Sanktionen gegen Russland
Womit kann man Putin noch wehtun?

Wegen der russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine wird die Verschärfung der Sanktionen gefordert. Doch was ist überhaupt noch möglich?
Publiziert: 06.04.2022 um 14:53 Uhr
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Aktualisiert: 06.04.2022 um 14:59 Uhr
Lea Hartmann, Daniel Ballmer und Gianna Blum

Eingefrorene Vermögen, der Ausschluss russischer Banken aus dem internationalen Zahlungssystem, ein Waffenembargo oder ein Lieferstopp von Luxusgütern: Vier Sanktionspakete hat die EU bereits gegen Russland geschnürt – und die Schweiz zog mit. Eine weitere Sanktionsrunde soll nun bald folgen.

Doch welche Optionen liegen – nebst einem Kohle-, Öl- oder Gas-Embargo, das umstritten ist – sonst überhaupt noch drin, um Kriegstreiber Wladimir Putin (69) empfindlich zu treffen? Christian von Soest vom Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien in Hamburg ist Experte für internationale Sanktionen. Auf einer Eskalationsskala von 0 bis 10, sagt er, befinde man sich derzeit vielleicht auf Stufe 7, was mögliche Sanktionen gegen Russland betrifft.

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Schlupflöcher stopfen

Spielraum gibt es laut von Soest noch bei den Finanzsanktionen. «Man könnte weitere Banken, Firmen von Oligarchen und deren Familienmitglieder sanktionieren», sagt er. Sanktions-Spezialistin Erica Moret vom Graduate Institute in Genf nennt zudem das Stopfen von Schlupflöchern bei den bestehenden Sanktionen als Möglichkeit, um die Schraube gegenüber Russland weiter anzuziehen. «Russische Oligarchen haben noch immer die Möglichkeit, ihre Vermögen in Steueroasen zu verschieben», nennt sie als Beispiel.

Wladimir Putin während einer Videokonferenz mit dem russischen Sicherheitsrat. Der Westen berät über weitere Sanktionen gegen den russischen Präsidenten.
Foto: IMAGO/SNA
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Die schärfste Massnahme wäre ein komplettes Handelsembargo. Verhängt wurde die härteste aller Sanktionen einmal: in den 90er- bis Anfang 2000er-Jahren gegenüber Irak. Die Handelsblockade hatte verheerende humanitäre Folgen; beispielsweise stieg die Kindersterblichkeit im Land dramatisch. Eine Massnahme, die deshalb von niemandem ernsthaft ins Auge gefasst wird.

Was tun die USA?

«Interessant wird sein, was die USA beschliessen. Sie sind aggressiver, was Sanktionen und ihre Umsetzung betrifft», sagt Moret. Es sei möglich, dass sie sogenannte Sekundärsanktionen verhängen – Strafmassnahmen gegenüber Staaten, Firmen oder Personen, die mit sanktionierten Unternehmen geschäften.

Welche Wirkungen dies haben würde, bleibt offen. Von Soest warnt vor allzu grossen Erwartungen: «Die kurzfristige Wirkung von Sanktionen darf man nicht überschätzen.»

Gerade im Fall von Russland hätten Sanktionen nur sehr beschränkt eine Wirkung. «Die Forschung zeigt, dass sie besonders in Autokratien oft wenig zu einem Kurswechsel beitragen.» Zudem ist Russland eine sehr grosse Volkswirtschaft, was es nochmals schwieriger mache. «Und der dritte Punkt: Das Ziel der Sanktionen – der Angriffskrieg in der Ukraine – hat eine zentrale Bedeutung für Putin. Davon lässt er nicht einfach so ab.»

Solidarität müsse wehtun

Sanktionen seien deswegen aber nicht sinnlos, sagt von Soest. Davon ist auch der ehemalige Botschafter Tim Guldimann (71) überzeugt. Der Ex-Diplomat pocht darauf, dass sich die Schweiz rechtzeitig auf nächste Eskalationsstufen vorbereitet. Im Fokus stehen müsse für die Schweiz dabei der Rohstoffhandel und die damit verbundenen Finanztransaktionen.

«Wenn wir, wie beim Bankgeheimnis, anstatt rechtzeitig aktiv zu werden immer nur auf äusseren Druck reagieren, ist das peinlich», sagt er. Es gehe um Solidarität. «Diese ist erst dann überzeugend, wenn sie weht tut.»

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