Stempelsteuer spaltet die Wirtschaft
0 Gewinn, 180'000 Franken Steuern

Straft die Emissionsabgabe wirklich KMU und Start-ups? Die Frage spaltet die Wirtschaft. Blick hat bei zwei Unternehmern genau nachgefragt.
Publiziert: 26.01.2022 um 17:16 Uhr
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Aktualisiert: 27.01.2022 um 15:19 Uhr
Sermîn Faki

Rafael Waber (41) ist einmal mehr auf der Suche nach Geld. Er leitet das Start-up Swissshrimp AG, das in einer grossen Halle in Rheinfelden AG Schweizer Crevetten züchtet.

Begonnen hat alles 2008 mit einer Idee und ein paar hunderttausend Franken für eine Pilotanlage. Heute schwimmen die blauen Shrimps in 16 Becken in 28 Grad warmem Wasser. Auf Bestellung werden sie geerntet und verschickt. So frisch kommen Crevetten sonst nicht auf den Schweizer Teller.

180'000 Franken Steuern – ohne einen Franken Gewinn

Das alles kostet Geld. «Derzeit sind wir in der dritten Finanzierungsrunde», sagt Waber. «Um die Produktionskosten langfristig senken zu können, müssen wir zuerst wachsen – und brauchen daher Kapital für die Erweiterung unserer Aquakulturanlage.»

Blaue Crevetten, made in Switzerland. Das ist die Idee von Swissshrimp.
Foto: Simon von Gunten
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Ist die Aufstockung des Eigenkapitals Ende Februar abgeschlossen, werden Waber und seine fünf Partner insgesamt 19 Millionen Franken durch Investoren herangeschafft haben. Und davon direkt 180'000 Franken an Emissionsabgaben, auch bekannt als Stempelsteuer, an den Staat weitergereicht haben. Ohne einen Franken Gewinn gemacht zu haben.

Emissionsabgabe sei ein Bremsklotz

Waber ärgert das, weshalb er sich für die Ja-Kampagne des Gewerbeverbands für deren Abschaffung zu Verfügung stellt. Am 13. Februar stimmt die Schweiz darüber ab – dem Staat würden bei einem Ja 250 Millionen Franken pro Jahr entgehen.

Darum gehts bei der Stempelsteuer

Die Emissionsabgabe bezahlen Unternehmen, wenn sie Eigenkapital aufnehmen, also wenn sie Aktien am Unternehmen verkaufen, um so an mehr flüssige Mittel zu kommen. Die Emissionsabgabe beträgt 1 Prozent des aufgenommenen Kapitals. Wer also Aktien im Wert von 10 Millionen Franken herausgibt, muss 100'000 Franken Emissionsabgabe bezahlen. Diese Steuer fällt nur an, wenn das aufgenommene Kapital über 1 Million Franken beträgt.

Gemäss Zahlen der Steuerverwaltung haben im Jahr 2020 rund 2300 Unternehmen eine Emissionsabgabe bezahlt. Dabei handelt es sich vorwiegend um mittlere und grosse Unternehmen. Der Bund nimmt damit etwa 250 Millionen Franken im Jahr ein.

Der Bundesrat, die bürgerliche Mehrheit des Parlaments sowie die grossen Wirtschaftsverbände wollen diese Steuer abschaffen und so die Standortattraktivität der Schweiz erhöhen.

SP, Grüne und die Gewerkschaften wollen die Abschaffung mit dem Referendum verhindern. Sie behaupten, dass vor allem international tätige Grosskonzerne, Banken und Versicherungen von der Abschaffung der Stempelsteuer profitieren würden. Die Bürgerinnen und Bürger müssten dafür höhere Steuern bezahlen oder einen Abbau von staatlichen Leistungen in Kauf nehmen. (sf)

KEYSTONE

Die Emissionsabgabe bezahlen Unternehmen, wenn sie Eigenkapital aufnehmen, also wenn sie Aktien am Unternehmen verkaufen, um so an mehr flüssige Mittel zu kommen. Die Emissionsabgabe beträgt 1 Prozent des aufgenommenen Kapitals. Wer also Aktien im Wert von 10 Millionen Franken herausgibt, muss 100'000 Franken Emissionsabgabe bezahlen. Diese Steuer fällt nur an, wenn das aufgenommene Kapital über 1 Million Franken beträgt.

