Sarzens VD als einzige Gemeinde für bedingungsloses Grundeinkommen
Dieses Dorf träumt und wird über Nacht berühmt

Die Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen hatte an der Urne keine Chance. Mit einer einzigen Ausnahme: Die Waadtländer 80-Seelen-Gemeinde Sarzens sagte Ja.
Publiziert: 07.06.2016 um 00:17 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 13:35 Uhr
Lea Hartmann

Das Resultat fiel hauchdünn aus. Mit 18:17 Stimmen haben die Einwohner von Sarzens VD am Sonntag die Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen angenommen.

Eine Stimme reichte, um dem 80-Seelen-Ort im Waadtländer Mittelland schweizweite Bekanntheit zu verschaffen. Denn mit den 51.43 Prozent Ja-Stimmen-Anteil ist Sarzens die einzige Gemeinde der Schweiz, die die Initiative befürwortet hat.

Gemeindepräsident rechnete nicht mit Ja

«Ich war total überrascht, als ich das Ergebnis sah», sagt der parteilose Gemeindepräsident Ermanno D’Agostino (55). Er lebt am Rande des verschlafenen Dörfchens, das aus knapp zwei Dutzend Häusern sowie einigen Höfen besteht und dessen grösster Anlass im Jahr jeweils das heuer bereits zum 23. Mal stattfindende Seifenkistenrennen durchs Dorf darstellt.

36 Stimmberechtigte aus Sarzens haben an der Abstimmung über das bedingungslose Grundeinkommen teilgenommen. 18 sagten Ja, 17 Nein – und eine Person warf den Stimmzettel leer ein.
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Am oberen Ende der traditionellen Rennstrecke befindet sich die einzige Bushaltestelle der Ortschaft, wo neben dem Fahrplan am Schwarzen Brett der Gemeinde noch immer ein Plakat hängt, das für die Initiative wirbt. 

Aufgehängt hat es Anwohnerin Claire Juilland. Ihr habe das Dorf, das 60 Stimmberechtigte zählt, das knappe Ja zu verdanken, sagt der Gemeindepräsident. «Sonst wählen wir ja eher rechts.»

«Ich fand die Idee genial»

Die 49-Jährige Mutter hatte im Internet von der Idee eines Grundeinkommens für alle gelesen. «Ich fand sie genial», sagt Juilland. «Ein Grundeinkommen böte beispielsweise die Möglichkeit, sich vermehrt Dingen zu widmen, die einem wirklich wichtig sind. Ein Mehrwert also für die gesamte Gesellschaft.» 

In dieser Überzeugung schloss sich Juilland der Westschweizer Koordinationsgruppe an und versuchte, die anderen Dorfbewohner in Gesprächen für das Anliegen zu gewinnen. 

Das Dörfchen Sarzens hat Ja gesagt, mit 18 gegen 17 Stimmen.
Foto: Peter Gerber

Im Falle des Rentners Georges Pascalin gelang dies allerdings nicht. «Ich stimmte Nein», sagt der 73-Jährige, der mit seiner Frau seit über 40 Jahren in Sarzens lebt. «Gewisse Leute fanden wohl einfach die Aussicht ganz angenehm, Lohn zu erhalten, ohne arbeiten zu müssen.»

Ein Ja für all die Hausfrauen im Land

Anwohnerin Danièle Ligron (51) ist ganz anderer Meinung. Ihr Ja sei primär eine symbolische Unterstützung für all die Hausfrauen, die für ihre Arbeit für die Familie niemals einen Rappen sähen. «Sie opfern sich auf für ihre Familien. Dafür sollten sie auch einen entsprechenden Lohn erhalten», findet Ligron, die selbst lange zu Hause tätig war.

Und wie stimmte D'Agostino, Präsident der einzigen Pro-Gemeinde im Land? Auch wenn er sich über das Deutschschweizer Interesse an seinem Dörfchen sichtlich freut: Auf diese Frage gibts keine Antwort. «Das ist Privatsache», meint D'Agostino nur.

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