SP-Wermuth wettert über EU-Spitze
«Griechen werden Schulden nie zahlen können»

«Pervers», findet SP-Mann Cédric Wermuth den Schulden-Showdown in Brüssel. Er fordert grundlegende EU-Reformen. Und schimpft über einen Kollegen der SPD.
Publiziert: 27.06.2015 um 00:06 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 16:52 Uhr
Interview: Christoph Lenz

Herr Wermuth, die Gläubiger wollten den Grexit mit weiteren 15,3 Milliarden Euro abwenden. Griechenland lehnt ab, spinnen die?Nein. Denn das grundlegende Problem Griechenlands ist nicht gelöst. Ministerpräsident Tsipras und Finanzminister Varoufakis wehren sich seit Monaten mit Händen und Füssen dagegen, weiteres Geld aufnehmen zu müssen nur um damit Schulden zu begleichen. Griechenland will rauskommen aus der Schuldenfalle. So aber wird sich die Schuldenspirale weiter drehen. Das ist pervers.

Griechenland könnte doch froh sein, würde ein Konkurs abgewendet.
Zum Feiern ist in Athen wohl niemandem zumute. Die Troika zwängt Griechenland mit völlig unrealistischen Sanierungs- und Reformprogrammen in ein Schuldenkorsett. Rentenabbau, Mehrwertsteuererhöhungen, Lohnkürzungen: Genau diese Rezepte sind dafür verantwortlich, dass sich die Krise seit 2010 immer weiter verschärft hat. Werden diese Vorschläge umgesetzt, ist die Stabilität der griechischen Demokratie extrem gefährdet.

Die Gläubiger wollen ihr Geld zurück. Das ist doch logisch.
Es ist nicht logisch, es ist unehrlich. Griechenland wird seine Schulden nie und nimmer zurückzahlen können. Das ist völlig aussichtslos! Dummerweise hat Europa unter der Führung von Merkel und der SPD alle privaten Gläubiger entlastet. Die griechischen Schulden lasten jetzt auf den Staaten – und damit auf den Schultern der Steuerzahler. 

«Griechenland wird seine Schulden nie und nimmer zurückzahlen können»: SP-Nationalrat und Syriza-Sympathisant Cédric Wermuth (29).
Foto: Mirko Ries

Haben Sie ihren SPD-Kollegen Sigmar Gabriel gestern auf Twitter deshalb so scharf attackiert?
Ja, Sigmar Gabriel ist in dieser Frage ein elender Populist. In einem Beitrag in der «Bild»-Zeitung macht er nationalistische Stimmung gegen die Syriza-Regierung. Nur weil er glaubt, dass ihm das Griechenland-Bashing bei einigen AfD-Wählern vielleicht Sympathien bringt. Diese moralische Keule gegen Griechenland ist absurd. Denn ganz Europa und insbesondere Deutschland sind mitschuldig an der gegenwärtigen Krise.

Wo müsste man Ihrer Meinung nach ansetzen, um die Probleme langfristig zu lösen?
Bei der Währungsunion.

Konkret?
Selbst wenn Griechenland die Schulden erlassen würden, könnte es doch nie mit Deutschland mithalten. Die wirtschaftlichen Differenzen innerhalb des Euro-Raumes sind einfach zu gross. Zudem hat Deutschland seine Exporte über Jahre mit Tieflöhnen quasi zu Dumpingpreise verschleudert – auf der anderen Seite der Bilanz muss sich zwangsweise jemand verschulden. Griechenland braucht jetzt Investionen und einen Aufbauplan. Die Europäische Zentralbank könnte zum Beispiel produktive Investitionen in Griechenland tätigen.

Und was muss die Regierung Tsipras tun?
Sicher braucht es auch interne Reformen. Griechenland wurde jahrzehntelang von einem korrupten Klientelismus regiert – aber genau diese Leute waren die besten Freunde von SPD und CDU. Die haben sie ja damals in den Euro geholt. Jeder wusste schon damals, was falsch läuft in Griechenland. Diese korrupte Elite muss endlich Steuern zahlen und endgültig von den Hebeln der Macht entfernt werden. Dazu ist nur Syriza in der Lage. Die Alternative sind entweder die alten Eliten oder die Rechtsextremen – beides kann niemand ernsthaft wollen. Hier braucht Tsipras die volle Unterstützung der EU.

Für viele Beobachter ist die «ewige» Griechenland-Krise der beste Beweis dafür, dass die EU scheitern muss. Für Sie nicht.
Die Griechenland-Krise beweist nur, dass die neoliberale Wirtschaftspolitik gescheitert ist. Und dass die EU selbst dringend Reformen nötig hat. Es braucht einen Finanzausgleich innerhalb Europa. Und das EU-Parlament muss endlich echte Kompetenzen erhalten, wie zum Beispiel zur Steuerharmonisierung. Für mich steht fest, dass die Krise nur durch eine politische Vertiefung der EU bewältigt werden kann.

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