SP-Molina verärgert mit Radikalforderung die Gewerkschaften
EU-Beitritt spaltet die Europafreunde

SP-Nationalrat Fabian Molina fordert Beitrittsverhandlungen mit der EU. Der Flirt mit Brüssel spaltet die Linke und die Europa-Anhänger.
Publiziert: 08.06.2021 um 01:35 Uhr
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Aktualisiert: 08.06.2021 um 13:54 Uhr
Wie weiter zwischen der Schweiz und der EU?
Foto: Keystone
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Ladina Triaca

Vor zwei Wochen beerdigte der Bundesrat das Rahmenabkommen mit der EU und löste damit im linken Lager Reaktionen aus, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Während Gewerkschaftschef Pierre-Yves Maillard (53) jubilierte, sprach SP-Nationalrat Fabian Molina (30) von einer «Katastrophe».

Nun ist das Rahmenabkommen vom Tisch – und der Streit in der SP geht erst richtig los. Europa-Freund Molina preschte am Wochenende mit einem Vorstoss vor, der den Bundesrat beauftragt, Beitrittsverhandlungen mit der EU aufzunehmen. «Nur wenn wir der EU beitreten, können wir die Regeln, die wir übernehmen, auch gestalten», sagt er.

Die SP sehe die Schweiz schon lange in der EU. «Dass wir nun, nach dem Scheitern des Rahmenabkommens, den EU-Beitritt wieder ins Spiel bringen, ist nur logisch.» Im Hinblick auf allfällige Beitrittsverhandlungen verlangt Molina vom Bundesrat, dass er rote Verhandlungslinien festlegt – wie etwa den Erhalt des Service public oder den Lohnschutz.

Verstimmte Gewerkschaften

Bei den Gewerkschaften kommen Molinas Pläne schlecht an. Der SGB um Präsident Pierre-Yves Maillard hatte das Rahmenabkommen vehement bekämpft, um die hohen Schweizer Löhne zu schützen. Da sich die Frage eines EU-Beitritts zurzeit realpolitisch nicht stelle, will sich Maillard nicht zum Vorstoss äussern. Doch hinter den Kulissen brodelt es.

Etwas diplomatischer gibt sich Adrian Wüthrich (41) vom Gewerkschaftsdachverband Travailsuisse. «Es müssen jetzt wieder alle europapolitischen Optionen geprüft werden», sagt er. Allerdings hält auch er fest: «Wir sind aktuell nicht für einen EU-Beitritt.» Vielmehr sieht der ehemalige SP-Nationalrat den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) als möglichen Mittelweg für die Schweiz, solange der Lohnschutz garantiert sei.

Neben den Gewerkschaftern sehen auch manche Politiker aus der SP-Fraktion Molinas Vorstoss kritisch.

Entspannter Präsident

Wird der EU-Beitritt nun zur Zerreissprobe für die Linke? SP-Co-Präsident Cédric Wermuth (35) winkt ab. «Ich sehe diese Diskussion sehr entspannt», sagt er. «Mir ist auch klar, dass der EU-Beitritt kein kurzfristig realistisches Szenario ist. Aber es braucht die Beitrittsdiskussion unbedingt – und die SP ist die einzige Partei, die sie führt.»

Am Dienstag will die SP-Fraktion über ihre EU-Position diskutieren. Ein europapolitischer Ausschuss unter der Führung von SP-Nationalrat Jon Pult (36) soll dem Präsidium zudem bis im Herbst Vorschläge zum weiteren Vorgehen präsentieren.

Grüne und GLP sind skeptisch

Will die SP die Schweiz tatsächlich nach Brüssel führen, ist sie auf die Unterstützung der anderen Parteien angewiesen. Doch ihre natürlichen Verbündeten, die Grünen und die GLP, sind skeptisch.

Grünen-Präsident Balthasar Glättli (49) hält den SP-Beitrittsflirt kurz nach dem Scheitern des Rahmenabkommens für überstürzt: «Das ist ähnlich, wie wenn man sich kurz vor der Verlobung zurückzieht und dann zwei Tage später ankündigt, heiraten und eine Grossfamilie gründen zu wollen.» Er sei nicht grundsätzlich gegen einen EU-Beitritt. «Aber dieser Vorschlag bringt kurz- und mittelfristig keine Lösung für die aktuellen Probleme der Schweiz mit der EU.»

Und GLP-Chef Jürg Grossen (51) sagt: «Ein EU-Beitritt ist derzeit in der Bevölkerung sicher weniger mehrheitsfähig als das Rahmenabkommen oder der EWR.» Seine Partei hält lieber am eben gescheiterten Weg fest: «Der Königsweg bleiben für uns die bilateralen Verträge, die nur mit einem Rahmenabkommen gesichert werden können.»

Was bedeutet das Aus des Rahmenabkommens?
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Der Fokus auf Blick TV:Was bedeutet das Aus des Rahmenabkommens?

EU-Kommission äussert sich am 24. Juni

Auch in Brüssel ist das Dossier Schweiz nicht abgeschlossen. Die EU-Kommission von Ursula von der Leyen (62) will sich am 24. Juni zur Zukunft der Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz äussern. Mit einem baldigen Beitritt rechnet derzeit allerdings niemand.

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