SVP Parteiversammlung im Ochsen in Lupfig, 27. Okktober 2021. SVP Parteipräsident Andreas Glarner.

SVP-Glarner will mehr Geld für Ukraine-Flüchtlinge
Linker, als die Partei erlaubt

Bei den Ukraine-Flüchtlingen wird Asyl-Hardliner Andreas Glarner plötzlich weich. Das sorgt innerhalb der Aargauer SVP für Irritationen.
Publiziert: 11.04.2022 um 12:24 Uhr
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Aktualisiert: 11.04.2022 um 13:44 Uhr

Die ukrainischen Flüchtlinge lassen SVP-Nationalrat Andreas Glarner (59) die Parteilinie vergessen. Laut einer Berechnung der «SonntagsZeitung» erhält im Kanton Aargau eine Mutter mit zwei Kindern weniger als 900 Franken Asylsozialhilfe pro Monat, um damit Lebensmittel, Kleider und Dinge des alltäglichen Bedarfs zu kaufen. Je nach Gemeinde kann es etwas mehr oder weniger sein. Damit gehört der Aargau zu den Kantonen mit der geringsten finanziellen Unterstützung für Geflüchtete.

Selbst Asyl-Hardliner Glarner, Präsident der kantonalen SVP, hält diesen Betrag für sehr tief – und signalisiert Bereitschaft, politisch aktiv zu werden. «Wenn sich jetzt zeigt, dass der Betrag für den Lebensbedarf für die Ukrainerinnen und Ukrainer zu klein ist, müssen wir ihn anheben», sagte er zur «Aargauer Zeitung». «Da bin ich der Erste, der das fordert.»

Glarner begründet die überraschende Position damit, dass es sich bei den Ukrainerinnen und Ukrainern aus seiner Sicht eben um «echte Flüchtlinge» handle. Er habe immer gesagt, «dass wir bei richtigen Flüchtlingen dafür sorgen müssen, dass es ihnen hier gut geht».

Geht es um die Ukraine-Flüchtlinge, kommt Asyl-Hardliner Andreas Glarner, SVP-Nationalrat und Präsident der Aargauer SVP, von der Parteilinie ab.
Foto: Alex Spichale
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Bircher findets nicht zu wenig

Der Flüchtlings-Kurs des Aargauer Parteipräsidenten stösst innerhalb der Aargauer SVP auf Gegenwehr. Martina Bircher (37), wie Glarner Nationalrätin und Sozialvorsteherin der Gemeinde Aarburg AG, zeigt sich ganz und gar nicht bereit, an den Sozialhilfesätzen für die Flüchtlinge zu schrauben. «Ich bin nicht der Meinung, dass die Ansätze für den Grundbedarf für ukrainische Kriegsvertriebene im Aargau zu niedrig sind», sagt sie zur «Aargauer Zeitung».

Die Ukrainerinnen würden genau gleich viel erhalten wie Syrer und Afghanen, die vorläufig aufgenommen sind. «Diese Menschen leben zum Teil seit mehreren Jahren mit diesen Beträgen im Aargau und können damit ihren Lebensunterhalt auch bestreiten – warum soll das für Ukrainer nicht reichen?» Im Gegensatz zu vorläufig Aufgenommenen könnten die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zudem ab Tag 1 arbeiten und hätten weitere Privilegien.

SVPler in Verlegenheit

Auch Désirée Stutz (40), Fraktionspräsidentin der Aargauer SVP, stellt gegenüber Blick klar, dass sie anderer Meinung als ihr Parteipräsident ist. «Sie entspricht nicht der Linie der Grossratsfraktion der SVP Aargau», sagt sie diplomatisch. «Ich sehe keinen Grund, die Ansätze zu erhöhen.»

Der Aargauer SVP-Nationalrat Thomas Burgherr (59) pflichtet ihr bei. «Wenn es für die anderen Flüchtlinge reicht, sollten wir den Ukrainern nicht mehr geben», sagt er. Die aktuelle Situation bringt aber nicht nur Glarners, sondern auch seine Haltung gegenüber der Asylpolitik etwas ins Wanken – zumindest für den Moment. Sein Herz sage ja auch etwas anderes, wenn er die erschütternden Bilder aus der Ukraine sehe, meint er. «Wenn sie Hunger haben und nicht durchkommen mit dem Geld, dann müssen wir schon drüber reden.»

Eben noch für Kürzung gestimmt

Dabei ist es die SVP, die – nicht nur im Aargau – seit Jahren an vorderster Front für Verschärfungen der Sozialhilfe-Regelungen und Beitragskürzungen kämpft. 2018 hat das Aargauer Parlament den Satz für vorläufig Aufgenommene gekürzt, der nun auch für die Ukraine-Flüchtlinge zum Tragen kommt.

Glarner selbst hat im gleichen Jahr im Nationalrat die Forderung eingereicht, die Bundessubventionen fürs Asylwesen um 500 Millionen Franken zu reduzieren und das Geld stattdessen für die AHV-Sanierung einzusetzen. Geld, mit dem die Kantone unter anderem die Sozialhilfe für Flüchtlinge und vorläufig aufgenommene Ausländer ausrichten.

Es darf deshalb daran gezweifelt werden, wie ernst es Glarner mit seiner plötzlichen Grosszügigkeit ist. Kurz nach Beginn des Kriegs hatte er auch schon bekannt gegeben, sich zu überlegen, Flüchtlinge bei sich aufzunehmen. «Ich habe ein grosses Haus», sagte er zu Blick. Sich tatsächlich als Gastgeber für Flüchtlinge gemeldet hat sich Glarner indes nie. Er erfülle die Auflagen des Kantons nicht. (lha)

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