Ständerat hält bei Mord an 30-Jahre-Frist fest
«Unverjährbarkeit weckt falsche Hoffnungen»

Soll Mord unverjährbar sein? Der Ständerat ist dagegen – und hat eine entsprechende Forderung abgeschmettert. Doch der Entscheid fiel denkbar knapp.
Publiziert: 10.03.2020 um 16:31 Uhr
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Aktualisiert: 10.03.2020 um 17:36 Uhr
Lea Hartmann

«Stellen Sie sich vor, man findet nach 30 Jahren einen Mörder. Der kann einem offen ins Gesicht lachen – und die Justiz kann überhaupt nichts machen»: Mit diesen Worten versuchte der Schaffhauser Ständerat Hannes Germann (63) heute seine Kolleginnen und Kollegen aufzurütteln. Vergebens. Der Ständerat ist dagegen, dass Mord künftig nicht mehr verjähren kann, und lehnte eine entsprechende Standesinitiative des Kantons St. Gallen ab.

Mit 20 zu 18 Stimmen ist der Entscheid allerdings äusserst knapp ausgefallen. Ihm war eine ungewöhnliche Debatte vorausgegangen. Es hiess SP gegen SP: Während sich der Genfer SP-Ständerat Carlo Sommaruga (60) für ein Nein stark machte, kämpfte sein Zürcher Kollege Daniel Jositsch (54) vehement für die Initiative. Eine Initiative notabene, die aus SVP-Feder stammt.

Druck aus der Gesellschaft

In der Schweiz gibt es nur sehr wenige Morde, die ungelöst bleiben. Ausserdem gibt es bislang keinen Fall, in dem der Mörder nach Ablauf der heute geltenden 30-jährigen Verjährungsfrist hat überführt werden können.

Der Genfer SP-Ständerat Carlo Sommaruga ist dagegen, die Verjährungsfrist für Mord aufzuheben.
Foto: Keystone
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Für Strafrechtsprofessor Jositsch ist das allerdings kein stichhaltiges Argument gegen die Initiative. «Wenn ein einziger Fall aufgeklärt würde und wir müssten sagen, dass wir keine Strafverfolgung machen können, werden Sie ausserhalb dieses Gebäudes auf sehr wenig Verständnis stossen», warnte der Parlamentarier seine Ratskollegen. «Der Druck der Gesellschaft wäre massiv.»

«Unverjährbarkeit weckt falsche Hoffnungen»

FDP-Ständerat Andrea Caroni (39), ebenfalls Jurist, hatte zudem ein weiteres triftiges Argument in petto. Mord sei heutige der einzige Tatbestand, der zwar mit lebenslanger Haft bestraft wird, aber nicht lebenslang verfolgt werden kann. Caroni selbst hatte sich noch vor weniger als zwei Monaten in der Kommission enthalten und ist nun ins Ja-Lager gerutscht.

Mit seiner Stimme konnte der Appenzeller das Resultat aber nicht drehen. Die Gegner einer Gesetzesänderung führten unter anderem an, dass es ein Recht auf Vergessen brauche. Zudem: Je mehr Zeit verstreiche, desto schwieriger werde die Beweisführung – neue technologische Möglichkeiten hin oder her, sagte Sommaruga. «Die Unverjährbarkeit weckt falsche Hoffnungen», fand zudem der Walliser Ständerat Beat Rieder (57).

Nationalrat entscheidet als Nächstes

«Hoffnung ist immer noch besser als Hoffnungslosigkeit», konterte SVPler Germann. Dieser Ansicht ist auch Robert Siegrist (64). Der Basler verlor beim Mord von Seewen 1976 seine Eltern und drei weitere Familienmitglieder. Er hatte gehofft, dass der Ständerat der Initiative zustimmt. «Mir geht es nicht um Bestrafung. Sondern darum, dass wir endlich Gewissheit bekommen», sagte er im Vorfeld des Ständeratsentscheids zu BLICK.

Noch ist die Forderung allerdings nicht erledigt. Nun kommt das Geschäft in den Nationalrat. Angesichts des knappen Ergebnisses im Ständerat zeichnet sich auch im Nationalrat eine hitzige Debatte ab.

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