Gemäss Zahlen der Steuerverwaltung haben im Jahr 2020 rund 2300 Unternehmen eine Emissionsabgabe bezahlt. Dabei handelt es sich vorwiegend um mittlere und grosse Unternehmen. Der Bund nimmt damit etwa 250 Millionen Franken im Jahr ein.

Der Bundesrat, die bürgerliche Mehrheit des Parlaments sowie die grossen Wirtschaftsverbände wollen diese Steuer abschaffen und so die Standortattraktivität der Schweiz erhöhen.

SP, Grüne und die Gewerkschaften wollen die Abschaffung mit dem Referendum verhindern. Sie behaupten, dass vor allem international tätige Grosskonzerne, Banken und Versicherungen von der Abschaffung der Stempelsteuer profitieren würden. Die Bürgerinnen und Bürger müssten dafür höhere Steuern bezahlen oder einen Abbau von staatlichen Leistungen in Kauf nehmen. (sf)

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«180'000 Franken klingen nach wenig in Relation zu den 19 Millionen», sagt Waber. «Aber für uns ist das richtig viel Geld.» Diese Steuer nehme dem Unternehmen den Schnauf, den es brauche.

«Es ist absurd», sagt der junge Vater. Der Staat habe viele hilfreiche Förderprogramme für Gründer. Auf der anderen Seite aber lege er ihnen mit der Emissionsabgabe einen «Liquiditäts-Bremsklotz» in den Weg. «Ich finde es richtig, wenn Unternehmen Steuern zahlen. Aber dann, wenn sie Gewinn machen.»

«Man muss auf die Balance achten»

Ganz anders sieht das Severin Gallo (53), Inhaber und Geschäftsleiter der Gammarenax AG, die Dienstleistungen rund um den Gebäudebereich anbietet. Ihn empört die Abschaffung der Emissionsabgabe. Deswegen sitzt er in einem Unternehmer-Komitee, das gegen die Abschaffung kämpft.

Kapital, sagt er, werde im Gegensatz zu Arbeit in der Schweiz sehr tief besteuert. «Das ist gut so und ein Standortvorteil der Schweiz», so Gallo, der betont, alles andere als ein Linker zu sein. «Aber man muss auf die Balance achten.»

In vielen Abstimmungen stimmten die Bürger aus gutem Grund zugunsten der Wirtschaft, sagt er. «Ich finde es daher unangemessen, wenn Unternehmen, die auf einen attraktiven Standort bauen können und von dessen Leistungen profitieren, jetzt ausrufen, sie bräuchten noch eine Entlastung!»

Wirtschaft profitiert vom Staat

Der Zürcher Unternehmer findet, Steuern und Abgaben sollten entweder Verhalten lenken, wie etwa bei der CO2-Abgabe – oder sie seien als Abgeltung für staatliche Leistungen zu verstehen. Die Wirtschaft profitiere von Infrastruktur, Ausbildung, Rechtssicherheit, sozialem Frieden. «Denken wir nur daran, wie die Pharma-Industrie von der Hochschul-Forschung profitiert – das wird mit Steuergeldern bezahlt.»

Dass die Emissionsabgabe – wie von bürgerlichen Kreisen und weiten Teilen der Wirtschaft behauptet wird – dem Wirtschaftswachstum schade, glaubt Gallo, der sein Unternehmen in den letzten 25 Jahren von 300 auf 1800 Mitarbeitenden vergrössert hat, keine Sekunde: Niemand werde sich davon abhalten lassen, ein Unternehmen zu gründen oder in dieses zu investieren. «Wer nur wegen der Emissionsabgabe nicht in der Schweiz gründet, den kann ich nicht verstehen.»

Abgabe kam Jahre zu früh

Gallo hat das Wachstum seiner Firma über Gewinne und Rückstellungen finanziert – er musste nie sein Eigenkapital erhöhen und daher auch nie Stempelsteuern zahlen. Er sei eben bescheiden geblieben und habe Schritt für Schritt genommen, sagt er.

Für Crevetten-Züchter Waber ist das nicht ganz so einfach: «Wir haben eine komplett neue Technologie entwickelt – das macht ein echtes Start-up aus.» Da heisse es am Anfang: reinstecken, reinstecken, reinstecken. Gewinne seien erst später zu erwarten. Die Emissionsabgabe sei für Swissshrimp acht Jahre zu früh gekommen, sagt er. Und macht sich auf, noch mehr Menschen zu finden, die Aktien seines Unternehmens kaufen wollen. Dafür, sagt er, müsse man nicht mal Millionär sein.

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