Sie erhalten Millionen von Banken und Versicherungen
So kassieren Schweizer Parlamentarier ab

Mit lukrativen Mandaten bei Banken, Versicherungen und Krankenkassen nehmen National- und Ständeräte insgesamt 6,5 Millionen Franken ein – pro Jahr. Am besten verdienen Politiker der FDP und der SVP.
Publiziert: 08.09.2019 um 11:06 Uhr
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Aktualisiert: 10.09.2019 um 15:40 Uhr
Fabian Eberhard und Simon Marti

Diskrete Einflüsterer, die Politiker umgarnen und versuchen, sie im Auftrag von Firmen, Vereinen oder Stiftungen für deren Ziele einzuspannen. So stellt man sich Lobbyisten gemeinhin vor. Die Realität sieht anders aus: Die mächtigsten Interessenvertreter sitzen im Parlament selbst – es sind unsere National- und Ständeräte.

Fakt ist: Schweizer Parlamenta­rier haben im Schnitt acht ausserparlamentarische Mandate, mehr als je zuvor. Besonders lukrativ sind Posten bei Banken und Versicherungen. Dem Aargauer SP-Nationalrat Cédric Wermuth (33) ist dies ein Dorn im Auge. Er hat deshalb zwei unabhängige Experten damit beauftragt, die teils undurchsichtigen finanziellen Verstrickungen im Schweizer Parlament auszuleuchten.

Die Untersuchung liegt SonntagsBlick vor. Sie zeigt erstmals, wie viel Geld Parlamentarier durch Mandate bei Krankenkassen, Versicherungen und Banken einstreichen. Das Resultat: 6,5 Millionen Franken. Pro Jahr!

Die wahren Lobbyisten im Schweizer Parlament sind die Politiker selbst. Viele von ihnen sind durch gut bezahlte Mandate eng mit der Wirtschaft verbandelt.
Foto: Keystone
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«Grosse Teile des Parlaments sind gekauft»

1,4 Millionen entfallen dabei auf Versicherungen und Krankenkassen, 5,1 Millionen auf die Finanzbranche. Ein Teil dieser Geldflüsse ist öffentlich, dem Rest haben sich die Autoren der Studie über Gespräche mit Branchenexperten und Daten aus Geschäftsberichten angenähert.

Die fleissigsten Mandatesammler in diesen Bereichen sitzen in der FDP. Die freisinnigen Parlamentarier beziehen etwa die Hälfte aller Zuwendungen – mehr als drei Millionen Franken also. Auf den weiteren Rängen folgen die SVP mit 25 Prozent und die CVP mit 19 Prozent. Die restlichen Parteien beziehen nur rund fünf Prozent des Geldes. Würde man Mandate in anderen Branchen untersuchen, etwa bei Hilfsorganisationen, Gewerkschaften und Verbänden, ergäbe sich ein anderes Bild.

Das Ergebnis erstaunt Cédric Wermuth nicht: «Die bürgerlichen Parteien hängen seit jeher am Tropf der Banken und Versicherungen.» Mit der oft propagierten «gesunden Nähe» der Politik zur Wirtschaft habe das wenig zu tun, findet er und sagt: «Grosse Teile des Parlaments sind schlicht gekauft.»

«Geld führt zu Abhängigkeiten»

Werden unsere Volksvertreter durch die Mandate also zu Firmenvertretern? Die Gefahr besteht, meint auch Transparency Inter­national Schweiz. Die Nichtregierungsorganisation warnt seit Jahren, dass das Lobbying in der Schweizer Politik intransparent und unreguliert sei. So müssen Parlamentarier zwar ihre Interessenbindungen offenlegen, nicht jedoch, wie viel sie für die Nebenjobs kassieren. Ein Zustand, der laut Transparency zum Einfallstor für Korruption werden kann.

«Geld führt zu Abhängigkeiten. Je höher die Vergütung für ein Mandat ist, desto grösser ist in der Regel auch die Abhängigkeit», sagt Transparency-Geschäftsführer Martin Hilti.

Die Politiker, die sich für Mandate bei Krankenkassen, Versicherungen und Banken bezahlen lassen, sehen das anders. Allen voran der Urner FDP-Ständerat Josef Dittli (62).

Dittli: Offenlegung soll freiwillig bleiben

Als Präsident des Krankenkassenverbandes Curafutura verdient er rund 140'000 Franken jährlich. Er betont: «Ich stimme grundsätzlich immer so ab, wie ich es persönlich für richtig halte.» Entscheidend sei seine «persönliche, ideologische Überzeugung» und nicht die Haltung des Verbandes. Er ist denn auch der Meinung, dass die Offenlegung der Entschädigung weiterhin freiwillig bleiben soll.

Auch der Berner BDP- Nationalrat Lorenz Hess (58) lebt gut mit seinen Mandaten. Als Verwaltungsratspräsident des Krankenversicherers Visana erhält er 140'000 Franken pro Jahr. Ein Geheimnis macht er daraus nicht. Hess betont aber: Niemand kontrolliere sein Abstimmungsverhalten oder gebe es ihm gar vor.

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