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Ueli Maurers brisanter Plan
Rentenalter 66 für Männer

Um die AHV zu sanieren, sollen Frauen künftig erst mit 65 in Rente gehen dürfen. So will es der Bundesrat eigentlich. BLICK-Recherchen zeigen aber, dass Finanzminister Ueli Maurer auch die Männer länger arbeiten lassen will.
Publiziert: 21.06.2019 um 23:40 Uhr
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Aktualisiert: 03.07.2019 um 13:08 Uhr
Sermîn Faki

Ueli Maurer (68, SVP) wollte «den Leuten reinen Wein einschenken». «Wir werden länger arbeiten müssen», sagte der Bundespräsident Anfang Mai im BLICK-Talk zum AHV-Steuer-Deal. Denn der mittlerweile vom Volk angenommene Deal, der der AHV pro Jahr einen Zustupf von rund zwei Milliarden bringt, sichert die Renten nicht wirklich. Er verschafft der AHV nur etwas Luft.

Der Finanzminister liess seinen Worten gestern Taten folgen. Er pfuschte dem für die Rente verantwortlichen Sozialminister Alain Berset (47, SP) ins Handwerk, und wie: Maurer forderte in der Bundesratssitzung in einem Mitbericht, dass auch Männer ein Jahr länger arbeiten sollen – bis 66 Jahre statt wie heute 65! Und zwar schon bald: ab 2026.

Das, so Maurer, würde «erhebliche Einsparungen in der AHV» ermöglichen. Der Bundespräsident geht im vertraulichen Bericht, den BLICK einsehen konnte, bis 2030 von 2,5 Milliarden Franken pro Jahr aus. Eine nächste AHV-Reform könnte damit hinausgeschoben werden.

Bundespräsident Ueli Maurer will nicht nur, dass das Frauenrentenalter auf 65 erhöht wird.
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Und der Clou für Maurer: Der von Berset für die Frauen geplante Ausgleich für das zusätzliche Arbeitsjahr würde damit «überflüssig» – dank der Mehrarbeit der Männer.

So will Berset die AHV sanieren

Die AHV braucht mehr Geld und sie soll weniger ausgeben. Das ist kurz gesagt die Idee hinter der Reform von Bundesrat Alain Berset (47).

Dazu will der SP-Sozialminister zum einen die Mehrwertsteuer um 0,7 Prozentpunkte anheben. Zum anderen sollen Frauen neu ein Jahr länger arbeiten – bis zum 65. Lebensjahr. Allein dadurch würde die AHV im Jahr 2030 um 1,5 Milliarden Franken entlastet.

In einer Übergangsphase sollen die Frauen für das zusätzliche Arbeitsjahr auch etwas bekommen. Berset schlägt erstens vor, die Rentenformel für tiefere und mittlere Einkommen so anzupassen, dass Frauen, die über 65 hinaus arbeiten, eine etwas höhere Rente erhalten als Männer. Zweitens soll den Frauen, die sich schon mit 64 pensionieren lassen wollen, die Rente weniger stark gekürzt werden als Männern. Das alles würde 800 Millionen Franken kosten. Ruedi Studer und Sermîn Faki

Die AHV braucht mehr Geld und sie soll weniger ausgeben. Das ist kurz gesagt die Idee hinter der Reform von Bundesrat Alain Berset (47).

Dazu will der SP-Sozialminister zum einen die Mehrwertsteuer um 0,7 Prozentpunkte anheben. Zum anderen sollen Frauen neu ein Jahr länger arbeiten – bis zum 65. Lebensjahr. Allein dadurch würde die AHV im Jahr 2030 um 1,5 Milliarden Franken entlastet.

In einer Übergangsphase sollen die Frauen für das zusätzliche Arbeitsjahr auch etwas bekommen. Berset schlägt erstens vor, die Rentenformel für tiefere und mittlere Einkommen so anzupassen, dass Frauen, die über 65 hinaus arbeiten, eine etwas höhere Rente erhalten als Männer. Zweitens soll den Frauen, die sich schon mit 64 pensionieren lassen wollen, die Rente weniger stark gekürzt werden als Männern. Das alles würde 800 Millionen Franken kosten. Ruedi Studer und Sermîn Faki

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Vorschlag mit Sprengkraft

Mit diesem Vorschlag hätte Maurer die AHV-Reform an die Wand gefahren – aus dem Widerstand der Frauen wäre ein Volksaufstand von Frauen und Männern geworden! Auch wenn die bürgerlichen Parteien eine Rentenalter-Erhöhung prinzipiell gut finden, wollen sie nicht so drastisch vorgehen. Vor allem nicht im Wahljahr.

Kommt hinzu: Schon heute haben es ältere Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt nicht leicht. Woher sollen die Stellen für die über 60-Jährigen kommen? Im BLICK-Talk gab sich Maurer zuversichtlich: «Das würde sich einpendeln ... Vielleicht muss man auch darüber reden, dass man nicht über eine ganze Karriere hinweg immer mehr verdient, sondern ab 60 auch eine Lohnstagnation oder eine kleine Reduktion in Kauf nehmen muss.»

Länger arbeiten für weniger Geld, so stellt sich Maurer das Arbeitsleben der Zukunft vor. Die Sprengkraft des Vorschlags war seinen Bundesratskollegen nur allzu klar – sie wischten den Antrag vom Tisch. Maurers Departement wollte sich zu den BLICK-Recherchen nicht äussern.

Zank um den Ausgleich für die Frauen

Dass es mehr Arbeitsjahre braucht, wenn die Leute immer älter werden, sehen viele im Bundesrat so. Bersets AHV-Reform sieht daher neben einer Anhebung der Mehrwertsteuer um 0,7 Prozentpunkte das Frauenrentenalter 65 vor.

Dass Berset nach der Bundesratssitzung dennoch nicht wie geplant vor die Medien trat, um die Eckwerte der Reform vorzustellen, liegt an einem anderen Streitpunkt: den Kompensationsmassnahmen für die Erhöhung des Frauenrentenalters. Berset möchte dafür 800 Millionen Franken in die Hand nehmen.

Das ist den vier bürgerlichen Bundesräten von FDP und SVP aber zu viel. Wenn überhaupt, dürfe der Ausgleich nicht mehr als 400 Millionen betragen, finden sie. Doch das will Berset nicht – daher hat er das Projekt vorerst zurückgezogen, wie bundesratsnahe Quellen sagen.

Ob die Reform noch vor der Sommerpause erneut auf den Tisch kommt oder erst im August, ist unklar. Und ob Berset dann eine Mehrheit für die 800 Millionen findet, noch viel weniger.

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