Reisen, Spesen, Spenden
Der tiefe Fall der welschen Politstars

Der Romandie gehen die politischen Hoffnungsträger aus – von links bis rechts straucheln die Politstars. Schuld ist auch ihr schneller Aufstieg.
Publiziert: 09.11.2018 um 01:35 Uhr
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Aktualisiert: 14.11.2018 um 22:57 Uhr
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Sermîn FakiPolitikchefin

Für sie war der Himmel die Grenze: Pierre Maudet (40), Guillaume Barazzone (36), Géraldine Savary (40) und Pascal Broulis (53) waren die Politstars der Westschweiz. Erfolgreiche Regierungsräte, blitzgescheite Exekutivpolitiker, beliebte Vorbilder in ihren Kantonen. Nachwuchshoffnungen ihrer Parteien, Anwärter auf höchste Weihen.

Jetzt sind sie gefallene oder zumindest angeschlagene Helden. Luxusreisen in den Orient, Wahlkampfspenden, Ungereimtheiten bei den Steuern und absurd hohe Spesenrechnungen beflecken ihre bislang makellosen Karrieren.

Teure Reisen und Champagner auf Spesen

Gegen Maudet läuft eine Strafuntersuchung wegen Vorteilsnahme. In der Genfer Regierung wurde er entmachtet, weil sich der FDP-Staatsrat von Scheichs auf eine teure Reise nach Abu Dhabi hatte einladen lassen und darüber gelogen hatte.

Vom Fast-Bundesrat zum entmachteten Staatsrat: Pierre Maudet muss sich einer Strafuntersuchung wegen Vorteilsnahme stellen. Sollte es zur Anklage kommen, wird er zurücktreten, hat er angekündigt.
Foto: Keystone
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Nach Abu Dhabi gereist war auch CVP-Nationalrat Barazzone, den seine Partei als künftigen Bundesrat aufbauen wollte. Zudem hat er als Mitglied der Genfer Stadtregierung jahrelang absurd hohe Spesen eingezogen. Allein im Jahr 2017 telefonierte er für 17'000 Franken. Auf Rechnung der Steuerzahler gingen auch eine Flasche Champagner und Cocktails, bestellt mitten in der Nacht in einer Karaoke-Bar.

Heikle Nähe zu einem Milliardär

Als nächste SP-Bundesrätin gesetzt war auch die Waadtländer Ständerätin Savary. Bevor herauskam, dass der schwedische Multimilliardär Frederik Paulsen – der in der Waadt von einer umstrittenen Pauschalbesteuerung profitiert – ihre Wahlkämpfe mitfinanziert hatte. Nun wird sie nicht Bundesrätin, sondern zieht sich komplett aus der Politik zurück.

Kontakt zu Paulsen pflegt auch der Waadtländer Finanzdirektor Broulis. Dass er sich von einem der reichsten Einwohner seines Kantons einladen liess, machte ebenso Schlagzeilen wie Broulis' eigene – tiefe – Steuerrechnung. Broulis hält bis jetzt durch. Doch ob die Waadtländer ihm bei den nächsten Wahlen das Vertrauen schenken, ist unsicher.

«Hochmut der Wunderkinder»

Bleibt die Frage, wie es so weit kommen konnte. Wie sich so erfahrene und begabte Politiker in solche Affären verstricken können. Die Fälle mit der vermeintlich welschen Mentalität zu erklären, greift für den Bieler Publizisten Peter Rothenbühler (69) zu kurz.

«Weder umstrittene Reise-Einladungen noch heikle Wahlkampfspenden oder Spesenrittertum haben etwas mit dem der Romandie gern unterstellten Hang zum Laisser-faire zu tun», sagt der Kolumnist der «Schweizer Illustrierten», der die Westschweiz so gut kennt wie kaum ein anderer Deutschschweizer.

«Verantwortlich ist vielmehr der Hochmut der politischen Wunderkinder der Westschweiz», sagt er. Tatsächlich: Was die vier Strauchelnden eint, ist ihr kometenhafter Aufstieg. Sie alle kamen jung in Machtpositionen, waren erfolgreich, beliebt und bewundert. Damit steigt auch die Gefahr, die Bodenhaftung zu verlieren. Sich für unantastbar zu halten. Wie sich nun zeigt, waren sie das nicht.

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