So litt alt Bundesrat Samuel Schmid
«Bin nach dem Rücktritt zwei Jahre lang um 4.45 Uhr aufgewacht»

Ein Bundesrat, der sich auch mal krankmeldet? Das sei fast nicht möglich, sagt alt Bundesrat Samuel Schmid. Der Berner prangert die fehlende Erholungszeit für die heutigen Magistraten an. Denn selbst die Bundesratsferien seien Arbeit.
Publiziert: 14.02.2019 um 15:08 Uhr
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Aktualisiert: 15.02.2019 um 17:06 Uhr

Wie belastend ist der Bundesrats-Job? Nach dem Krebs-Schock von alt Bundesrat Didier Burkhalter (58) diskutiert die Schweiz. Denn auch wenn Krebs nicht durch Stress ausgelöst wird und nicht selbstverschuldet ist: Burkhalter hat acht Jahre lang hundert Stunden pro Woche gearbeitet, teilweise nachts im Bad Dossiers studiert – die acht Jahre seien eine «stete Selbstüberwindung gewesen», gab der Romand offen zu.

Auch alt Bundesrat Samuel Schmid (72) litt im Amt. Der Berner stand immer wieder im Kreuzfeuer der Kritik, wurde von der eigenen Partei als «klinisch tot» bezeichnet und verliess gegen Ende die SVP, um mit seiner Bundesrats-Kollegin Eveline Widmer-Schlumpf (62) in die neu gegründete BDP zu wechseln.

Schmid: «Die Bundesratszeit hatte sich im Körper manifestiert»

Jetzt sagt Schmid zu BLICK: «Ich bin nach meinem Rücktritt zwei Jahre lang morgens um 04.45 Uhr aufgewacht. Ich dachte, diese innere Uhr würde ich nach kürzerer Zeit wieder loswerden. Aber es hatte sich im Körper manifestiert.» Er habe gar nicht länger schlafen können. «Ich hatte wohl unbewusst das Gefühl, ich müsse jetzt voll einsatzfähig sein. Das zeigt mir, wie bestimmend das Amt auch für den Körper ist.»

War von 2001 bis 2008 Vorsteher des VBS: Samuel Schmid.
Foto: KARL-HEINZ HUG
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Und es werde immer bestimmender, so Schmid. Sein FDP-Kollege Pascal Couchepin (76) sei nach den wöchentlichen Bundesratssitzungen viel ins Wallis gefahren, «er nannte es seine Verschnaufpause. Heute können sich Bundesräte solche Dinge fast nicht mehr herausnehmen».

Auch die Erholung kommt für unsere Magistraten laut Schmid viel zu kurz. «Als Bundesrat sollte man immer noch Reserven einsetzen können.» Aber genau diese fehlten einem schnell. «Und die sogenannten Bundesratsferien sind längst keine mehr – oft unternimmt man dann Dienstreisen ins Ausland, knüpft für die Schweiz Kontakte, dient dem Land – man arbeitet also. Entspannung ist das sicher nicht.»

Schwäche zeigen? Ein No-Go für Bundesräte. «Ich habe immer sehr gestaunt: Kaum ein Bundesrat meldet sich während seiner Amtszeit mal krank.» Die Hürden dazu seien sehr hoch, erklärt Schmid. Das sei leider ein Phänomen, «das wir von vielen Spitzenpositionen her kennen».

«Gewundert, dass Didier nicht zu den alt-Bundesrats-Treffen kommt»

Er habe während seiner siebenjährigen Amtszeit von 2001 bis 2008 viel Kraft aus der Bevölkerung erfahren. «Der mediale Druck ist für einen Bundesrat riesig. Ich erlebte ihn ja auch sehr stark», sagt Schmid. Sein Rat an künftige Bundesräte: «Geht öfter mal an Veranstaltungen mit der Bevölkerung, in den Bären im Dorf. Dort erlebt ihr viel Zuspruch, egal, was gerade geschrieben und von der politischen Gegenseite gemacht wurde.»

Zuspruch schickt er auch nach Neuenburg an Didier Burkhalter: «Ich wünsche Didier alles Liebe und gute Genesung weiterhin. Ich hatte mich schon gewundert, dass er nicht zu den alt-Bundesrats-Treffen kommt. Hoffentlich nimmt er nächstes Mal daran teil», so Schmid.

Heute erwacht Samuel Schmid nicht mehr um 04.45 Uhr – und er sei auch sonst sehr glücklich als Bundesrats-Pensionär. 2017 leitete er die Untersuchungskommission in der Doping-Affäre um die russischen Olympioniken. Zudem widme er seine Zeit Menschen, «denen es nicht so gut geht». Als Präsident der Winterhilfe und bei der Arbeit in Organisationen, die sich für behinderte Menschen einsetzen, könne er versuchen, etwas Leid zu lindern. «Das erfüllt mich sehr.»

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