SVP-Hardliner Glarner tritt ab, Parteiloser tritt an
Oberwil-Lieli wird nett

Mit dem Rücktritt von SVP-Hardliner Andreas Glarner steht dem Aargauer Dorf Oberwil-Lieli ein politischer Umbruch bevor. Höchste Zeit, finden die Kandidaten. Sie wollen das Dorf endlich wieder in ein positives Licht rücken.
Publiziert: 27.07.2017 um 23:47 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 15:42 Uhr
Lea Hartmann und Joël Widmer

Das fremdenfeindlichste Dorf der Schweiz: Dieser unrühmliche Titel haftet Oberwil-Lieli an, seit Gemeindeammann und SVP-Asylchef Andreas Glarner (54) 2015 den Kampf eingeläutet hatte, das reichste Dorf des Kantons Aargau von Flüchtlingen freizukaufen. Zwar lebt inzwischen – aufgrund des Widerstands eines Teils der Bevölkerung – eine syrische Familie im Dorf. Das Image aber blieb ebenso wie die verhärteten Fronten innerhalb der Gemeinde.

Nun allerdings könnte es in Oberwil-Lieli zum politischen Erdbeben kommen: Die SVP wird bei den Gemeinderatswahlen am 24. September aller Voraussicht nach einen Sitz verlieren, der Gemeinderat im bisher vom SVP-Hardliner regierten Dorf nach links rutschen. Denn nach 19 Jahren tritt Glarner nicht mehr an; auch seine Stellvertreterin, ein FDP-Mitglied, nimmt den Hut. Dafür haben sich bislang gleich sieben Parteilose aufstellen lassen.

SVP stellt keinen Kandidaten für das Amt des Präsidenten

Einer von ihnen hat gute Aussichten, Nachfolger Glarners zu werden. Ilias Läber (43) sass bisher für die BDP im Rat, jetzt will er ohne Partei antreten. Die SVP schickt niemanden ins Rennen ums oberste Amt. «Den Job des Gemeindeammanns soll der Beste machen», so die Begründung Glarners. Läber sei wirtschaftsfreundlich und garantiere Kontinuität.

Nach 19 Jahren im Gemeinderat, elf davon als Präsident, tritt SVP-Asylchef Andreas Glarner in diesem Jahr zurück.
Foto: Dominic Steinmann

Umbruch statt Kontinuität will derweil Roger Gündel. Der Bio-Gemüsegärtner gehörte – wie seine Tochter Johanna (26) – zu denjenigen im Dorf, die sich lautstark gegen Gemeindeammann Glarner und seine Abschottungspolitik zur Wehr gesetzt hatten. Er ist im Vorstand des Vereins Lebenswertes Oberwil-Lieli, der sich im Zuge der Asyldebatte formiert hat. Demonstrativ beschäftigte er vergangenes Jahr zudem zwei afghanische Flüchtlinge auf dem Hof.

«Man durfte gar nicht mehr sagen, was man denkt»

«Meine Motivation für die Kandidatur ist, dass ich das Dorf wieder in ein positives Licht rücken möchte», sagt Roger Gündel. Er sei in Oberwil-Lieli geboren, habe das Leben im Dorf immer als sehr schön empfunden – bis die Diskussion um die Aufnahme von Flüchtlingen begann. Der Asyl-Knatsch habe das Dorf in zwei Lager gespalten, meint er. Und Glarner habe die Polarisierung weiter gefördert. «Werde ich gewählt, will ich mich dafür einsetzen, dass die Politik wieder kompromissorientierter wird.»

Roger Gündel (stehend, M.) hat letztes Jahr auf seinem Hof zwei afghanische Flüchtlinge beschäftigt. Jetzt will er in den Gemeinderat.
Foto: AZ/Nora Güdemann

Diese Motivation treibt auch Kandidatin Rita Brem (56) an. Die Obstbäuerin stand Glarners Abschottungspolitik ebenfalls kritisch gegenüber, hielt sich in der öffentlichen Diskussion aber zurück. «Man durfte zeitweise gar nicht mehr sagen, was man denkt. Wir hätten sonst Kunden verloren», sagt Brem rückblickend. «Die Zeit ist gekommen, dass wir endlich wieder sachlich und lösungsorientiert miteinander reden können.»

Glarner selbst hofft, dass der Gemeinderat klar bürgerlich bleibt: «Die Wahl linker Träumer wie Herr Gündel möge Gott verhindern.»

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