SVP-Übervater Christoph Blocher (78) reagiert gelassen auf Rahmenabkommen-Abstimmung
«Auch in unserer Partei gibt es Anpasser»

SVP-Übervater Christoph Blocher (78) reagiert gelassen auf den Kurs der Regierungsräte beim Rahmenabkommen. Er glaubt, dass die Abstimmung «sicherer» zu gewinnen sei als jene über den EWR 1992.
Publiziert: 16.03.2019 um 23:39 Uhr
Interview: Simon Marti und Marcel Odermatt

BLICK: Herr Blocher, die SVP sagt: Das institutionelle Abkommen zerstört die Schweiz. Geht es nicht etwas weniger dramatisch?
Christoph Blocher: Wer die schweizerischen Staatssäulen Souveränität, Föderalismus, direkte Demokratie und Neutralität einreisst, zerstört die Schweiz. Darum darf man zu diesem Rahmenvertrag auf keinen Fall Ja ­sagen.

Ein Rahmenabkommen ist doch vielmehr der Weg, einen Beitritt zu vermeiden.
Dieser Rahmenvertrag führt die Schweiz schlussendlich in die EU. Sagen Sie mir, warum soll ein Unternehmer noch in der teuren Schweiz investieren, wenn er die gleich schlechten Rahmenbedingungen hat wie in der EU? 
Mit diesem Rahmenvertrag würden die Schweizer auf ihrem ­Gebiet nicht mehr selbst bestimmen, sondern die EU. Dann ­würde es der Schweiz schlechter gehen.

Aber namhafte Regierungsräte der SVP sagen: Ein vertragsloser Zustand wäre schlecht für die Schweiz. Ernst Stocker sagte vor Publikum «Ja, aber» zum Rahmenabkommen. Warum kommen diese Exekutivpolitiker zu einem anderen Schluss als Sie?
Auch ich sage «Ja, aber»! Was heisst: «Aber»? Kein Rahmenvertrag, in dem die EU für die Schweiz die Gesetze macht, und keine fremden Richter. Kein Vertrag, in dem die Schweizer im eigenen Land nichts mehr zu sagen haben werden.

Das Rahmenabkommen gebe die Schweizer Werte preis, sagt Christoph Blocher.
Foto: Keystone
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Das heisst übersetzt Nein.
Jedenfalls Nein zu diesem vorliegenden Vertrag.

Die SVP-Regierungsräte sagen, die Schweiz sei auf ein geregeltes Verhältnis angewiesen. 
Diese Praktiker wissen doch, wovon sie reden.
Geregeltes Verhältnis – ja. Aber keinesfalls solche Regeln. Aber ich schliesse nicht aus, dass es auch in unserer Partei den einen oder anderen Anpasser – vor allem im Kollegialitätssystem – gibt. Das war schon 1992 bei der EWR-Abstimmung so. Auch damals wollte der Bundesrat die Schweiz in die EU führen.

Was passiert wenn Brüssel partout kein anderes Abkommen will?
Dann passiert zunächst nichts. Ich rede als langjähriger Exportunternehmer, der über 50 Prozent in die EU exportierte. Aber warum sollte denn die EU der Schweiz nachgeben, wenn all die Schweizer Diplomaten und all die abhängigen Politiker in Bern aus kurzsichtigen Eigeninteressen der EU sagen: Die Schweiz ist auch bereit, einen solchen Mist zu unterzeichnen. Damit die EU die Schweiz nicht erpressen kann, hat sich die Schweiz mit Gegenmassnahmen vorzubereiten.

Und wie soll das gehen?
Erstes Beispiel: Um die Schweiz zur Unterschrift zu zwingen, droht die EU der Schweiz, die ­Börsenäquivalenz zu verweigern. Nun hat der Bundesrat vorbildlich gehandelt. Nun kann die Schweiz auch ohne gut leben. Auf allfällige Massnahmen muss man sich vorbereiten.

Alles hat seinen Preis. Und die EU ist der Schweiz entgegengekommen?
Der Preis wäre die Preisgabe der Werte, die die Schweiz stark gemacht haben. Das ist unannehmbar.

Hand aufs Herz. Was wäre für Sie schlimmer: Diese Rahmenabkommen oder ein Beitritt zur EU?
Das Rahmenabkommen ist ein ­Kolonialvertrag: Die EU erlässt für die Schweiz Gesetze – zum Beispiel bestimmt sie künftig den schweizerischen Lohnschutz und die Zuwanderungsregeln – auch wenn es die Schweizer anders wollen.

Und bei einem Beitritt?
Dann hätten die Schweizer noch weniger Selbstbestimmung. Wahrscheinlich wäre ein EU-Beitritt noch fataler. Glücklicherweise gibt es einen dritten Weg – die souveräne Schweiz.

Bei der entscheidenden Abstimmung werden Sie über 80 sein. Werden Sie wie 1992 durchs Land tingeln und jeden Abend Vorträge halten?
Wenn ich die Kraft wie heute habe, selbstverständlich. Aber ich muss es glücklicherweise nicht alleine tun. Mein Gefühl sagt mir, dass diese Abstimmung sicherer zu gewinnen ist als 1992. Denn die innere Ablehnung dieses Unterwerfungsvertrags ist schon heute viel breiter als vor 26 Jahren.

Ihre Partei war auch schon besser in Form: Im Aargau wird 
Regierungsrätin Franziska Roth teilentmachtet, und Luzi Stamm hielt während Tagen das Bundeshaus in Atem.
Und jetzt? Das kann vorkommen. Luzi Stamm ist ein tragischer Fall. Aber schwierig zu lösen. Seit langem wissen wir, es geht nicht mehr mit ihm.

Wie soll die Partei mit Stamm umgehen?
Mit ihm reden. Das ist unangenehm, aber nötig. In der Partei lösten wir es 2016, ohne Rücksicht auf uns selbst.

Einfach so?
Wir hatten sechs Vizepräsidenten. Ich war auch einer davon. Wir reduzierten auf drei. Drei mussten verzichten. Ich schlug vor: Die beiden ältesten treten als Vizepräsidenten zurück. Das war neben Luzi Stamm auch ich selbst. So kam es. Das war eine menschliche Erledigung eines schwierigen 
Falles.

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