Uno-Hilfswerks-Chef Philippe Lazzarini kämpft gegen Kritik aus Israel
«Es stimmt nicht, dass die UNRWA nichts getan hat»

Die Anschuldigungen gegen das Uno-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge wiegen schwer. Generalkommissar Philippe Lazzarini erklärt, wie er das Vertrauen wiederherstellen will – und weshalb er nicht zurücktritt.
Publiziert: 15.02.2024 um 09:45 Uhr
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Aktualisiert: 15.02.2024 um 10:38 Uhr

Das Uno-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) ist nach dem Hamas-Angriff auf Israel existenziell bedroht. Ihm wird eine grosse Nähe zur Terrororganisation vorgeworfen. So sollen UNRWA-Mitarbeiter am Angriff beteiligt gewesen sein. Zudem will Israel in einem Bunker direkt unter dem UNRWA-Hauptquartier in Gaza eine Hamas-Datenzentrale entdeckt haben.

Das hat Folgen. Viele Geberstaaten haben ihre finanzielle Unterstützung bis auf Weiteres sistiert. Eine unabhängige Untersuchung wurde gestartet. Auch in der Schweiz ist Botschafter Philippe Lazzarini (60) unter Druck geraten. Der Genfer will aber als Generalkommissar an der Spitze des Hilfswerks bleiben und betont im Interview mit der «NZZ» die Bedeutung der Institution.

«Wir befinden uns heute in einer existenziellen Krise»

«Wir befinden uns heute in einer existenziellen Krise», räumt Lazzarini gegenüber der NZZ ein, stellt aber gleichzeitig klar, dass er nicht vorhat, seinen Posten zu räumen: «Ich glaube nicht, dass es vernünftig wäre, das Schiff zu einem solchen Zeitpunkt zu verlassen.» Denn es gehe nicht nur um seine Person, sondern um die Auflösung der Agentur. «Mein Rücktritt würde daran nichts ändern, denn das Ziel bliebe bestehen.»

UNWRA-Chef Philippe Lazzarini wehrt sich gegen Vorwürfe am Uno-Hilfswerk.
Foto: keystone-sda.ch
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Gleichzeitig aber zeigt sich Lazzarini hoffnungsvoll, dass die meisten Staaten ihre Hilfsgelder wieder freigeben werden: «Viele der Länder, mit denen ich in Kontakt stehe, sind bereit, zurückzukehren. Denn sie sind sich bewusst, welche Katastrophe es wäre, wenn die UNRWA ihr Mandat nicht mehr erfüllen könnte.» Sie sei die einzige Organisation, die für eine der ärmsten Bevölkerungsgruppen regierungsähnliche Dienstleistungen erbringt. Es gebe derzeit gar keine Alternative zur UNRWA, betont er.

«Wir haben ein Management, das die Kritik versteht»

Lazzarini fühlt sich von der Uno denn auch weiterhin gestützt. «Wir haben ein Management, das die Kritik versteht», sagt er. Weder die Uno-Generalversammlung noch Generalsekretär António Guterres (74) hätten bisher seinen Rücktritt gefordert, betonte Lazzarini auch gegenüber dem italienischsprachigen Schweizer Fernsehen RSI. Die UNRWA habe viel investiert, um in einem ausserordentlich komplexen Umfeld zu beheben, was behoben werden kann. «Wir haben eine Nulltoleranz für jede Abweichung von den Uno-Standards eingeführt. Dazu haben wir uns verpflichtet.»

Lazzarini betont denn auch einmal mehr, dass er bisher keinerlei Anzeichen gehabt habe, dass sich unter der UNWRA-Zentrale ein Hamas-Bunker befinden könnte. Das Hauptquartier sei schon kurz nach dem Angriff Mitte Oktober geräumt worden. «In den letzten vier Monaten waren wir im Norden des Gazastreifens nicht mehr präsent», betont er. «In der Vergangenheit haben wir bei jeder Inspektion unserer Einrichtungen, bei der ein Tunnel entdeckt wurde, bei der Hamas Protest eingelegt und die israelische Armee informiert.» Nach dem Krieg werde es aber eine Untersuchung brauchen, um die Wahrheit festzustellen.

«Es stimmt nicht, dass die UNRWA nichts getan hat»

Gleichzeitig betont Lazzarini, dass die zwölf Mitarbeiter, die am Hamas-Angriff beteiligt gewesen sein sollen, sofort entlassen worden sind. Die Vorwürfe aus Israel seien so «schwerwiegend und schockierend» gewesen, «dass sie ein schnelles und sofortiges Handeln erfordern». Auch dafür habe er Kritik einstecken müssen. «Aber in einer Situation, in der der Ruf und die Fähigkeit, unser Mandat zu erfüllen, auf dem Spiel stehen, kann ich als Generalkommissar diese Entscheidung treffen.»

Schon bisher seien aber immer wieder Untersuchungen durchgeführt worden, wenn Vorwürfe auftraten. «Es stimmt nicht, dass die UNRWA nichts getan hat», sagt Lazzarini. «Wir sind sicherlich jene Uno-Organisation, die am meisten in Fragen der Neutralität investiert hat.» Zudem hat die Uno nun eine unabhängige Untersuchung in Auftrag gegeben. (dba)

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