«Unwürdiges Schwarzpeter-Spiel» – «Auf keinen Fall nachgeben»
Nach Gössi-Ultimatum an Gewerkschaften gifteln SP und CVP

Petra Gössi will beim Rahmenabkommen vorwärtsmachen und stellt den Gewerkschaften ein Ultimatum. Damit sticht die FDP-Chefin in ein Wespennest, wie die Reaktionen zeigen.
Publiziert: 11.02.2020 um 16:49 Uhr
FDP-Chefin Petra Gössi macht Druck in Sachen Rahmenabkommen. «Der Bundesrat muss den Sozialpartnern ein Ultimatum setzen», fordert sie.
Foto: KARL-HEINZ HUG
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Sermîn Faki

Petra Gössi (44) hat genug: Die FDP-Präsidentin findet, die Schweiz müsse beim Rahmenabkommen vorwärtsmachen. Insbesondere bei der ungeklärten Frage des Lohnschutzes aber geht seit Monaten nichts. Gössi stellt den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden darum ein Ultimatum. «Spätestens Ende April müssen die Sozialpartner dem Bundesrat ihren Vorschlag präsentieren», sagte sie gegenüber BLICK.

Und sticht damit in ein Wespennest. Schon am frühen Dienstagmorgen machte SP-Chef Christian Levrat (49) seinem Ärger Luft, «Dreister geht es nicht», twitterte der Freiburger Ständerat. Obwohl die FDP den Rentenkompromiss der Sozialpartner und auch die Überbrückungsrente torpediere, spiele Gössi ein «unwürdiges, durchsichtiges und gefährliches Schwarzpeterspiel», so der oberste Genosse.

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Auch CVP-Pfister kritisiert die FDP-Chefin

Und auch CVP-Präsident Gerhard Pfister (57) nervt sich über Gössi. «EU und FDP setzen Ultimaten. Beiden darf man keinesfalls nachgeben», schreibt er. Und: «Ungeschickter kann es die FDP nicht mehr machen.»

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Was Pfister meint: Eigentlich hatte man sich in Bern stillschweigend darauf geeinigt, bis zur Abstimmung über die SVP-Kündigungs-Initiative am 17. Mai nichts zum Rahmenabkommen zu sagen. Um der SVP nicht noch Munition für ihr Begehren in die Hand zu geben.

Gössi kontert die Angriffe

Nur kommt dieser Plan unter Druck, seitdem Brüssel der Schweiz klargemacht hat, dass man schnell konkrete Vorschläge von der Schweiz erwartet, wie sie das Rahmenabkommen unter Dach und Fach bringen will. Denn die Schweiz war es, die in drei Bereichen «Klärungen» verlangt hat. Legt die Schweiz bis zum 26. Mai nichts auf den Tisch, droht die EU damit, die Anerkennung von Medizinprodukten nicht mehr zu gewährleisten. Die Medizinaltechnik-Branche könnte dann nicht mehr so einfach in die EU exportieren.

Das sind die Knackpunkte beim Rahmenabkommen

Der Bundesrat ist grundsätzlich einverstanden mit dem Rahmenabkommen. In drei Bereichen aber verlangt er Nachbesserungen:

  • Lohnschutz: Brüssel will, dass die Schweiz den EU-Lohnschutz übernimmt. Gewerkschaften, aber auch die Arbeitgeber sind grundsätzlich dagegen. Sie fürchten um das Schweizer Lohnniveau.
  • Staatliche Beihilfen: Im EU-Raum sind staatliche Beihilfen wie Subventionen und Steuererleichterungen verboten, wenn sie den Wettbewerb verfälschen. Für die Schweiz ein Problem: Das könnte etwa auch die Wasserkraft umfassen, die von den Kantonen gefördert wird.
  • Unionsbürgerrichtlinie: Müsste die Schweiz sie übernehmen, könnten EU-Bürger in der Schweiz schneller an Sozialhilfe gelangen. Dagegen gibt es breiten Widerstand.

Der Bundesrat ist grundsätzlich einverstanden mit dem Rahmenabkommen. In drei Bereichen aber verlangt er Nachbesserungen:

  • Lohnschutz: Brüssel will, dass die Schweiz den EU-Lohnschutz übernimmt. Gewerkschaften, aber auch die Arbeitgeber sind grundsätzlich dagegen. Sie fürchten um das Schweizer Lohnniveau.
  • Staatliche Beihilfen: Im EU-Raum sind staatliche Beihilfen wie Subventionen und Steuererleichterungen verboten, wenn sie den Wettbewerb verfälschen. Für die Schweiz ein Problem: Das könnte etwa auch die Wasserkraft umfassen, die von den Kantonen gefördert wird.
  • Unionsbürgerrichtlinie: Müsste die Schweiz sie übernehmen, könnten EU-Bürger in der Schweiz schneller an Sozialhilfe gelangen. Dagegen gibt es breiten Widerstand.
Für den Bundesrat braucht es drei Klarstellungen, bevor er Ja zum Rahmenabkommen sagt. Bild: Keystone
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Gössi kontert die Angriffe ihrer Amtskollegen denn auch. «Seit Monaten geht beim Rahmenabkommen nichts», schreibt sie auf Twitter. «Verantwortung für unser Land übernehmen, sieht anders aus.»

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«Wir leisten Knochenarbeit»

Die Sozialpartner lassen sich von Gössi dennoch nicht unter Druck setzen. So sagt Travailsuisse-Präsident Adrian Wüthrich (39), der mit am Verhandlungstisch sitzt: «Wir brauchen eine gute Lösung, die vor dem ganzen Volk Bestand hat und nicht nur der Medtech-Branche nützt.»

Dass aus den Gesprächen der Verhandlungspartner keinerlei Signale an die Öffentlichkeit dringen, sei ein «gutes Zeichen». Dennoch solle sich niemand der Vorstellung hingeben, es gebe eine einfache und schnelle Lösung. «Den Lohnschutz so zu garantieren, dass das Rahmenabkommen möglich wird, ist Knochenarbeit. Diese leisten die Sozialpartner, keine Sorge.»

Wüthrich verweist darauf, dass sich Travailsuisse engagiert für den bilateralen Weg einsetze. Unter anderem mit einer «für unsere Verhältnisse grossen Nein-Kampagne zur Begrenzungs-Initiative».

Die Annahme der Masseneinwanderungs-Initiative stecke der Gewerkschaft immer noch in den Knochen, so Wüthrich. Auch als Lehre daraus habe der Bundesrat mit den Sozialpartnern diverse Massnahmen für den Arbeitsmarkt beschlossen. Und dann spielt Wüthrich den Ball zurück an die FDP-Präsidentin: «Frau Gössi tut deshalb gut daran, die Überbrückungsrente wie vom Bundesrat vorgeschlagen zu unterstützen.» Mit dieser Rente sollen ältere Arbeitslose Überbrückungsleistungen erhalten, anstatt in der Sozialhilfe zu landen. Im Ständerat kam Kritik an dem Vorhaben auf – ausgerechnet FDP-Ständerat Ruedi Noser (58) zerzauste mit einer bürgerlichen Mehrheit den Deal.

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