Ständerat Daniel Jositsch über den Flügelkampf in der SP
«Als Mitte-Links-Volkspartei liegt das Potenzial bei 30 Prozent!»

Die SP streitet um ihre Ausrichtung in der Wirtschaftspolitik. SP-Ständerat Daniel Jositsch will seine Partei stärker zur Mitte hin öffnen.
Publiziert: 23.11.2016 um 16:09 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 18:33 Uhr
Interview: Ruedi Studer

Die SP steht bei der Ausrichtung ihrer Wirtschaftspolitik vor einer Zerreissprobe. Die Parteileitung um SP-Chef Christian Levrat will einen radikalen Linkskurs einschlagen. Am Parteitag vom 3. und 4. Dezember soll das Wirtschaftsdemokratie-Papier verabschiedet werden.

Doch der Reformflügel um die SP-Ständeräte Pascal Bruderer (AG) und Daniel Jositsch (ZH) sagt dem Klassenkampf den Kampf an (BLICK berichtete). Im Interview erklärt Daniel Jositsch, worum es ihm geht.

BLICK: Herr Jositsch, das geplante Wirtschaftspapier der SP propagiert den Klassenkampf. Fühlen Sie sich in Ihrer Partei noch wohl
Daniel Jositsch:
Selbstverständlich! Ich wurde ja auf den SP-Listen sehr gut gewählt. Und solange mich die eigene Basis wählt, bin ich am richtigen Ort. Würde es nur dank Panaschierstimmen reichen, müsste ich mir Gedanken machen.

SP-Ständerat Daniel Jositsch: «Wir müssen uns breiter aufstellen.»
Foto: Keystone

Sie wollen nun aber mit einem Rückweisungsantrag den Linkskurs der Parteispitze korrigieren.
Es geht uns nicht um die Frage nach dem falschen oder richtigen Kurs, sondern um die Breite der Partei. Sie kennen ja das berühmte Zitat von Helmut Hubacher, dass die SP ebenso wie ein Vogel einen rechten und einen linken Flügel zum Fliegen braucht. Was uns stört ist nicht, was im neuen Papier steht, sondern was nicht drinsteht!

Was fehlt denn?
Das Papier atmet den Geist des Klassenkampfs. Doch es gibt auch einen Reformflügel in der SP, der nicht den Kapitalismus überwinden will, sondern zur Marktwirtschaft steht und diese sozial ausgestalten will. Dieser Flügel fühlt sich nicht repräsentiert. Wir fordern, dass auch diese pragmatische Ausrichtung Widerhall findet.

Ein Jekami statt klarer Konturen also?
Überhaupt nicht. Es ist doch so: Links der FDP gibt es nur eine starke Kraft, die Sozialdemokratie. Mit der heutigen Juso-Gewerkschafts-Ausrichtung erreichen wir aber nur einen Teil unseres Wähleranteils. Als Mittelinks-Volkspartei hingegen haben wir ein Wählerpotenzial von 30 Prozent. Ich will niemandem etwas wegnehmen, wir müssen uns aber breiter aufstellen. Auch Vielfalt bedeutet Profil.

In zentralen Fragen wie AHV plus oder der Unternehmenssteuerreform III weichen Sie aber von der Parteilinie ab. Das geht doch nicht auf.
Entscheidend ist doch, dass man die Grundwerte teilt. Als Sozialdemokrat steht man für die Sozialwerke oder den Service public ein. Bei konkreten Vorschlägen kann es aber unterschiedliche Meinungen geben. Es gibt nicht nur einen Weg zum Ziel. Problematisch wäre, wenn man die Grundwerte nicht mehr teilt.

Verstehen Sie sich überhaupt noch als Linker?
Selbstverständlich. Ich bin im linken Spektrum, aber etwas näher der Mitte angesiedelt als vielleicht ein Cédric Wermuth.

Der linke Flügel trifft sich in der Flügelrad-Vereinigung. In der «NZZ am Sonntag» ist davon die Rede, dass Sie nun eine sozialliberale Plattform gründen wollen.
Die Realität ist viel unspektakulärer.

Nämlich?
Bei gewissen Themen gibt es innerhalb einer Partei unterschiedliche Meinungen – und diese werden diskutiert. Das war schon immer so. Letztes Jahr zum Beispiel beim Nachrichtendienstgesetz und nun wieder im Zusammenhang mit dem Wirtschaftspapier. Wir haben uns zusammengesetzt und überlegt, wie wir vorgehen wollen. Das Resultat war der Rückweisungsantrag von Pascal Bruderer. Nach dem Parteitag werden wir wieder zusammensitzen und das Resultat sowie die weitere Vorgehensweise analysieren.

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