Unter alt Bundesrat Moritz Leuenberger wurde die Post liberalisiert
«Service public und Gewinn sind ein Widerspruch»

Moritz Leuenberger (71) hatte das Uvek zum Monsterdepartement ausgebaut und die Post liberalisiert. Heute sieht er manches auch kritisch.
Publiziert: 18.02.2018 um 11:10 Uhr
|
Aktualisiert: 12.09.2018 um 19:40 Uhr
Reza Rafi

SonntagsBlick: Hat Urs Schwaller Sie schon kontaktiert?
Moritz Leuenberger:
Nein. Weshalb?

Sie standen bis 2010 dem ­Infrastrukturdepartement Uvek vor. Der Postpräsident will die Postauto-Verfehlungen von 2007 an untersuchen lassen. Das betrifft auch Ihre Amtszeit.
Ich habe aus den Medien erfahren, dass die Verfehlungen in meine Zeit zurückgehen sollen. Ich weiss davon gar nichts.

Ihre Reaktion auf die Vorwürfe?
Vorwürfe hörte ich nicht. Es wissen ja alle: Die Postauto AG ist ein selbständiger Betrieb. Da kann der Bundesrat gar nicht die Buchhaltung kontrollieren. Diese Verantwortung wurde an den Verwaltungsrat ausgegliedert.

Ex-Verkehrsminister Leuenberger: «Benedikt Weibel wäre mit seinem Lohn zufrieden gewesen.»
Foto: Keystone
1/4

Sie stiessen die Liberalisierung an. New Public Management war das Modewort der Neunziger.
Mode ist kein schlechter Ausdruck. Damals war die Liberalisierung praktisch unbestritten. Konkurrenz sollte zugelassen werden. Post, SBB und Swisscom wollten das selber, denn sie wollten ins Ausland expandieren. Dazu wollte man die Betriebe nicht mehr durch einen politischen Filz verwaltet, sondern nach unternehmerischen Kriterien geführt haben. Vorher waren die Verwaltungsräte nach Parteienproporz zusammengesetzt.

Heute hat die Post Bereiche mit Gewinnzielen und andere mit Profitverbot. Und Staatsbetriebe konkurrenzieren Private. Das kann es ja nicht sein.
Service public ist eine Dienstleistung, die der freie Markt nicht erbringt, die aber im öffentlichen Interesse geleistet werden muss. Von daher sind Service public und Gewinn ein Widerspruch. Sobald ein Gewinn möglich ist, könnte auch eine Privatfirma mitbieten. Aber die Liberalisierung war nötig: Stellen Sie sich vor, die Swisscom wäre eine Verwaltungsabteilung des Bundes. Dann hätten wir noch heute gar keine Handys.

Sie bauten das Uvek massiv aus. Heute hat die Bahn Probleme mit der Beschaffung von Zügen, die Swisscom mit Datensicherheit. Ist das Departement in seiner Grösse noch zeitgemäss?
Ich wollte das so und ich bin froh darüber: So haben wir ein Nachhaltigkeitsdepartement geschaffen, in dem Umwelt und Infrastruktur unter einem Dach sind. Viele Länder haben uns darum beneidet. Unsere Infrastrukturpolitik ist sehr nachhaltig. Bei der Post habe ich zum Beispiel auf Elektromobilität gedrängt.

Bloss sind in einem Monsterdepartement die Kontrollmöglichkeiten geringer.
Alles eine Organisationsfrage! Die jetzigen Schwierigkeiten haben mit der Grösse des Departements nichts zu tun. Auch in einer kleineren Einheit könnte ein Bundesrat nicht besser kontrollieren. Die Departementsvorsteherin macht die Kontrollen ja nicht selber. Bei der Post wurde die KPMG engagiert, die zehn Jahre lang nichts gefunden hat. Diese Buchprüfer arbeiten für satte Hono­rare.

Die Post vermietet Velos, ihre Filialen sind kleine Läden. Die SRG expandierte. Haben die Service-public-Betriebe überbordet?
Als Vertreter des Bundes freute es mich natürlich, wenn ein Bundesunternehmen neue Einnahmen generierte. Aber man bevorzugt dadurch diese Betriebe gegenüber der Konkurrenz. Da gerät man in eine heikle Doppelstellung mit zwei Hüten.

Es kursiert die Idee, Bundesmanagern die Löhne zu deckeln. Die Grünen wollen die Boni verbieten.
Die Lohnfrage wurden an einen Verwaltungsrat delegiert, eine Folge der Liberalisierung. Das wollte ich damals so. Die Geister, die wir damals riefen, werden wir jetzt nicht los. Ich selber bin alles andere als glücklich. Es hiess immer, dass wir ohne derart exzessive Löhne keine guten Leute fänden. Das glaube ich auch heute nicht. Der ehemalige SBB-Chef Benedikt Weibel etwa wäre damals mit seinem bisherigen Lohn absolut zufrieden gewesen. Er wurde dazu gedrängt, mehr zu verdienen. Dort, wo der Bund die Einnahmen eines Betriebes garantiert, etwa mit den SRG-Gebühren, kann sich doch der Lohn des Chefs nicht nach diesen Einnahmen richten. Nach dieser Logik müsste Finanzminister Ueli Maurer jetzt einen enormen Bonus für seine Milliarden bekommen.

Ihre Nachfolgerin Doris Leuthard will noch in dieser Legislatur abtreten. Ein guter Zeitpunkt?
Dazu sage ich nichts. Mein Rücktritt war damals auch nicht der glücklichste. Ich habe nicht den besten Zeitpunkt erwischt. Richtig zurücktreten ist gar nicht so leicht.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?