Banjul habe unter der Ägide des Militärs gestanden und damit unter dem Präsidenten Jammeh.

Die Bundesanwaltschaft hat Sonko wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt und fordert eine lebenslängliche Freiheitsstrafe. Nach seiner Entlassung als Innenminister im September 2016 flüchtete Sonko in die Schweiz, wo er ein Asylgesuch stellte.

Für die seit dem 25. Januar 2017 in Haft verbrachte Zeit verlangt er eine Entschädigung von 200 Franken pro Tag – total 519'000 Franken. Zudem will Sonko für die unter mutmasslich rechtswidrigen Bedingungen verbrachten Hafttage mit rund 290'000 Franken entschädigt werden. Für einen laut dem Anwalt vollständigen Nahrungsentzug während 33 Stunden im Februar 2020 verlangt Sonko zudem eine Entschädigung von zusätzlichen 10'000 Franken. (SDA/oco)

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