Schlechtes Timing vor Fair-Food-Abstimmung
Bundesrat soll Freihandel mit Trump aushandeln

Kurz vor der Fair-Food-Abstimmung verlangen Wirtschaftspolitiker Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit den USA. Bauernpräsident Markus Ritter ist überzeugt: Das ist noch ein Grund mehr, für die Ernährungsinitiative zu stimmen.
Publiziert: 06.09.2018 um 14:32 Uhr
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Aktualisiert: 18.09.2018 um 01:50 Uhr
Pascal Tischhauser

Wenn das nicht schlechtes Timing ist: Just zweieinhalb Wochen vor der Abstimmung über die beiden Ernährungsinitiativen hat sich die Wirtschaftskommission des Nationalrats (WAK-N) für Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit den USA ausgesprochen. Der Antrag kam von SVP-Vizepräsidentin Magdalena Martullo-Blocher (49). Er empfiehlt, mit den USA auszuloten, ob ein Abkommen abgeschlossen werden kann, das die Landwirtschaft ausschliesst.

Departementsvorsteher Johann Schneider-Ammann (66) habe den Vorschlag begrüsst, heisst es in der Medienmitteilung. Wie Wirtschaftspolitiker berichten, hat der Bundesrat in dieser Sache bereits Kontakt mit US-Botschafter Ed McMullen (53) gehabt.

Bauernverband traut der Sache nicht

Nicht bei allen stösst der Kommissionsentscheid auf Zustimmung. Den Bauernverband «erstaunt» es, dass die Wirtschaftskommission so kurz vor der Abstimmung über Fair-Food und Ernährungssicherheit das Wirtschaftsdepartement beauftragt, mit den USA ein Freihandelsabkommen zu lancieren.
 
Bauernpräsident Markus Ritter (51): «Unter anderem an der Landwirtschaft sind die letzten Gespräche mit den USA über ein solches Abkommen gescheitert.» Man stelle zwar mit Genugtuung fest, dass nun die Landwirtschaft explizit ausgenommen werden soll. So richtig traue man der Sache aber nicht und sei «gewarnt, dass plötzlich doch wieder über Freihandel auch in der Landwirtschaft verhandelt» werde.

Magdalena Martullo-Blocher ist bei den Wirtschaftspolitikern mit ihrem Antrag durchgekommen, der Wirtschaftsminister solle mit den USA ausloten, ob ein Freihandelsabkommen ohne Landwirtschaft möglich wäre.
Foto: Keystone
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TTIP durch die Hintertür

Und Ritter macht klar: «Die Lancierung solcher Verhandlungen wird viele Bauern verunsichern und den Initiativen am 23. September weiter Auftrieb verleihen.» Und weiter: «Hätten sich die Wirtschaft und wirtschaftsfreundliche Politiker gegen die beiden Initiativen tatsächlich erfolgreich wehren wollen, hätten sie den Abstimmungssonntag für die Lancierung eines Freihandels mit den USA wahrscheinlich abwarten müssen.

Auch für die Linken ist der Entscheid brisant. Denn für sie geht er in die völlig falsche Richtung. «Die Verhandlung über ein Freihandelsabkommen mit den USA ist eine Kampfansage an eine nachhaltige, umwelt- und tierfreundliche Landwirtschaft. Das ist TTIP durch die Hintertür», findet Grünen-Präsidentin Regula Rytz (56). 

Hormone, Chlorlösungen und Gentech

Das umstrittene Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) zwischen den USA und Europa ist seit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten zwar auf Eis gelegt, doch vom Tisch ist es noch nicht. Einige Linke befürchten, dass all die Regelungen, gegen die drei Millionen Europäer ein Bürgerbegehren unterschrieben hatten, letztlich in der Schweiz durchgesetzt werden könnten. 

Das TTIP-Abkommen umfasste Sonderrechte für Grosskonzerne, barg bei Agrar- und Nahrungsmitteln die Gefahr, dass Hormone zur Rindermast, Chlorlösungen zur Fleischdesinfektion und gentechnisch verändertes Saatgut und Futtermittel erlaubt werden müssten. 

Mit Fair-Food einen Riegel schieben

Zudem warnt Rytz: «Die Gespräche sind ein Kniefall vor einem US-Präsidenten, der demokratische Rechte genauso mit den Füssen tritt wie Respekt und Anstand.»

Geht es nach der Grünen-Präsidentin, muss den Plänen mit einem Ja zu Fair-Food ein Riegel geschoben werden. Und wie Ritter ist auch sie der Ansicht, dass dies in zweieinhalb Wochen viele Stimmbürger tun werden.

Alle Abstimmungen auf einen Blick

Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.

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